Setzen, Note 6 (sechs), das üben wir noch mal!

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Die Leonberger KZ-Gedenkinitiative durfte ihre Veranstaltung zum 27.1. nicht, wie jedes Jahr, im Stadtmuseum abhalten. Der Sozial- und Finanzbürgermeister Dr. Ulrich Vonderheid (CDU) weigerte sich, Räumlichkeiten der Stadt für einen Vortrag zum Holocaust-Gedenken am 27.1.2012 zur Verfügung zu stellen. Begründung: Neonazis könnten dagegen eine Demonstration anmelden.

Veranstaltung der Leonberger KZ-Gedenkinitiative zum Holocaust-Gedenken mit dem Journalisten Robert Andreasch unter dem Titel „Die extreme Rechte in Süddeutschland und wie der Verfassungsschutz mit ihr umgeht“

Fotobericht hierzu unter http://www.die-beobachter.info/index_htm_files/120127_DB_Leonberg_Andrea...

 

Vorgeschichte:

Im September 2011 hatten Neonazis aus Anlass eines Vortrages des Journalisten in Leonberg einen Naziaufmarsch angemeldet, der von AntifaschistInnen verhindert wurde (siehe „Rückblick“ am Ende des Berichts). Das wollten die Leonberger Entscheidungsträger nach eigenen Angaben damit verhindern. Der Vortrag fand nun im Blumhardt-Saal der Blosenbergkirche statt. Andreasch beobachtet seit Jahren die rechtsradikale Szene – anders als der Verfassungsschutz veröffentlicht er seine Erkenntnisse allerdings.

 

Wir erreichten gegen 18:30 Uhr den Leonberger Bahnhof. Es war alles ruhig, nur ein paar Zivilpolizisten mit „Knopf im Ohr“ und ein paar wenige uniformierte Polizeibeamte waren zu sehen. Um 19:15 Uhr wurden mehrere Jugendliche von der Polizei kontrolliert. Als ein besonders eifriger Beamter uns bemerkt, schimpft dieser lautstark: „Wenn ich mein Gesicht irgendwo veröffentlicht sehe, gibt es eine Klage“. Gegen was der freundliche Herr in Uniform ggf. klagen wollte, wird wohl im Dunkeln bleiben. Polizeibeamte kontrollieren den ganzen Abend ohne ersichtlichen Grund Menschen, die sich im Umfeld des Veranstaltungsorts befanden und unzweifelhaft nicht der rechtsradikalen Szene zuordenbar waren. Teilweise kam es zu Durchsuchungen der Personen. Auf Nachfrage, warum diese Personen kontrolliert werden, verweigerten die Beamten die Auskunft hierüber und verwiesen auf ihren Einsatzleiter. Dieser erschien auch wenige Minuten später und gab als Begründung an, dass es sich um eine „allgemeine Gefährdungslage“ handeln würde.

Am kirchlichen Infobereich gab es neben den üblichen Informationen auch Infos zu antifaschistischen Aktionen. Wir konnten nur sehr schwer einen Blick auf den Referenten erhaschen, da der Saal und der Gang bei unserem Eintreffen brechend voll war. Am Ende des Vortrags und im Anschluss an die darauffolgende Diskussion kam es noch zu einem regen Austausch zwischen Robert Andreasch und interessierten BesucherInnen. Die Leonberger KZ-Gedenkstätteninitiative hielt Infomaterial bereit. Im Veranstaltungssaal, im Flur vor dem Saal und um die ganze Kirche befanden sich ZivilpolizistInnen. Die einen relativ unauffällig und die anderen in „Schlapphutmanier“ in dunklen Ecken. Besonders „unauffällig“ war ein „Zivipärchen“, das man an diesem Abend überall zu Gesicht bekam. Direkt vor dem Kircheneingang… in dunklen Garageneinfahrten gegenüber der Kirche… im Nebel am Leonberger Bahnhof.

Bei der Abreise bot sich den auswärtigen Besuchern am Bahnhof eine starke Polizeipräsenz.

 

Fazit: Eine sehr gelungene Veranstaltung in einem Kirchensaal mit ca. 150 sehr interessierten Besuchern, die teilweise wegen Überfüllung im Gang der Kirche dem Referenten lauschten. Das Medieninteresse (Presse und Rundfunk) war erfreulicherweise stark ausgeprägt. Die Polizei hätte auf die Kontrolle - und teilweise fast albern wirkenden Durchsuchungen - von Besuchern verzichten und lieber nach den Neonazis Ausschau halten sollen, die sich in diversen einschlägigen Internetforen für diesen Abend „angekündigt“ hatten. Offensichtlich war die Angst vor einer erneuten Niederlage in Leonberg aber zu groß und die Faschisten blieben Leonberg fern. Dies ist allerdings keinesfalls der Stadtverwaltung Leonberg zu verdanken, sondern den entschlossenen antifaschistischen Gruppierungen, die auch dieses „Leonberg 2.0“ für die Neonazis wohl zum Desaster gemacht hätten.

Das Verhalten der Stadt Leonberg ist als absolut skandalös zu werten. Die Entscheidungsträger haben mit ihrem Verhalten beinahe eine hochqualifizierte Aufklärungsveranstaltung über die gewaltbereite rechte Szene verhindert und hätten damit den Faschisten in die Hände gespielt. Die Herrschaften der städtischen Führungsriege wäre es gut gestanden, sich in die Reihen der Gegner dieser Faschisten einzureihen.

Da kann man nur sagen: Setzen, Note 6 (sechs), das üben wir noch mal! Erfreulicherweise sahen Kirchenvertreter das anders und sprangen ein.

 

Rückblick:

Am 16.09.2011 versuchten Neonazis durch Leonberg zu marschieren, um gegen eine Veranstaltung mit dem Neonaziexperten Robert Andreasch zu protestieren. Auch Neonazis aus Göppingen und dem Rems-Murr-Kreis waren beteiligt. Dieser faschistische Aufmarsch sollte von der Polizei ermöglicht werden, die eifrig die protestierenden Antifaschisten abfilmte. Der entschlossene antifaschistische Widerstand verhinderte den Propagandamarsch der Faschisten. Die Neonazis mussten unverrichteter Dinge abreisen. Bei der Abreise der Neonazis wurden Journalisten beleidigt und es kam zu lautstarken Äußerungen, die den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Dieses Szenario wurde dokumentiert und die betreffenden Rechtsradikalen wurden angezeigt. Mehrere Polizeibeamte standen während der strafbaren Äußerungen in unmittelbarer Nähe der beschuldigten Neonazis. Die Ermittlungen der Behörden laufen noch und man darf gespannt sein, was als Ergebnis dabei herauskommen wird. Die Veranstaltung mit Robert Andreasch konnte völlig ungestört durchgeführt werden.

Fotobericht hierzu unter http://www.die-beobachter.info/index_htm_files/120127_DB_Leonberg_Andrea...