Irgendwann am letzten November-Wochenende wird ein Castortransport aus der Plutoniumfabrik La Hague (Frankreich) im Zwischenlager Gorleben eintreffen. Wann das ist? Aktuell ist dies eine der beiden spannenden Fragen in diesem Zusammenhang: wie gestaltet sich der geplante Transportablauf? (Die Transporteure setzen offenkundig auf Trickserei.) Mit welchen Ergebnissen endet die Auseinandersetzung um das Camp Dumstorf? (Um die Anmeldung wird gerungen; möglicherweise muss es Alternativen dazu geben.)
In diesem Überblick sollen aber natürlich auch die geplanten Aktivitäten präsentiert werden; ebenso werden die Gruppierungen, die sich um vielfältigen Protest und Widerstand bemühen, vorgestellt. Am Anfang der Linkliste steht ein kleiner Serviceteil: zum einen für Menschen, die sich gerne auf den Weg ins Wendland machen wollen. Zum anderen für diejenigen, die von zuhause aus Anteil nehmen. Der Artikel schließt mit einer Menge Hintergrund.
Camps: Überblick http://www.castor-camps.net Castor Ticker: http://castorticker.de Mitmach-Angebote anti-Castor-Camp in Valognes Valogne-Camp Südblockade: castor-suedblockade.de zum Zug kommen: web.wir-kommen-zum-zug.org Castor Schottern: castor-schottern.net Ende im Gelände: ende-im-gelaende widerSetzen: widersetzen.de X-1000mal Quer: x-tausendmalquer.de Demo und Kundgebung: img src="/img/extlink.gif"> gorleben-castor.de
Gruppierungen: Widerstands-Aktionsgruppen[wagt!] http://ja-wir-stoeren.de/aufruf BI-Lüchow-Dannenberg: http://www.bi-luechow-dannenberg.de widerStands-Nest Metzingen: http://goehrde.ucrony.net Bäuerliche Notgemeinschaft: http://www.baeuerliche-notgemeinschaft.de Bürgerbündnis: http://www.gorleben-castor.de Autonomes Bündnis: http://www.castor2011.org bei Bullen-Kummer: http://www.outofaction.net
Wann kann der Castor ankommen?
Der Transport startet am Bahnhof Valognes (Frankreich): ein Zug mit Glaskokillen aus der Plutoniumabtrennung am Cap de La Hague soll nach Gorleben rollen. Dies ist der 13. und vorerst letzte Transport dieser Serie.
Im Lauf dieser Transportserie hat die Polizei die Abläufe mehrfach geändert. So ist der Termin der Abfahrt immer weiter nach vorn verschoben worden. Diesmal hatten sie den Abfahrtszeitpunkt zunächst auf Donnerstag Mittag gesetzt. Das war bereits einen Tag früher als bei den letzten Malen.
Vom réseau sortir du nucleaire, dem antiAtom-Netzwerk in Frankreich kommt nun die Nachricht, dass die Abfahrt um noch einen weiteren Tag nach vorn verlegt worden ist. Die aktuell vorgesehene Abfahrt: Mittwoch 14:26.
Im schlechtesten Fall, wenn also nichts und niemand dazwischen kommt, kann der Zug bereits am Donnerstag nachts in Lüneburg einrollen; anderthalb Stunden später könnte er in Dannenberg unter dem Kran stehen. Theoretisch denkbar ist diese Möglichkeit auch, aber dafür müsste der Transport den eigenen „Rekord“ um fünf Stunden knacken.
Hält die Bahn den regulären Fahrplan ein, dann wäre um Mitternacht der Start für die letzte Schienenetappe, das Stück zwischen Lüneburg und Dannenberg.
Erreicht der Zug seine bisherige Durchschnittsgeschwindigkeit, dann durchfährt er die Wendlandbahn im Morgengrauen des Freitags. Bliebe der Verlauf dann weiterhin ohne Behinderung, könnten die Behälter im Lauf des Vormittags am Verladekran in Dannenberg auf Tieflader gesetzt werden; der Straßentransport könnte bis Freitag abend abgeschlossen sein.
Die beiden letzten Transporte 2008 und 2010 wurden bereits zwischen Valognes und Lüneburg sehr stark durch Blockaden behindert. Wäre das in diesem Jahr genauso, dann könnte die Ankunft in Lüneburg auf Freitag abend fallen.
Was ist wahrscheinlich?
Der Blick in die Kristallkugel ergibt einfach kein klares Bild. Ein frühzeitiges Eintreffen (wie oben skizziert) wäre ein sehr riskanter Versuch: entwickelt sich das Transportgeschehen wie in den Jahren 2008 und 2010, dann fiele das Eintreffen der Behälter in Dannenberg mit der Kundgebung in Sichtweite des Krangeländes zusammen. Zu dieser Großdemonstration werden mehrere Zehntausend Menschen erwartet. Das kann eigentlich nicht im Sinn der Ordnungsbehörde sein. Die Allgemeinverfügung, die Demonstrationen in einem 50-Meter-Korridor links und rechts der Transportstrecke generell untersagt, tritt obendrein erst am Sonntag in Kraft. Diese Variante wäre allenfalls dann sinnvoll, wenn zur Zeit der Massenveranstaltung der Transport bereits wohlbehalten in der Castorhalle stände.
Auf der anderen Seite gibt es das erkennbare Bemühen darum, genau dies zu ermöglichen. Am Mittwoch zu starten, um am Sonntag morgen anzukommen, hieße die Fahrtzeit künstlich in die Länge zu ziehen: statt der rechnerisch möglichen 38 Stunden würde der Bahntransport auf 84 Stunden ausgedehnt. Damit würde auch der notwendige Sicherungsaufwand stark erweitert. Für diese Version wären ein oder mehrere gesicherte Haltemöglichkeiten vonnöten. Denkbar hierfür wäre das AKW Philippsburg; das Militärgelände in Munster (Heide); oder der Rangierbahnhof Maschen.
Fazit: für alle, die dem Transportgeschehen mehr als eine Meinung entgegenhalten wollen, ist es notwendig, sich (im Süden) ab Donnerstag beziehungsweise (im Wendland) ab Freitagmorgen auf Aktionen einzustellen. Ob der Zug dennoch früh durchkommt; ob er wegen irgendwelcher Hindernisse später eintrifft und dann geparkt werden muss; oder ob sein späteres Eintreffen von vornherein das Ziel polizeilicher Planung war: all das wird sich erst im Nachhinein beantworten lassen.
Was geschieht mit den Camps im Wendland?
Die Karte der anti-Castor-Camps reicht in diesem Jahr weit bis nach Westen: bereits bei Bad Bevensen bietet sich die Möglichkeit, Quartier zu finden. Direkt an der Grenze zu Lüneburg liegt das Camp Wendisch Evern.
Um das Camp in Dumstorf gibt es ein juristisches Tauziehen. Die Anmelderin klagt gegen die Verbotsverfügung des Landrats. Auch die Campgruppe setzt zur Zeit alles Erdenkliche daran, dass dieser notwendige soziale Ort für Widerstand zustande kommt. (Erklärung der Vorbereitungsgruppe)
Der Aufbau der Camps in Metzingen, Hitzacker und Gedelitz verlief bislang ohne Störung. Ein großer Infopunkt (ohne Übernachtungsmöglichkeit) entsteht in Dannenberg auf der Essowiese.
Politische Hintergründe der Anti-Castor-Proteste
Wenn Ende November der Castortransport nach Gorleben rollt, werden sich ihm unterschiedlichste Menschen entgegenstellen. Castortransporte ins Wendland haben sich über die letzten Jahrzehnte zu den größten Kristalisationspunkten der Anti-Atom-Bewegung weltweit entwickelt. Sie sind der Ort, wo Atompolitik am leichtesten angreifbar ist, vor allem auch wegen der tiefen Verwurzelung der Protestbewegung im Wendland. Beinahe die gesamte Bevölkerung, Alt und Jung, unterstützt die Bewegung. Der Mangel an Dogmatismus ist eine große Stärke des Widerstandes. Er ist auch eine gute Möglichkeit, den Fokus auf Bereiche der Anti-Atompolitik zu lenken, die nicht direkt mit Gorleben zusammen hängen und sich schwerer angreifen lassen als der Castortransport. Dieser erste Abschnitt erläutert Beweggründe für die Proteste gegen Castortransporte. Sollten wichtige Aspekte vergessen worden sein, einfach ergänzen.
Uranabbau, AKWs und „Wiederaufbereitung“
Dafür, dass Kernkraftwerke Energie und Abfall produzieren können ist zunächst ein Rohstoff nötig: Uran. Kanada und Australien fördern die größten Mengen Uranerz, gefolgt von Kasachstan, Russland, Niger und Namibia. Gerade die Urangewinnung stellt ein gravierendes soziales, gesundheitliches und ökologisches Problem dar. Beim Uranabbau entstehen riesige Schutthalden aus denen u.A. Radon und CO2 entweicht. Das Sickerwasser und damit die Umgebung werden radioaktiv verseucht. Zum Teil werden Indigena für den Uranabbau aus ihrem Gebiet verdrängt. Zwischen Uranabbau und dem Einsatz im AKW sind viele Prozesse notwendig, die ihrerseits auch wieder massive Gefahren mit sich bringen. Genannt seien die Urananreicherung (eine Anlage besteht z.B. im westfälischen Gronau), Urantransporte und die Produktion von Brennelementen. Nur ein geringer Teil des Urans, der in die Produktion geht, kann später als Kernbrennstoff verwendet werden. Zurück bleiben eine Unmenge an radioaktiven und toxischen Abfallprodukten, die meist im Land bleiben, wo das Uranerz abgebaut wurde und dort große Gebiete verseuchen. Doch nun können Kernkraftwerke mit Brennstäben beliefert werden. In jedem AKW findet sich ein radioaktives Inventar, das ausreicht, um große Landstriche für alle Zeit unbewohnbar zu machen. Welche Ausmaße eine Freisetzung des radioaktiven Inventars für Mensch und Tier hat, ist spätestens seit Tschernobyl allgemein bekannt. Fukushima hat nun auch für die Allgemeinheit bewiesen, dass das „Restrisiko“ nicht nur bei maroden Ostblock-Reaktoren existiert. Das Risiko eines Super GAUs ist zwar relativ gering, aber bei der Menge an AKWs, die auf der Welt bestehen, ist es dann doch nicht so unwahrscheinlich, dass das „Restrisiko“ hinundwieder zeigt, dass es existiert. Und jeder einzelne Super GAU hat solch weitreichende Folgen, dass selbst das relativ geringe „Restrisiko“ zu hoch ist. Neben der Gefahr eines Super GAUs führt auch der Normalbetrieb eines AKWs zu einem erhöhten Krebsrisiko in der Umgebung. Kernkraftwerke dürfen in einem bestimmten Umfang radioaktive Substanzen freisetzen. Die Grenzwerte sind im Vergleich zum Super GAU relativ niedrig angesetzt, können aber nicht sicherstellen, dass niemand erkrankt. Ist es relativ gut erforscht, was große Mengen an Radioaktivität im Körper anrichten, ist es noch Forschungsgegenstand wie sich „Niedrigstrahlung“ auf den menschlichen Organismus auswirkt. Unumstritten ist jedoch, dass jede noch so kleine ionisierende Strahlung Krebs auslösen kann. Gestritten wird darüber, wie häufig das geschieht. Zu dem Risiko der Verstrahlung durch Unfall und Normalbetrieb wird in AKWs noch eine Menge Müll produziert. Abgebrannte hochradioaktive Brennelemente werden häufig in eine „Wiederaufbereitungsanlage“ (bzw. Plutoniumfabrik), wie die in La Hague transportiert. Hier wird aus abgebranntem Kernbrennstoff wieder Plutonium gewonnen. Was auf dem ersten Blick wie Recycling aussieht, führt in der Praxis zu viel mehr Müll als vorher. Teilweise dürfen radioaktive Abfallprodukte einfach ins Meer geleitet werden. Das gewonnene Plutonium kann für Kernwaffen und AKWs verwendet werden. AKWs nutzen allerdings wiederaufbereitetes Plutonium ungern, weil es den Reaktor verschmutzt. Bleibt noch die militärische Nutzung. Die Abfallprodukte werden zum Abkühlen in Zwischenlager (wie die „Kartoffelscheune“ in Gorleben) gebracht und sollen danach in ein Endlager kommen, in dem es für alle Zeiten sicher von der Umwelt abgeschottet werden soll. Sofern ein solches Endlager jemals existieren wird. Bis dahin werden ungeheure Mengen an Müll produziert, von denen niemand weiß wohin damit. Und bei den Kosten, die Mensch und Umwelt davon trägt, wird Kernkraft immer noch als günstige Energiegewinnung verkauft. Manchmal sogar als Klimaretter, weil der CO2-Ausstoß auf den Uranabbau, der sowieso kaum ein Thema ist, beschränkt bleibt.
Über Uranabbau: http://www.umweltinstitut.org/download/flyer/Themenflyer_Uranabbau_download.pdf
Zur „Wiederaufbereitung“: http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/atommuell_wiederaufarbeitung/artikel/wiederaufarbeitung_die_wichtigsten_fakten/
Endlagerproblematik / Gorleben als Standort
Es gibt weltweit kein Endlager für hochradioaktiven Abfall. Dies ist auch schwer möglich. Plutonium hat eine Halbwertzeit von 24000 Jahren. Das bedeutet, dass es für Millionen Jahre sicher von der Umwelt abgeschottet werden müsste. Ein Zeitraum, der kaum vorstellbar ist. Keine Sprache, kein Symbol hat auch nur annähernd für diese Zeit existiert. Generationen in 48000 Jahren, wenn immernoch 25% des Plutoniums strahlt, können nur schwer vor der Gefahr gewarnt werden. Ganz zu schweigen davon, dass für solch einen Zeitraum, wo auch immer man ihn begräbt, kaum sicherzustellen ist, dass nichts von dem Müll freigesetzt wird. In der ASSE reichten schon ein paar Jahre, dass sich Grundwasser seinen Weg zu radioaktiven Abfällen bahnte, was bis dahin als undenkbar galt. Vor solchen Hintergründen Atommüll zu produzieren ist verantwortungslos allen nachfolgenden Generationen gegenüber. Gorleben ist ein gutes Symbol für die Problematik, dass es weltweit kein sicheres Endlager gibt. Der Salzstock in Gorleben wurde nicht etwa ausgesucht, weil er sich in Deutschland am besten eigne, sondern „aus geopolitischen Gründen“, wie es so schön heißt. Im Klartext: Gorleben lag im Grenzgebiet zur DDR. Zudem spielte eine Rolle, dass der Landkreis schwach bevölkert ist und nicht damit gerechnet wurde, dass die eher konservativen Bauern aufstehen könnten. Nun sind die Bauern aufgestanden und die DDR gibt es auch nicht mehr Gorleben soll jedoch weiter „erkundet“ werden, einfach weil man es angefangen hat. Und um Fakten zu schaffen wird quasi im Rahmen der „Erkundung“ der Salzstock zum Endlager ausgebaut, auch wenn es dafür keine Genehmigung gibt. Weitere Fakten werden mit jedem Castor ins Zwischenlager geschaffen. Nach dem Motto: „Der Müll muss ja irgendwo hin!“ sollen die eingelagerten Castoren aus dem Zwischenlager irgendwann „allen Bedenken zum Trotz“ in dem Salzstock verscharrt werden. Doch Atommüll muss nicht „irgendwo“ hin, er muss so sicher wie möglich von der Umwelt abgeschottet werden. Seitdem die „Erkundung“ des Salzstockes läuft wird an einem offiziellen Gutachten zur Eignung gearbeitet. Doch auf das Ergebnis wartet man bislang vergeblich. Viele unabhängige Gutachten kamen jedoch zu dem Schluss, dass Gorleben auf keinen Fall als sicherer Endlagerstandort geeignet ist. Dass ein Erdgasvorkommen zu Problemen führen kann. Und, dass der Salzstock absaufen könnte, wurde in Gorleben genausowenig beachtet, wie in der ASSE. Das alles schafft kein Vertrauen in den Endlagerstandort Gorleben.
Zur Endlagerproblematik: http://www.online.uni-marburg.de/isem/WS00_01/docs/endlager.pdf
„Atomkonsens“, „Laufzeitverlängerung“ und „Energiewende“
Einen ähnlich konsequenten „Atomausstieg“ wie er uns jetzt vorgegaukelt wird, gab es auch schon mal im Jahr 2000 unter rot-grüner Bundesregierung: der „Atomkonsens“. Er garantierte den deutschen Kernkraftwerken den ungestörten Weiterbetrieb bis zur Schrottreife. Nacheinander sollten ganz langsam die AKWs abgeschaltet werden, jenachdem wielange sie schon am Netz waren. Das letzte AKW wäre nach diesem Vertrag erst nach 2030 abgeschaltet worden. Als wäre dies nicht schon genug Zugeständnis an die Atomlobby, gab es für AKW-Betreiber unter Rot-Grün auch die Möglichkeit, die Restlaufzeit für einzelne AKWs auf andere AKWs anzurechnen. Es konnten AKWs, die laut Ausstiegsvertrag abgeschaltet werden sollten weiterlaufen, weil dafür irgendwann in der Zukunft ein anderes AKW früher als vereinbart heruntergefahren würde. Verständlich, dass sich die Bewegung im Wendland durch diesen „Atomausstieg“ nicht befrieden ließ. Trotz der ungelösten Endsorgungsfrage noch für 20 Jahre Atommüll zu produzieren ist fürs Wendland keine Lösung des Problems. Für die Bewegung ist der sofortige Ausstieg aus der Kernenergie Losung. Dass der rot-grüne Scheinausstieg im Jahr 2010 von Schwarz-Gelb zurückgenommen wurde, trieb natürlich viele Menschen zum Castortransport. Auch die Parteien, die den „Atomkonsens“ mitgetragen hatten, mobilisierten wieder ins Wendland, was an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten war. Aber ob mit oder ohne „Laufzeitverlängerung“ - der Widerstand wäre nicht befriedet. Die wendländische Bevölkerung hat über die Jahrzehnte ein gesundes Misstrauen gegenüber Aussagen der Obrigkeit entwickelt und wird weiter Widerstand leisten, bis das letzte AKW vom Netz ist und die Endsorgungsfrage geklärt ist. Daran ändert auch nicht, dass Schwarz-Gelb nach Fukushima die Notbremse gezogen hat und jetzt von der „Energiewende“ redet. Acht AKWs wurden abgeschaltet und das letzte AKW soll nun doch „schon“ 2022 vom Netz gehen. Es ist schon beinahe komisch, wie Stromversorger im Augenblick für regenerative Energiequellen werben und den angelockten Kunden klammheimlich ihren „Strommix“ andrehen. Besser als der „Atomkonsens“ von Rot-Grün ist das neue Modell von Schwarz-Gelb sicherlich, aber da ginge sicherlich noch mehr. So soll nun noch für 11 Jahre Atommüll produziert werden, von dem keiner weiß, wo er entsorgt werden könnte. Es wird oft das Szenario von einer Stromversorgungslücke herbeigerufen. Dass schon heute Anbieter von Strom aus regenerativen Quellen Probleme haben, ihre Energie ins Netz einzuspeisen, weil das komplette Netz mit Strom aus fossilen Quellen überlastet ist, wird gerne verschwiegen. Dass das Netz für „Őkostrom“ noch stark ausgebaut werden muss, ist sicherlich richtig, aber noch 11 Jahre zu warten, bevor das letzte AKW in Deutschland vom Netz geht, ist wohl auch vor dem Hintergrund eher ein großes Zugeständnis an die Anbieter von Kernenergie. Die „Energiewende“ könnte sicherlich schneller vonstatten gehen, als man uns weismachen will. Es hat sich am Kritisierten wenig geändert und von daher spricht wenig dafür jetzt aufzuhören Widerstand zu leisten. Es wäre geradezu naiv auf die Versprechen und Ausflüchte der Obrigkeit zu hören und darauf zu warten, dass die „Energiewende“ vollzogen wird. In 11 Jahren kann viel geschehen, Mehrheiten können sich ändern, und daher ist es nur konsequent, den Entscheidungsträgern solange auf die Finger zu (sc)hauen, bis der Atomausstieg vollzogen ist ... .
Strahlungsgrenzwert im Zwischenlager Gorleben fast erreicht
Im Gorlebener Zwischenlager sind die Castorbehälter der einzige Schutz vor Radioaktivität. Und es ist bekannt, dass die Behälter einen Teil der Strahlung entweichen lassen. Aktuell geht durch die Presse, dass in der Umgebung dieser „Kartoffelscheune“ die radioaktive Belastung, vermutlich durch den letzten heißen Transport, stark zugenommen hat. Die gemessenen Werte kommen hochgerechnet dem Jahres-Grenzwert für „strahlenexponierte Personen“ (Arbeiter im AKW,...) sehr nah. Mit dem nächsten Castortransport ist davon auszugehen, dass die radioaktive Belastung über den Grenzwert steigt. Den direkten Anwohnern in Gorleben würde dann eine Strahlenbelastung zugemutet, die über der liegt, der Arbeiter in einem Kernkraftwerk ausgesetzt werden dürfen. Eine logische Folge wäre, deshalb den nächsten Castortransport zu stoppen. Doch aufgrund der Staatsräson wollen die zuständigen Stellen nichts davon wissen. Die Bürgerinitiativen klagen derzeit gegen den Transport, doch es ist davon auszugehen, dass die Gerichte trotz der klaren Fakten im Sinne der Staatsräson handeln werden und die überschreitung des Grenzwertes beschließen.
Siehe auch: http://www.contratom.de/castorticker2011.php?id=37560
Castortransporte und Herrschaft
Castortransporte ins Wendland sind eine große Manifestation staatlicher Herrschaft. Es hätte wohl kein Atommüll in Gorleben eingelagert werden können, wenn nicht prügelnde Polizisten jeden Transport begleiten würden. Die Ablehnung von Castortransporten ist im Wendland flächendeckend und nicht von der politischen Einstellung abhängig. Nach libertären oder auch bloß demokratischen Standards, wäre kein Atomlager im Wendland denkbar. Beinahe die komplette Bevölkerung des Landkreises stemmt sich seit Jahrzehnten gegen Gorleben als Atomstandort. Doch ebensolange werden sie von den zuständigen Behörden ignoriert. Die Durchsetzung der Energiepolitik ist Staatsräson. Und so wird jeder Wendlandcastor von zehntausenden Polizisten begleitet, die den ganzen Landkreis in tagelangen Ausnahmezustand versetzen und den Auftrag haben, im Zweifelsfall auch mit Gewalt den Widerstand zu brechen. Die massive Polizeipräsenz im Landkreis (auch schon in den Monaten vorm Castortransport) führte zu dem, was einige Soziologen mitlerweile das „Lüchow-Dannenberg-Syndrom“ nennen. Dass die „Kriminalitätsstatistik“ steigt, je mehr Polizei an einem Ort gebündelt wird. Erklärt wird das mit einer geringeren Dunkelziffer. Ist mehr Polizei eingesetzt als üblich, verfolgt sie auch „Straftaten“, die sonst ignoriert oder übersehen werden. Meist Lapalien. Das Phänomen trägt den Namen des Landkreises, weil es im Wendland, wo man auf 10 km gut und gerne 5 mal in eine Polizeisperre fahren kann, am offensichtlichsten wahrzunehmen ist. Staatliche Herrschaft ist im Wendland erlebbar, wie kaum woanders in Deutschland. Doch man kann sie dort auch angreifen, wie kaum woanders in Deutschland. Vor allem in der Sabotage des Polizeiapparates. Doch auch Entscheidungsträger (z.B. die Bezirksregierung) und Profiteure (E-on, etc.) können mit Protest bedacht werden. Jenachdem, wer gerade in der Bundesregierung ist, findet man auch verstärkt Politpromis am Rande der Proteste im Wendland. Ihnen geht es vor allem darum, sich als Teil der Bewegung zu inszinieren, um politische Punkte zu sammeln. Auch wenn selbst in der eigenen Regierungszeit der Castortransport von 20000 Polizisten begleitet wurde. Die Herrschaftsinteressen der Parteien unterscheiden sich (nicht nur in Bezug auf Gorleben) kaum. Deshalb können auch Politiker, die an Aktionen teilnehmen wollen, Ziel von ihnen werden.
Der Verlauf von Castortransporten
In Frankreich ist der Transporttermin ein Staatsgeheimnis. Auf das Ausplaudern des Termins steht eine lange Gefängnisstrafe. Dennoch kommen die Bürgerinitiativen im Wendland meist Wochen vorher an den genauen Fahrplan, den sie in Deutschland auch veröffentlichen können. Indirekte Anhaltspunkte für den Transporttermin sind auch das Demonstrationsverbot und die Anlieferung von Tieflader in Dannenberg. An dem Castorzug sind für die Polizei auch einige Personenwaggons gekoppelt. In Frankreich wird der Zug vom CRS, in Deutschland von der Bundespolizei begleitet. Entlang der kompletten Schienenstrecke gibt es Beobachtungsposten, die melden, wenn der Castor durchgefahren ist. Dadurch ist es über den „Castorticker“ möglich, jederzeit zu wissen, wo er sich nun ungefähr befindet. Mit den ersten Aktionen ist schon in Frankreich zu rechnen. Und auch in Deutschland ist davon auszugehen, dass der Zug nicht störungsfrei bis Lüneburg (dem Tor zum Wendland) kommt. Für Aktionen auf freier Strecke gilt jedoch besondere Vorsicht (siehe nächster Absatz). Ab Lüneburg fährt der Castorzug auf der gesperrten Wendlandstrecke mit wenig mehr als Schrittgeschwindigkeit. Hier muss der Castor wegen den zu erwartenden Aktionen immer bremsbereit sein. Alle Aktionsformen, die massiv in die Gleissicherheit eingreifen, können daher nur auf diesem Streckenabschnitt stattfinden, weil nur hier gesichert ist, dass der Castor auch anhält. Hat der Castor die mühsamen Kilometer von Lüneburg bis Dannenberg zurückgelegt, wird er auf Tieflader umgeladen, was einige Stunden dauert. Von Dannenberg aus gibt es zwei Straßen, die der Transport nehmen kann: Die „Nordstrecke“ und die „Südstrecke“. Bei Laase kommen Nord- und Südstrecke wieder zusammen. Seit einigen Jahren wurde mit dem Straßentransport immer gewartet, bis mindestens eine Route freigeräumt wurde und der Castor relativ störungsfrei durchkam. Vor allem scheut sich die Polizei davor, den Straßentransport bei Dunkelheit durchzuführen. Wahrscheinlich wird es auch dieses Jahr wieder so sein, denn bei weiter zurückliegenden Transporten war der Straßentransport die Phase, in der der Castor am häufigsten gestoppt wurde. Die Tieflader kamen nur mit vielen Stopps und in Schneckentempo voran. Die „neue“ Polizeitaktik führte dazu, dass der Castor auf der Straßenstrecke seltener anhalten musste. Teilweise kam er sogar ganz ohne Stopp von Dannenberg nach Gorleben. Aber nicht ohne Verzögerung. Die massenhaften Blockaden auf der Straßenstrecke führen bei jedem Transport dazu, dass er später aus Dannenberg los fährt als er könnte.
Aktionen gegen den Castortransport 2011
Vorneweg: In diesem Artikel sind auch Aktionen beschrieben, die einen gewissen Grad der Illegalität überschreiten und unangenehme juristische Folgen haben können, wird man von der Polizei dabei aufgegriffen. Ich dokumentiere lediglich die Vielfalt der Aktionsformen, die in der Vergangenheit bereits stattfanden und die der Polizei folglich bekannt sind. (Sollten wichtige Aktionen vergessen worden sein, einfach ergänzen.) Der Polizei liefert dieser Artikel also keine Erkenntnisse, die sie nicht schon hat.
Es hängt davon ab, was Einzelne in der nächsten Zeit vorbereiten, welche dieser Aktionsformen letztendlich stattfinden. Die Erwähnung in diesem Artikel ist keine Versicherung, dass die Aktionen auch stattfinden. Es liegt an euch!
Infrastruktur
Im Wendland gibt es eine gute Infrastruktur für Aktionen. Entlang der Castorstrecke gibt es ein dichtes Netz an Infopunkten und Camps. Wo es kein Zeltlager gibt öffnen Bauern ihre Scheunen für die Aktivisten. Für Menschen, die ein Bett brauchen, können auch einige Schlafplätze in Privathäusern vermittelt werden. In Camps wie auf Aktionen gibt es gute Volxküche, die wie es nur geht von Bauern, Bäckereien,... vor Ort unterstützt werden. Für Veganer ist gut gesorgt, aber nicht in jeder wendländischen Gulaschkanone ist Tofu. In den Camps gibt es auch regelmäßige Versammlungen und die Möglichkeit Bezugsgruppen zu bilden. Leute, die keine Bezugsgruppe haben, sollten unbedingt davon Gebrauch machen. Es gibt in der heißen Phase einen Internetticker, über den alle Entwicklungen verbreitet werden. Zudem sendet das „Radio Freies Wendland“ zur Castorzeit 24 Stunden täglich live und hilft an der Verbreitung von aktuellen Informationen. Auch ohne eigenes Auto ist es problemlos möglich, die teilweise größeren Distanzen von Aktion zu Aktion zu überwinden. Beim Trampen finden sich meist schnell Anwohner, die einen mitnehmen (und auch die besten Schleichwege kennen). Auch wenn ein Auto voll zu sein scheint, passen im Wendland oft noch zwei, drei Leute rein. ( http://www.youtube.com/watch?v=yDP_N5nTIFU ) Für die Castortage gibt es einen Ermittlungsausschuss und auch auf Aktionen ehrenamtliche Rechtsanwälte. Zudem gibt es unabhängige Beobachter, die der Polizei auf die Finger schauen und Vorfälle dokumentieren. Nicht zu vergessen sind die „Demosanis“, die von einer zentralen Stelle koordiniert werden, damit bei all den vielen Aktionen auch genug Ersthelfer sind.
Aktionen vor dem Tag X
Von den Camps werden auch schon vor dem Tag X Aktionen ausgehen. Vieles entsteht relativ spontan. Hier ein überblick, über einiges, was schon feststeht.
Auftaktkundgebung und SchülerInnendemo
Am 26. November gibt es eine große bundesweite Auftaktdemo (bzw. Kundgebung) in Dannenberg. Weil der Castorwiderstand am Tag X so dezentral ist, ist die Auftaktkundgebung der Ort, wo gezeigt werden soll, was für eine Masse an Menschen gegen den Castor auf den Beinen ist. Die Zahl an Menschen und Treckern auf der Kundgebung ist für die Medien der Indikator, nach dem sie entscheiden, ob der Castorwiderstand nachlässt oder ungebrochen stark ist. Zudem ist die Demo der Startschuss für die heiße Phase des Castorwiderstandes und kann auch als Ausgangspunkt für weitergehende Aktionen genutzt werden. Letztes Jahr machte die Unterhöhlung der Straßentransportstrecke am Rande der Kundgebung Schlagzeilen (http://www.youtube.com/watch?v=DJNIkw5ASEI ), aber meistens finden solche Aktionen zu anderen Zeitpunkten oder an anderen Orten statt. Die Auftaktkundgebung hatte in den meisten Jahren eher den Charakter einer Latschdemo. Zeitgleich zur Demo in Dannenberg gibt es traditionell in Lüchow (abseits der Transportstrecke) eine lautstarke SchülerInnendemo zur Polizeikaserne. Dort wurde meist das Tor blockiert und eingesetzte Polizisten wurden mit Eiern beworfen.
Rally Monte Göhrde
Die Göhrde ist ein Waldgebiet mit kleinen Dörfern an der Grenze zum Wendland. Sie ist ein beliebtes Spielfeld für viele Leute, die zum Castorgleis kommen wollen, da sich dort einige schlecht einsehbare Stellen finden. Am Freitag vor dem Castortransport (vermutlich 25.11.) gibt es dort die „Rally Monte Göhrde“. Es wird dazu aufgerufen, „Widerstandspunkte“ zu sammeln. Punkte gibt es für empfangene Platzverweise, gebaute Barrikaden, ausgehobene Gräben, gesammelte Schottersteine, usw.. Die „Rally Monte Göhrde“ ist auch eine gute Möglichkeit, um im Wald die nötigen Ortskenntnisse zu sammeln.
Brauchtumspflege
Zur Castorzeit wird von der Bezirksregierung in Lüneburg traditionell für einen 50m-Korridor um die Transportstrecke ein Versammlungsverbot ausgesprochen. Explizit ausgenommen aus Versammlungsverboten ist die Brauchtumspflege. Und es finden sich in der heißen Phase vor dem Castortransport auch einige Anlässe Brauchtum zu pflegen. So gab es z.B. in der Vergangenheit am 11.11. einen Karnevalsumzug in Dannenberg unter dem einleuchtenden Motto: „Der Zuch kütt!“. Beliebt im Wendland sind „dank des Demoverbotes“ auch Laternenläufe zu „St.Martin“. Und es gibt sicher viele im Landkreis noch unbekannte Formen der Brauchtumspflege, für die sich die Bevölkerung zur Castorzeit begeistern kann. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. (http://www.youtube.com/watch?v=ygavGzdOjs8 )
Castorblockaden zwischen La Hague und Lüneburg
Wer den Castorzug schon vor der Wendlandstrecke stoppen will, sollte wissen, dass er mit Geschwindigkeiten von mehr als 100km/h fahren kann. Bei dem Tempo hat der Zug einen langen Bremsweg. Deshalb braucht es für Aktionen auf freier Strecke ein gut vorbereitetes Team, mit Vorstoppern und Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass der Castor nicht anhält. Trotz alledem kam es 2004 zum Tod von Sebastien Briat. Er war ein erfahrener Aktivist und hatte ebenso erfahrene Leute an seiner Seite. Doch ein tragisches Zusammenspiel mehrerer Faktoren führte dazu, dass alle eingebauten Sicherheitsmaßnahmen scheiterten. Die Begleit-Hubschrauber des Castors waren gerade tanken, die Vorstopper konnten dem Zug kein Signal geben und Sebastien wurde beim Versuch die Schienen zu verlassen noch neben dem Gleis vom Luftzug des Castors erfasst und überrollt. Sebastiens Team war nicht darauf vorbereitet, dass die Helikopter, die sonst so sicher jeden Castortransport ankündigen, fehlen könnten. Mit den Erfahrungen muss man heute auch damit rechnen und entsprechende Vorkehrungen treffen.
Aktionen am Tag X (Schiene)
Kommt der Castor in Lüneburg an, werden sich überall entlang der Schienenstrecke Menschen auf den Weg machen, um den Zug zu stoppen. Im besten Fall gut vorbereitet, werden sie mit unterschiedlichsten Aktionsformen versuchen, die Durchfahrt des Castors so lange hinauszuzögern, wie es nur geht. Hier eine Übersicht über die zu erwartenden Aktionsformen und kurze Kommentare zu einzelnen Kampagnen.
Sitzblockaden auf dem Wendlandgleis
Es wird mindestens eine große Sitzblockade auf der Gleisstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg vorbereitet. Die eher bürgerliche Gruppe „Widersetzen“ organisierte sie in den vergangenen Jahren und mobilisiert für dieses Jahr wieder ins Camp nach Hitzacker. Mit der bewährten „fünf Finger-Taktik“ werden seit Jahren die Polizeiabsperrungen umflossen, um auf das Gleis zu gelangen und dieses nicht mehr zu verlassen, bevor die Polizei räumt. Der Gruppe „Widersetzen“ ist die gewaltfreie Grundausrichtung der Aktion wichtig. Die Aktion soll für alle Menschen offen sein. Eine Versicherung vor Polizeigewalt ist der Aktionskonsens freilich nicht, aber es soll eine agressive Konfrontation auch nicht heraufbeschworen werden. Aktionen mit einem höheren Konfrontationsgehalt als Sitzblockaden sollen deshalb an anderen Stellen stattfinden. Dazu, solidarisch gegenüber allen Aktionsformen zu sein, gehört auch das Befolgen des Aktionskonsens bei Sitzblockaden. Solange militante Aktionen an anderer Stelle stattfinden, kann man sich auch der Solidarität der Sitzblockierenden sicher sein. Zumindest, solange nicht Menschen im Rahmen der Aktion verletzt werden sollen. Ein Video von der Widersetzen-Blockade 2010 gibt es unter http://www.youtube.com/watch?v=WDat-3kR1T8 .
Castor? Schottern!
Auch dieses Jahr mobilisiert anscheinend wieder die Kampagne „Castor? Schottern!“ ins Wendland. Das Unterhöhlen von Gleisen hat im Castorwiderstand lange Tradition. Schon oft wurden Gleise in dezentralen Kleinaktionen geschottert. Mal mit mehr, mal mit weniger großem Erfolg. Letztes Jahr griffen die Aktionsform dann einige Gruppen um die Interventionistische Linke (IL) auf und versuchten erstmals eine „Schotter-Großaktion“ zu organisieren. Die Aktion war wie eine Demo organisiert, mit Transparenten die der Presse und Polizei vermittelten: Jetzt kommt „Castor? Schottern!“ und mit lauten Parolen auf dem Weg zum Gleis. Folglich bekam diese Aktion zuhauf Presse, aber der „Schotter-Erfolg“ war eher dürftig. Wenige kleine Löcher konnten schnell geflickt werden und sehr viele Leute wurden während der Aktion verletzt. Logisch, dass dieses Jahr in der Vorbereitung mehr Wert auf Schutzkleidung gelegt wird (was bezeichnenderweise in Deutschland als „Passive Bewaffnung“ verboten ist). Eine etwas subtilere Grundhaltung als im letzten Jahr, auf dem Weg zur „Schotter-Aktion“ wäre aber sicherlich auch hilfreich. Anticastoraktionen im Wendland lassen sich auch ohne Parolen und Transpis vermitteln. Und die Polizei hat eine Chance überrascht zu werden. Sinnvoll wäre auch sicherlich, dieses Jahr nicht öffentlich anzukündigen, auf welchem Teil der Strecke die Aktion laufen soll. Sicherlich müssen bei einer Massenaktion die Leute wissen, wo sie ihre Zelte aufzuschlagen haben, aber es ist auch noch vor Ort (in einem der vielen Camps und Infopunkte) möglich, herauszufinden, wo man hin muss. Vielleicht wird‘s dann was mit Schottern. Doch auch das Schottern selbst scheint die Kampagne umdeuten zu wollen. So ließen sie in einem Kommunique verlauten: „Schottern bedeutet für uns dieses Mal, dass Schottern eine Art Synonym dafür ist, was Sinn macht, an und um die Schiene herum zu tun.“ Schaut man sich die Geschichte von der IL an, muss man leider ein Politikmanöver befürchten. Man kann das Zitat nämlich so verstehen, dass sich die Kampagne im Namen noch auf die Aktion im letzten Jahr beruft, im Kleingedruckten aber sagt, dass „Schottern“ bloß eine Metapher ist. Klappt es, Schienen zu unterhöhlen, kann sich die Kampagne abfeiern. Klappt es nicht, kann die Kampagne immernoch Erfolg vermelden und sagen, dass es ums Schottern garnicht ging. Aber man sollte ja bekanntlich positiv denken. Das Zitat könnte auch einfach bedeuten, die Initiative will nicht wie im letzten Jahr auf Teufel komm raus schottern, auch wenn das auf 1000 Verletzte hinausläuft. Dann ist die Initiative auch offen für andere Aktionsformen. Möglicherweise solche, die im folgenden Abschnitt beschrieben werden.
Ein Video vom letzten Jahr gibt es unter: http://www.youtube.com/watch?v=448P-C4M6Jc
Dezentrale Aktionen an der Gleisstrecke
Neben Großaktionen gibt es überall entlang der Castorstrecke auch kleinere dezentrale Aktionen, um den Zug zu stoppen. Beliebt in Wendland und perfekt dafür, wenn man nur für kurze Zeit auf das Gleis kommt, ist, ein Fahrradschloss an die Schienen zu ketten oder das Anbringen einer sogenannten Gleiskralle (bzw. „Gleisschuh“). Eine solche Metallvorrichtung lässt sich leicht auf die Schiene drücken, muss dann aber abgeflext werden, bevor der Castor kommt. Fahrradschlösser und Gleiskrallen können nur auf der Wendlandstrecke und nur zur Castorzeit verwendet werden. Ansonsten ist nicht gewährleistet, dass der nächste Zug stoppt. Und das kann zum Entgleisen führen. Wichtig zu beachten ist auch, dass keine Fingerabdrücke auf Aktionsmaterialien sind. Die Polizei untersucht sie darauf. Eine Bauanleitung einer Gleiskralle ist z.B. in der „Prisma“ zu finden (wie auch Bauanleitungen für andere Materialien bei Anti-Castoraktionen). Mit einer Hakenkralle kann man den Castorzug nicht direkt stoppen. Auf der Wendlandstrecke gibt es keine Oberleitungen... . Es ist allerdings möglich, mit einer Hakenkralle den kompletten Schienenverkehr auf anderen Teilen der Castorstrecke lahmzulegen. Geschieht das zum richtigen Zeitpunkt, muss der nachfolgende Castor umgeleitet werden. Die wohl effektivste Aktionsform gegen den Castor ist das Anketten. Die längsten Verzögerungen wurden durch Ankettaktionen verursacht. Wichtig dabei ist eine gute Vorbereitung und psychische Belastbarkeit. Für Stunden an einem Ort gefangen zu sein, ist nicht einfach auszuhalten. Im letzten Jahr gab es in Indymedia-Comments die Idee, quasi als Weiterentwicklung von „Castor? Schottern!“ zum massenhaften Anketten aufzurufen. Davor kann nur gewarnt werden. Schon beim Rausflexen von wenigen Blockierenden in Frankreich gab es letztes Jahr eine schwere Sehnenverletzung und mehrere Verbrennungen, weil die Polizei zu hastig vorging. Ist sie vor die Aufgabe gestellt, etliche Angeketteten an ein und der selben Stelle zu räumen, ist die Gefahr von schweren Verletzungen enorm. Manchmal wurde längere Zeit vor dem Castor ein Betonkern mit Ankettvorrichtung in die Gleise gegossen und sich am Tag X für viele Stunden in ihm angekettet. Mitlerweile fährt die Polizei aber vor dem Castor mit Röntgengeräten über die Strecke um solche Stellen zu finden. 2003 wurde auf diese Weise eine Wasserleitung, die da nicht hingehörte, im Bahndamm entdeckt. Es war anscheinend geplant worden, den Damm zu unterspülen, bevor der Castor kam. Aber leider wurde die Wasserleitung frühzeitig entdeckt und entfernt. Hin und wieder kam es im Wendland auch schon vor, dass einzelne Leute mit Wagenheber an der Schiene zu Gange waren. Oder, dass Gleise zersägt wurden. Leicht verständlich, dass sich solche Sabotageaktionen nur auf der Wendlandstrecke gehören und dass das bei der Polizeipräsenz dort mehr als nur Aktionen für Fortgeschrittene sind. Wenn der Castor an einem Ort durchgefahren ist, macht sich die Polizei schnell auf den Weg hinter ihm her. In dieser Phase des Transports werden häufig Polizeikolonnen mit mehr als 100 Wannen gesehen. Diese zu blockieren ist hilfreich für Leute, die den Castor an anderer Stelle stoppen wollen. Bewährt haben sich vor allem Material- und Treckerblockaden. In einigen Fällen mussten ganze Einheiten schon feststellen, dass ihre Reifen zerstochen wurden, während sie am Gleis waren. Wichtig für manche Aktionen sind auch gute koordinierte Ablenkmanöver. Hierzu muss sich in der Gruppe so verdächtig wie möglich verhalten werden, um Polizeikräfte zu binden. Ist die Polizei erst mal abgelenkt, kann an anderer Stelle eine erntshafte Aktion laufen. Zum Beispiel Sitzblockaden (die auch dezentral versucht werden), „Schotter-Aktionen“ usw..
Aktionen am Tag X (Straße)
Entlang der Straßentransportstrecke (Nord- und Südstrecke) wird es auch einige Protestaktionen geben. Wichtig ist für alle Aktionen, dass man rechtzeitig vor Ort ist. Wer auch an der Schiene aktiv ist, sollte sich nach Eintreffen des Zuges am Verladekran in Dannenberg so schnell wie möglich auf den Weg machen. Je später es wird, desto weniger Zufahrtswege werden frei sein. Zum Schluss wird es beinahe unmöglich sein, in die Dörfer entlang der Straßenstrecke zu kommen. Selbst auf kleinen Forstwegen ist mit Polizeisperren zu rechnen. Ein überblick über zu erwartende Aktionen für diejenigen, die rechtzeitig da sind.
Sitzblockaden auf der Straße
Auf der Straßentransportstrecke wird es wie am Gleis mindestens eine größere Sitzblockade geben. X1000malquer mobilisiert dieses Jahr ins Camp nach Grippel, um die Blockade vorzubereiten. Geplant ist entschlossen auf die Straße zu gehen und sich wegräumen zu lassen, sollte die Polizei das vorhaben. Nach einer Räumung bildet sich oft ein Stück weiter eine neue Sitzblockade. Dies wiederholt sich, bis der Castor durch ist oder die Polizei eine Möglichkeit gefunden hat, die Menschen von der Straße fernzuhalten. Mehr noch als bei „Widersetzen“ ist zu X1000 zu sagen, dass bei deren Blockaden nichts anderes als ne Sitzblockade erwünscht ist. Schon eine „Stehendblockade“ kann zu starken Unbehagen innerhalb der Aktion führen, weil manche befürchten, dass Stehendblockierer in Sitzende fallen könnten, wenn die Polizei räumt. Zudem will X1000 nichts machen, was die Polizei in irgendeiner Weise provozieren könnte. Und provozieren kann die Polizei viel. Wer was anderes vor hat, als bloß zu sitzen und zu singen, sollte woanders als zu X1000malquer fahren. Die Straßentransportstrecke ist lang und bietet noch Alternativen zur Sitzblockade, wenn man sich darauf vorbereitet hat.
Dezentrale Aktionen an der Straßenstrecke
Auch auf der Straßenstrecke gibt es dezentrale Aktionen. Hervorzuheben sind Ankettaktionen in kreativen Ankettvorrichtungen (Betonpyramiden, umgebaute Fahrzeuge,...). Die Bauern blockieren auch regelmäßig mit ihren Treckern Teile der Transportstrecke oder wichtige andere Straßen. Letztes Jahr trieb ein Bauer eine komplette Schafsherde auf die Strecke. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Straßenstrecke zu unterhöhlen. Ebenso können Materialblockaden sinnvoll sein, um den Castor zu verzögern. Über alles, was die Straße zerstört oder blockiert wird sich gefreut. Im Jahr 2003 gelang es bei Quickborn, mit einer sabotierten Wasserleitung, einen Teil der Straße zu unterspülen. Zunächst wurde ein geringer Wasserschaden an der Böschung entdeckt und die Hauptwasserleitung wurde abgestellt. Doch der Schieber wurde von Unbekannten wieder aufgedreht und so war die Straße am nächten Tag zerstört. Der Castor musste über die Alternativroute geleitet werden. Mehr noch als an der Schienenstrecke ist für direkte Aktionen an der Straßentransportstrecke eine gute Vorbereitung notwendig. Bei allem, was über Sitzblockade auf der Straße hinausgeht, ist man auf die Aktionsfähigkeit der Kleingruppe angewiesen. Die Chance zu scheitern ist hoch. Es muss vor allem der richtige Ort für die Aktion gefunden werden, was immer schwieriger wird, je näher der Castor kommt. Wenn man darauf vorbereitet ist, liegt jedoch viel im Bereich des Möglichen, auch wenn es schwierig bleibt und jederzeit eine „Zufallshundertschaft“ den Plan zunichte machen kann.
Notwendige Vorbereitung
Einige Aktionen benötigen gute Vorbereitung. Ankettvorrichtungen, Gleiskrallen, etc. gibt es nicht fertig im Baumarkt zu kaufen und um auf die Gleise und die Straße zu kommen ist auch eine gute Vorbereitung hilfreich. Frühes Anreisen um Ortskenntnisse zu sammeln ist sehr zu empfehlen. Die Castorzeit ist auf die kurzen und nass-kalten Tage des Jahres gelegt. Folglich muss man sich dann auch gut im Dunkeln zurechtfinden können. Empfehlenswert sind auch topographische Karten für die Castorstrecke. Auf ihnen sind nämlich auch kleine Forstwege eingezeichnet, in denen sich häufig noch lange Lücken finden. Nicht zuletzt sollte erwähnt werden, dass einige Aktionen (insbesondere stundenlange Ankettaktionen) gute psychische Belastbarkeit erfordern. Direkte Aktionen bringen einen manchmal in Grenzsituationen, denen man ohne entsprechende Vorbereitung vielleicht nicht gewachsen ist. Die massenhafte Entschlossenheit, die es braucht, um in der Situation in die Lücken zu gehen, entsteht nicht durch plötzlichen HeldInnenmut, sondern durch gute Vorbereitung, durch Trainings, durch Bezugsgruppen, die darüber geredet haben. Sie entsteht dadurch, dass wir im Kopf schon viele hundert mal durch die Lücke gegangen sind. In diesem Zitat von „Castor? Schottern!“ steht viel Wahrheit. Ein wichtiger Aspekt fehlt aber leider: Die richtige Vorbereitung garantiert nicht den Erfolg der Aktion. Die Vorbereitung kann einem z.B. dabei behilflich sein, Lücken zu finden. Aber in manchen Jahren finden sie sich auch mit bester Vorbereitung nicht immer. ... Ein solcher Misserfolg, trotz guter Vorbereitung, kann sehr frustierend sein. Aber mit der richtigen Vor- und Nachbereitung in der Kleingruppe kann auch damit umgegangen werden. Der eigene Misserfolg kann im Wendland auch manchmal zum Erfolg anderer führen. Die Polizei kann nicht alles verhindern. Wenn sie an einer Stelle Lücken geschlossen hat, entstehen unweigerlich an anderer Stelle neue Lücken, die ausgenutzt werden können. So hatte bspw. letztes Jahr der massive Polizeieinsatz in der Göhrde (gegen „Castor? Schottern!“) dazu geführt, dass „Widersetzen“ in Harlingen mit mehreren Tausend Menschen aufs Gleis kam.
Zum Umgang mit Repression
Auch dieses Jahr werden wieder zehntausende Polizisten zusammengezogen, um den Castortransport abzusichern. Das komplette Wendland wird einem tagelangen Belagerungszustand ausgesetzt. Flutlichtanlagen beleuchten ganze Felder, riesige Polizeikolonnen tauchen den Landkreis in Blaulicht. Bullen mit Hunden und auf Pferden patroulieren sich einen Wolf. Wasserwerfer, Räumpanzer, Hebebühnen, Helikopter, seit letztem Jahr auch Drohnen und alles was sonst noch im Arsenal der polizeitaktischen Kriegsführung ist, wird im Wendland aufgeboten, um den Widerstand zu brechen. Der Bevölkerung werden die Autos immer wieder durchsucht (auch auf Trampelpfaden). Oft wird ihnen sogar die Fahrt in ihre Dörfer verwehrt. An Polizeisperren hilft manchmal Beharrlichkeit. Es wurden schon Menschen an Absperrungen durchgelassen, nur damit die Polizei wieder Ruhe hat. Generell ist zu beobachten, dass die Polizei agressiver wird, je näher der Castor kommt. Anfangs sind die Cops noch häufig gelassen, aber mit jeder Verzögerung werden sie nervöser. Und das Chaos, weil selbst die größte Polizeiarmee im Wendland nicht hilft, wenn der Nachschub blockiert wird und Schlaf fehlt, macht die Staatsdiener auch nicht gelassener. Es wurde schon auf Film festgehalten, wie sich ein Bereitschaftspolizist mit einem vom „Konfliktmanagement der Polizei“ prügelte. Der beste Schutz vor Polizeigewalt ist die Presse. Vor der Kamera passen Polizisten meistens auf, was sie tun. Ist die Kamera weg, wird schnell der Knüppel raus geholt. Gerne wird auch damit gedroht, dass gleich die Presse weg ist. Besonnenes Handeln kann oft Schlimmeres verhindern. Am besten bleibt man so ruhig und entschlossen wie möglich, steht man prügelnden Bullen gegenüber. Manchmal hilft es ihnen zu vermitteln, dass man gute Gründe hat dazusein. Eine entschlossene Gegenwehr kann manchmal auch sinnvoll sein, ist aber auf einigen Aktionen explizit nicht erwünscht. Sehr wichtig ist, dass niemand alleine in unübersichtlichem Terrain herumläuft. Alleine im Wald von der Polizei aufgerieben zu werden ist eine große Gefahr. Zudem kann man sich auch verletzen, ohne dass jemand weiß was passiert ist. Im letzten Jahr wurde nach dem Castor ein Mensch in der Göhrde tot aufgefunden. Er war vermutlich alleine auf dem Weg zu ner Aktion gewesen. Der Mensch verletzte sich so schwer, dass er starb, ohne dass jemand auch nur wusste, dass er im Wald war. Ein tragisches Unglück, das anmahnt, dass alle eine Kleingruppe haben sollten, in der die Menschen aufeinander achten. Zumindest am Tag X im Wendland! Die Kleingruppen finden sich auch in den Camps zusammen. Es sollte mehr darauf geachtet werden, dass alle das wissen und die Kleingruppen auch bilden. Dass niemand mehr zurückbleiben kann.
Zum Schluss
Dem Wendland steht wieder einmal ein heißer Herbst bevor. Mit einem Abflauen des Widerstandes ist nicht zu rechnen, solange in Deutschland auch nur ein weiteres AKW Müll produziert. Wird der Castor auf den Weg geschickt, kommt er zweifelsfrei an, die Frage ist aber, wann und mit welchen Kosten. Den Transport, in finanzieller und politischer Art, so teuer wie möglich zu machen, wird die große Aufgabe im November. Die Bevölkerung im Wendland freut sich auch von Außerhalb über zahlreiches Mitwirken an der Kostenexplosion zum Castortransport.
P.S.: Nach dem Castor ist vor dem Castor
Es werden für Anfang 2012 auch Castortransporte von Jülich nach Ahaus geplant. Möglicherweise wird es LKW-Konvois über die Autobahn geben. Auf dem Weg würde der Castortransport auch durchs Ruhrgebiet kommen. Es wird dazu aufgerufen, Aktionen entlang der Strecke in NRW vorzubereiten. Für weitere Infos siehe http://www.westcastor.de .