[Köln] SPD, CDU und Pro Köln machen Front gegen das AZ

still loving

Nachdem das Autonome Zentrum Köln einen Nutzungsvertrag mit der Sparkasse abgeschlossen hat und mit diesem die ehemalige Werkskantine in der Wiersbergstraße in Köln-Kalk legal und prinzipiell unbefristet weiternutzen könnte, suchen nun Kölner Lokalpolitiker erneut den Konflikt um das Haus. Mit einem als Tischvorlage eingereichten Eilantrag beschließen SPD und CDU in der Kalker Bezirksvertretung den zukünftigen Abriss des Gebäudes. Als Vorwand dafür bemühen sie einen dringend an dieser Stelle benötigten Grünstreifen und Parkplätze. Einer Bürgerversammlung im Dezember wollen sie eine stadtplanerische Variante, die den Erhalt der Kantine vorsieht, gar nicht zur Diskussion vorlegen.


Derweil macht der Kalker Bezirksbürgermeister Markus Thiele (SPD) Stimmung gegen das AZ. So inszenierte er unmittelbar nach der belastenden Räumungssituation eine Bürgerversammlung auf der Anwohner_innen aufgerufen waren sich über das AZ zu beschweren. Reißerische Medien-Berichte griffen diese Beschwerden auf und liefern damit eine Steilvorlage für die Rechtspopulist_innnen und Rassist_innen von Pro Köln, die für den 19. November zu einer Demo gegen das AZ sowie „Linksextremisten und kriminelle Ausländer in Kalk“ aufrufen.


Die Mühen der Legalisierung
Es war eine Weile ruhig um das Autonome Zentrum Köln. Nachdem eine versuchte Räumung Ende März aufgrund vielfältigen Widerstands abgewendet werden konnte, schlossen die Aktivist_innen des Autonomen Zentrums mit der Eigentümerin des seit Jahren leerstehenden Gebäudes, der Sparkassentochter Savor GmbH, einen Vorvertrag in dem wesentliche Eckpunkte über die mietfreie Nutzung festgehalten wurden.
Die Verhandlungen über den endgültigen Vertrag zogen sich allerdings noch bis Ende August. In dieser Zeit wurden von den Aktivist_innen diverse Bauarbeiten an dem Gebäude in Eigenregie durchgeführt vor allem um Sicherheits- und Brandschutzauflagen zu erfüllen.
Aber es wurde in den letzten Monaten auch viel Arbeit und Ressourcen beispielsweise in den Wiederanschluss der Wasserleitungen, in Reparaturen am Dach, Schalldämmung der Konzerträume, Umgestaltung des Umsonstladen und der Bibliothek, Einrichtung des Kinos, von Ateliers und Proberäumen und viele andere Baustellen gesteckt.
Es gab in dieser Zeit mehrere Begehungen des Gebäudes durch TÜV und Brandschutzbeauftragten, sowie ein weiteres Statikgutachten. Ergebnis als dieser Gutachten war die von der Savor gewünschte Feststellung, dass das Gebäude bedenkenlos genutzt werden könnten. So konnte am 25. August 2011 ein endgültiger Nutzungsvertrag unterschrieben werden. Dieser Vertrag ist prinzipiell unbefristet kann jedoch im Falle des Verkaufs des Gebäudes mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

Verkauf des Geländes vermutlich noch im November
Wann es zu einem Verkauf der Immobilien der Savor GmbH kommen würde, war zum Zeitpunkt der Vertragverhandlungen noch nicht absehbar. Doch dies ändert sich im Moment rapide. Kürzlich vermeldete der Kölner Stadtanzeiger, dass im November dem Stadtrat ein Vorschlag über den Erwerb von umfangreichen Beteiligungen und Immobilienkäufen von der Sparkasse KölnBonn in Höhe von 172 Millionen Euro vorgelegt werden solle [1]. Wahrscheinlich werden diese in der Ratssitzung am 24. November so beschlossen. Nach dem Eigentümerwechsel könnte die Stadt auch den Nutzungsvertrag des Autonomen Zentrums einfach übernehmen und es würde sich vorerst nichts ändern oder eben diesen Vertrag kündigen. Sollte die Politik sich für eine Kündigung entscheiden, könnte dem Autonomen Zentrum zukünftig erneut eine polizeiliche Räumung drohen.

SPD und CDU für Abriss des AZ
Doch was die Zukunft des Autonomen Zentrums angeht wird aktuell bereits versucht politische Fakten zu schaffen. Das AZ hatte sich zuvor um Gespräche mit allen relevanten Parteien bemüht und noch im September zu Gesprächen über die Zukunft des AZ eingeladen. Doch hierzu zeigte der anwesende Vertreter der SPD keinerlei Bereitschaft.
Stattdessen zauberten SPD und CDU einen Tag vor der Bezirksvertretungssitzung in Kalk einen gemeinsamen Antrag hervor, der den Abriss der KHD-Kantine forderte. Dies ist insofern bemerkenswert als eigentlich eine Koalition zwischen SPD und Grünen in Kalk besteht.
Der ursprüngliche Entwurf der Stadtverwaltung sah dabei zwei Varianten vor: Eine mit Erhalt der Kantine innerhalb eines Grünstreifens und eine mit Abriss der Kantine zugunsten von eines größeren Grünstreifens und zusätzlicher Parkplätze [2]. Beide sollten einer Bürgerversammlung am 7. Dezember 2011 so zur Diskussion vorgestellt werden. Laut dem Antrag von SPD und CDU soll der Erhalt der Kantine „nicht weiterverfolgt“ werden und von den Bürger_innen nun nur noch die Abrissvariante diskutiert werden.

Eiertanz der SPD und Roters Faden
Nachdem die SPD und Oberbürgermeister Roters zunächst im Jahr 2010 die Illegalität einer Besetzung vorschoben [3], als Begründung keine Gespräche zu führen, argumentierte die SPD-Fraktionschefin dos Santos im Zuge der Auseinandersetzung um eine Räumung im März 2011 mit einer angebliche Nicht-Bereitschaft der Besetzer_innen zu Verhandlungen und einem legalen Rahmen für das AZ [4]. Nachdem ein Vertrag mit einem Trägerverein existierte, nannte Bezirksbürgermeister Markus Thiele (SPD) den Ausbau der benachbarten Schule als Grund dafür, dass das AZ nicht bleiben könne [5]. Nachdem jetzt klar ist, dass der Ausbau der Schule überhaupt nicht mit der Weiterexistenz des AZ in Konflikt steht, ist es der dringende Bedarf an Grünflächen in Kalk, der angeblich einen Abriss des AZ erforderlich mache. Dass es bereits einen Entwurf der Stadtverwaltung gibt, die einen Erhalt des AZ innerhalb des Grünstreifens vorsieht, soll dabei ignoriert werden. Stattdessen sollen die Interessen an mehr Grün im Kalk gegen das AZ in Stellung gebracht werden. Zudem werden immer wieder Konflikte mit Anwohner_innen betont.
Doch um auf Nummer Sicher zu gehen wird den Menschen in Kalk doch lieber nicht die Wahl überlassen. Während Bezirksbürgermeister Markus Thiele (SPD) im April dazu noch im Stadtanzeiger mit den Worten zitiert wird: „Wir müssen aus Stuttgart 21 lernen und die Bürger frühzeitig an den Planungen beteiligen“ [6], wird klar, dass SPD und CDU unter Bürgerbeteiligung bloß eine Alibiveranstaltung im Sinn haben, um gesellschaftliche Partizipation vorzugaukeln. Währendessen versucht die SPD eben diese Bürgerversammlung nun als ein großzügiges Gesprächsangebot an das Autonome Zentrum zu verkaufen. Worin hierbei ein Gesprächsangebot besteht bleibt unklar, genauso wie die von OB Roters noch zuletzt geäußerte Behauptung: „Der Gesprächsfaden ist noch nicht abgerissen“ [7]. Wer bisher zu keinen Gesprächen bereit war kann auch nichts abreißen.

„Randale“ bei der Bezirksvertretung
Überrascht und empört zeigt sich die SPD hingegen von „unakzeptablen Störungen durch AZ-Aktivistinnen“ [8] bei der öffentlichen Sitzung der Bezirksvertretung, wo sie anscheinend gedachten mal eben und in aller Ruhe den Abriss des AZ beschließen zu können. Dass ein solcher einseitiger Schritt von Seiten der Unterstützer_innen des AZ nicht unkommentiert bleiben würde, war zumindest den Vertreter_innen einiger Medien klar, die zahlreich anwesend waren – inkl. diverser Fotographen und eines Kammerateams von RTL, denen die SPD im Gegensatz zu den AZ-Aktivist_innen keinen Verstoß gegen das Verbot von Bild und Tonaufnahmen in der Sitzung vorwirft.
Einem Aufruf des AZ waren mindestens 60 Untersützer_innen gefolgt, die den Sitzungsraum gut füllten. Trotzdem versuchte Bezirksbürgermeister Markus Thiele (SPD) sich zunächst in Ignoranz. Nach diversen Formalia und ausgiebigen Geburtstagglückwünschen an seine Kolleg_innen, gab er sich erfreut über das große Interesse an der Sitzung, was sicherlich auf die lange Sommerpause zuvor zurückzuführen sei. Als die Stimmung daraufhin deutlich unruhiger wurde, schlug er nun vor, den Tagesordnungspunkt zum Bebauungsplan für die Wiersbergstrasse vorzuziehen. Es folgten mehrere Redebeiträge in denen Vertreter von SPD und CDU von Arbeitsplätzen in Kalk, von der Wichtigkeit des Schulausbaus und der Notwendigkeit von mehr Grünflächen im Stadtteil schwadronierten. Ihren Änderungsantrag zum Abriss des AZ erwähnten sie dabei nicht. Erst nach mehrfachen lautstarken Aufrufen aus dem Publikum doch endlich Stellung zu beziehen und das Theater zu beenden sowie „AZ bleibt“ - Sprechchören reagierten die Politiker_innen. Es kam zu mehreren lautstarken Wortgefechten und längeren Sitzungsunterbrechungen. Letztendlich beschlossen SPD und CDU den von ihnen eingereichten Antrag.
Es folgte eine Berichterstattung mit dem Tenor, die „Autonomen“ sollen sich doch bitte an die „demokratischen Spielregeln“ [9] [10] halten. Gemeint ist: Sie sollen schön die Klappe halten und akzeptieren, wenn über ihre Köpfe hinweg und ohne vorherige Gespräche über den Abriss des Hauses entschieden wird, in dass sie seit anderthalb Jahren viel Arbeit und Energie stecken.
Den Vogel schoss dabei RTL ab, sie brachten einen kurzen Beitrag mit dem Titel: „Sie pöbeln, sie randalieren und beschmieren - ein ganzes Viertel!“. Nachdem ein in dem Beitrag interviewter Polizeisprecher wider Erwarten nicht von Ärger mit dem AZ oder Ruhestörungen berichten konnte, mutmaßt die RTL-Kommentatorin, dass die Anwohner_innen wahrscheinlich bereits resigniert hätten [11]. Ein Musterbeispiel für objektive Berichterstattung und eine Steilvorlage für die rechten Populisten von Pro Köln

Pro Köln plant Demo gegen „linken Terror“
Nur wenige Tage später startete die selbsternannte „Bürgerbewegung“ den Aufruf zu einer „Großdemonstration gegen das linksautonome Zentrum“ durch Kalk, einer angeblichen „Hochburg“ Pro Kölns, in der lediglich „Linksextremisten und kriminelle Ausländer Probleme machen“. Die Rassisten von Pro Köln legen sich mittlerweile heftig ins Zeug: Mit einem Banner über die gesamte Website, einem Flugblatt mit einer Petition zur Unterschriftensammlung, das angeblich in einer Auflage von 10.000 Exemplaren in Kalk verteilt werden soll, mobilisieren sie gegen den „linken Terror“ der angeblich in Form von „Graffitis, Vandalismus und Kleinkriminalität“ vom Autonomen Zentrum ausgeht.
Pro Köln versucht sogar die Demo zu einer NRW- oder gar bundesweiten Demonstration gegen „linke Gewalt“ und den „neuen-RAF-Terror“ hochzustilisieren. Angeblich wollen sie nach Kooperationsgesprächen mit der Kölner Polizei eine Demoroute über die von vielen Geschäften gesäumte Kalker Hauptstraße mit einer Zwischenkundgebung vor der Kalker Post hin zu einer Abschlusskundgebung direkt vor dem Autonomen Zentrum in der Wiersbergstraße abgesprochen haben [12]. Doch die Polizei bestreitet zumindest die beiden Kundgebungsorte. Mal sehen wer hier Desinformationspolitik betreibt.
Inzwischen haben auch die Planungen für Gegenaktivitäten begonnen, so haben mehrere Kölner Bündnisse und Initiativen aus dem Stadtteil ihren Protest gegen den Rassistenmarsch durch Kalk angekündigt. Bisher mobilisiert ein breites Bündnis unter dem Motto: „Kalk macht dicht“ gegen den Rassistenmarsch [13]. Weitere Aufrufe und Infos werden folgen. Auf jeden Fall sollten sich Antifaschist_innen, Anti-Rassist_innen und alle die ihre Solidarität mit dem Autonomen Zentrum ausdrücken wollen, den 19. November schon einmal vormerken.

Und wie geht es weiter mit dem AZ?
Letztlich wird es von einer ernstgemeinten Gesprächsbereitschaft der Kölner Politiker_innen abhängen, ob versucht wird sinnvolle und friedliche Lösungen zu finden oder es erneut zu Konfrontationen kommt. Klar ist allerdings, dass von der Politik nichts zu erhoffen ist.
Kampflos werden die Unterstützer_innen des Autonomen Zentrums das Feld jedenfalls nicht räumen. Auf einer gut besuchten Vollversammlung Anfang Oktober, wurden zahlreiche Aktivitäten geplant zum Erhalt des Autonomen Zentrums. Mehr davon wird sicherlich in den nächsten Tagen und Wochen zu hören sein [14]. Der Kampf um das Autonome Zentrum in Köln-Kalk geht in die nächste Runde!



Quellen:
[1] Kölner Stadtanzeiger, 10.10.2011: „Verhandlungen über Verkäufe

[2] Bebauungsplan Wiersbergstraße in Köln-Kalk und die bisherigen Beschlüsse.
Die Beiden Varianten finden sich auch als Bilder angehängt an diesen Artikel.

[3] City News, 1.7.2010: “Stadt Köln bezieht klare Position zur Besetzung in Kalk

[4] Kölner Stadtanzeiger, 29.3.2011: „Polizei kritisiert Räumungsabsicht

 

[5] Express, 3.4.2011: „Der Frieden von Kalk

 

[6] Kölner Stadtanzeiger, 18.4.2011: „Deutliches „Ja“ zur Kalker Industrie

[7] Pressemitteilung des AZ: AktivistInnen des Autonomes Zentrums besuchen “Tag des Ehrenamtes”

[8] Erklärung der SPD im Stadtbezirk Köln- Kalk zur Entwicklung Kalk- Süd und zur Sitzung der BV- Kalk vom 29.09.2011.

[9] Kölner Stadtanzeiger, 4.10.2011: „Kein Herz für Randale

[10] Kölner Stadtanzeiger, 4.10.2011: „Autonome mischen Politiker auf

[11] Leider ist der RTL-Beitrag im Internet nicht mehr verfügbar.

[12] Die Zitate und Infos zur „Demo gegen Links“ stammen von der Website von Pro Köln.

[13] Aufruf: „Kalk macht dicht

[14] Alle Ankündigungen und Neuigkeiten erfahrt ihr am besten vom AZ selber:
http://unsersquat.blogsport.eu
Aktuelles und Aufrufe gibt es auch über den AZ-Newsletter und Twitter.