Seit dem 1. August sind die Straßen von Berlin mit Wahlplakaten zugepflastert. Die Parteien suchen seit einigen Wochen vermehrt die Nähe zum (Wahl-) Volk. Diejenigen, die sie sonst nur wenig interessieren, werden nun zum bevorzugten Ziel der Kontaktaufnahme. Mensch soll den mehr oder weniger prominenten (Volks-)Vertreter_innen in spe die Hände schütteln, Goodies ab- oder einfach mal einen Flyer mitnehmen. Nicht selten will sich die Spezies Berufspolitiker_in unterhalten, um die Meinung der Wähler_innen zu erfahren. Noch dämlicher als diese plumpen Annäherungsversuche sind aber die kuriosen und bisweilen kryptischen Wahlkampfslogans der Kandidat_innen. Die nervigste Verknüpfung von inszenierter Volksnähe und belanglosen Phrasen liefert die SPD und ihr Spitzenkandidat Klaus Wowereit ab. Mit seiner Tour „Klaus im Kiez“ will der Regierende Bürgermeister in den zwölf Berliner Stadtbezirken auf Tuchfühlung mit den Berliner_innen gehen und sein Verständnis von Berlin erläutern.
Seine Kieztour hat Klaus Wowereit am 18. August in Charlottenburg
begonnen. Einen Tag später spazierte er durch Steglitz-Zehlendorf. Am
23. August ist Pankow dran, wo sich Wowereit im Kollwitzplatz-Kiez unter
die Neu-Berliner „Schwab_innen“ begibt und die ein oder andere
Gentrifizierer_innenhand schütteln wird. Am 26. August besucht Klaus den
Mehringplatz in Kreuzberg-Mitte. Am 29. August ist er in Lichtenberg
und nur einen Tag später in Schöneweide. Am 31. August hat er sich etwas
mehr Zeit genommen. Von 16 bis 19 Uhr möchte er durch Nord-Neukölln
spazieren und die Erfolge in der Aufwertung des ehemaligen „Problemkiez“
kennenlernen.
Bislang gab es bei den inszenierten
Vorort-Terminen keinerlei Proteste. Trotz massiver Vertreibung
marginalisierter Menschen aus den Innenstadtbezirken, des forcierten
Umbaus der Stadt in einen großen Vergnügungspark und ein
Tourist_innen-Mekka auch gegen das Votum der Bevölkerung, wie im Fall
des Mediapree-Projektes und dem Ausbau der A100 zu sehen ist, sowie dem
behördlichen und polizeilichen Angriff auf alternative Lebensentwürfe
verlief die Wahlkampftour von Klaus Wowereit bisher ungestört. Dies
könnte sich bei den folgenden Terminen ändern. Spätestens in Neukölln
wird Protest nicht ausbleiben.
Schließlich haben wütende
Neuköllner_innen angekündigt, den Kiezspaziergang kritisch zu begleiten
um gegen die unsoziale Stadtpolitik des vermeintlich verständnisvollen
Ober-Papa „Wowi“ sowie des rot-roten Senats zu protestieren. So heißt es
in dem Aufruf zum Protest beim Kiezspaziergang des
SPD-Spitzenkandidaten:
"Wir rufen alle Neuköllner_innen, alle
engagierten Berliner_innen, alle nonkonformistischen Menschen und
autonomen Chaot_innen auf den Regierenden Bürgermeister von Berlin Klaus
Wowereit bei seinem Spaziergang durch den Kiez zu begleiten. Nutzen wir
den Mittwoch vor der großen Mietenstopp-Demo, die am 3. September am
Hermannplatz startet, um die Inszenierung einer vermeintlichen Volksnähe
zu stören. Sagen wir Wowereit, was wir von der sozialchauvinistischen
Politik des rot-roten Schweinesenats und der Bezirke halten. Zeigen wir
ihm, wie wütend wir sind! Es reicht schon lange!"
In
Nord-Neukölln lassen sich genügend Gründe finden, um gegen die verfehlte
Stadt- und Sozialpolitik des Senats in Gänze, den Bezirken und vor
allem gegen die Selbstinszenierung von Klaus Wowereit zu protestieren.
So sind die Mieten vor allem im Schillerkiez und in Rixdorf in den
letzten Jahren massiv gestiegen. Das sogenannte Kreuzkölln mit seiner
„weißen“ Kneipenszene und biologisch reinen Slowfood-Kultur galt lange
als Beispiel einer gelungenen sozialen und ökonomischen Aufwertung, die
allerdings nur durch die Vertreibung marginalisierter Menschen erreicht
werden konnte. Aktuell bricht die Mieten-Entwicklung im Schillerkiez
alle Rekorde, was den existenziellen Druck auf die Bewohner_innen weiter
erhöht.
Die Aufwertung ist allerdings durch den Senat und im
Fall des Bezirks Neukölln von seinem amtierenden Bürgermeister Heinz
Buschkowsky, der gern mal gegen Muslime, linke Chaot_innen und zunehmend
auch Roma polemisiert, durchaus gewollt und wurde seit Jahren forciert.
Klaus Wowereit macht sich gerne zum Retter bedrohter Kulturprojekte,
wie die Brunnenstraße und das Tacheles, die am Ende doch durch die
Berliner Polizei geräumt werden. Auch die Kiez-Tour versucht seiner
Inszenierung als Retter der Stadt zu folgen. Dieses Wahlkampfspektakel
gilt es zu durchbrechen.
Mehr Infos unter ausderklaus.blogsport.de
Den Aufruf gibt es hier
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