In der Berufungsverhandlung des umstrittenen Hundebissfalls vor dem Landgericht wird das ursprüngliche Urteil abgemildert.
Der Fall, der gestern am Landgericht verhandelt wurde, sorgte vor vier Jahren für große Aufregung: Am Karsamstag 2007 hatte ein damals 43-jähriger Mann im Stadtteil Stühlinger die Polizei alarmiert, nachdem ihm eine in Tränen aufgelöste, stark angetrunkene Frau von einem Toten in einer nahen Gaststätte erzählt hatte.
Als die am angeblichen Tatort (einen Toten gab es nicht) eingetroffenen Polizisten seine Personalien aufnehmen wollten und er dies verweigerte, kam es zu einem Streit, der bald eskalierte. Der aufgebrachte Mann, ein in Nigeria geborener deutscher Staatsbürger, wurde von einem Polizeihund in Arme, Hüfte und Unterschenkel gebissen und von einem Polizisten mehrere Male ins Gesicht geschlagen, so dass er ins Krankenhaus musste. Im Verlauf des Streits soll sich laut des Mannes eine Polizistin auch rassistisch geäußert haben, wofür sich später aber kein Zeuge fand. Während ein Verfahren gegen die Polizisten eingestellt wurde, wurde der Angeklagte im Januar 2008 vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 500 Euro wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Bedrohung verurteilt.
Der Richter folgte damals den Aussagen der Polizisten. Genau das war für Rechtsanwalt Michael Moos, der in der gestrigen Berufungsverhandlung den Verurteilten in dessen Abwesenheit vertrat, einer der Kritikpunkte. Dass das Gericht dem heute 46-jährigen dunkelhäutigen Mann damals "in keiner Weise Glauben geschenkt" (Moos) habe, hätte ihn dazu bewogen, Deutschland zu verlassen. "Er war und ist schwer enttäuscht von der juristischen Aufarbeitung", sagte Moos und brachte den seiner Meinung nach vorhandenen "Alltagsrassismus" ins Gespräch. Wenn der Anrufer "ein Weißer mit Schlips" gewesen wäre, wäre es nie zu der Gewalttat gekommen, ist sich Moos sicher. Selbst ein Petitionsausschuss des Landtags habe Zweifel geäußert, ob die Aussagen der Polizisten als glaubhafter zu bewerten seien. Da in der Berufung erneut mehrheitlich Polizisten als Zeugen geladen waren, habe der Verurteilte auch diesmal keine Chance auf einen Freispruch gesehen. Stattdessen sei das Ziel gewesen, das Urteil abzuändern.
Diesem Wunsch nach Abmilderung entsprach Richterin Ursula Rubin mit ihrem Urteil: So wird der inzwischen im schottischen Glasgow lebende Mann nun "nur" verwarnt und muss dafür die 2008 verhängte Geldstrafe nicht bezahlen.
Drei Viertel der Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse
Nur wenn er innerhalb einer einjährigen Bewährungszeit straffällig wird, muss er eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen à 10 Euro – die Hälfte der ursprünglichen Strafe – bezahlen; drei Viertel der Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Moos sprach von einer "Einstellung zweiter Klasse"; es bleibe am Ende ein schaler Geschmack.
Richterin Rubin begründete ihre Entscheidung damit, dass es sich um einen "atypischen Fall des Widerstands" und eine "Tat mit Ausnahmecharakter" handle. Der Mann habe seine Identität nicht preisgeben wollen, weil er möglicherweise Angst hatte, in ein Verbrechen verwickelt zu werden, oder vielleicht auch, weil er bereits einmal wegen Urkundenfälschung verurteilt worden war. Moos war sich nicht sicher, ob seinem Mandanten in der Erregung und mit seinem kleinen Sohn, der auf der anderen Straßenseite stand, überhaupt klar gewesen sei, dass die Personalien von ihm verlangt wurden. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass beide Seiten aneinander vorbeigeredet haben. Sein Mandant habe geglaubt, als "guter Bürger" mit dem Anruf bei der Polizei seine Pflicht getan zu haben. Moos kritisierte die "Gewaltspirale" der Polizei, die "völlig unverhältnismäßig" gewesen sei.
Die Richterin hielt dem Mann zugute, dass er der verwirrten Frau helfen wollte und erheblich verletzt wurde. Zudem sei er durch den Vorfall sehr stark beeinträchtigt worden. Sein Mandant sei "schwer traumatisiert", bestätigte Moos: "Er ist vom Opfer zum Täter gemacht worden."