[B] Osternest für Liegenschaftsfonds

Ein Geschenk für den Liegenschaftsfonds

Pünktlich zum Osterfest wurde der Berliner Liegenschaftsfonds GmbH&Co KG ( kurz "Lifo"), dem zentralen Vermarkter landeseigener Immobilien, ein kleines Ei ins Osternest gelegt. In Berlin-Weißensee wurde eine zum Verkauf stehende Grünfläche von Zaunelementen befreit, neu angeordnet wurden diese auf der Wiese zu einem "Geschenk für den Liegenschaftsfonds" verpackt.

 

Hintergrund

 

In der Neumagener Straße 7-14 im Stadtteil Berlin-Weißensee (Großbezirk Pankow) steht seit einigen Wochen eine Grünfläche im sogenannten Bieterverfahren als Bauland zum Verkauf. Die vom "Lifo" in Wert zu setzende Fläche ist schon seit einigen Jahren in der Hand dieser GmbH, ebensolange befindet sich zu "Sicherungszwecken" um diese Grünfläche mitten im Wohngebiet ein häßlicher Bauzaun der das betreten dieser Fläche verhindern soll, wohlgemerkt "soll". Die Fläche jedoch wird unter Anwendung zivilen Ungehorsams regelmäßig durch AnwohnerInnen genutzt, sei es als Liege- und Grillwiese oder um den Hund auszuführen.

Versuche der anliegenden Wohnungsgenossenschaft das Grundstück zu kaufen scheiterten bisher an der Höhe des Verkaufspreises. Die Wohnungsgenossenschaft hat nicht das Interesse diese Fläche zu bebauen sondern daran die Grünfläche zu erhalten und den Bauzaun abzuwickeln, entsprechend kann die Fläche nicht zum überhöhten Baulandpreis übernommen werden.

Auch im benachbarten Gartenprojekt stoßen die Verkaufsbemühungen nicht gerade auf Gegenliebe, ein Teil der zu verkaufenden Fläche wurde durch eine falsch zulaufende Begrenzung jahrelang als Garten und Beetefläche mitgenutzt, bis das erneute Verkaufsbegehren des Lifo auftrat hatte da auch niemand etwas dagegen.

 

Der Liegenschaftsfonds

 

Der Liegenschaftsfonds ist zentraler Vermarkter landeseigener Immobilien, alleiniger Gesellschafter ist das Land Berlin, der Aufsichtsrat besteht aus Mitgliedern aus der Senatsverwaltung für Finanzen und Stadtentwicklung, aus dem Abgeordnetenhaus, Teilen der einzelnen Bezirksämter und der Industrie- und Handelkammer.

Dem Liegenschaftsfonds kommt mittlerweile ein Quasi-Monopol in Bezug auf die Vermarktung des Immobilien-Tafel-Silber zu, da den einzelnen Bezirken ein Verkauf von Immobilien untersagt ist und diese nur die Möglichkeit haben, unter erschwerten Bedingungen, per Erbpacht Grundstücke zu vergeben. Letzteres Instrument wird zunehmend, auch im Stadtteil Weißensee, genutzt um überhaupt einen kommunalen Einfluß auf die Vergabe von Immobilien und damit auf Stadtentwicklung zu haben.

Die Bezirke werden zusätzlich dazu gezwungen ungenutzte Immobilien an den Liegenschaftsfonds abzugeben, hierfür wurde auf Senatsebene an entsprechenden Haushaltsregelungen gearbeitet die den Bezirken auch Leerstände überhöht in Kreide stellen und damit von anderen kommunalen Aufgaben Finanzen abziehen. Die Bezirke sind also dazu gezwungen leerstehende Immobilien an den Liegenschaftsfonds abzustoßen um nicht am Ende weniger für die Daseinsfürsorge haben.

Der Lifo jedoch kennt nur ein Interesse, den Verkauf an die Meistbietenden, der Einfluß der Bezirke ist begrenzt, ihr Votum wird regelmäßig übergangen, die einzige Chance der Bezirke besteht darin selbst wieder Bedarf für die Immobilien anzumelden, mit diesem Entschluß aber auch wieder Kosten auf sich zu nehmen. Letzteres kommt wiederkehrend vor, da einzelne Bezirke merken das es ja doch noch Platz für geburtenstärkere Schul- und Kitajahrgänge braucht.

In einem Interview mit den Prenzlauer Berg Nachrichten vom 04.04.2011 unter dem Titel „Ausreichend Raum für Schulen und Kitas zu bieten ist ein riesiges Problem“ bestätigt die Pankower Stadträtin für Jugend- und Immobilien diese Haltung in den Bezirken, hier heißt es „Wir haben nicht mehr Tafelsilber verkauft, als andere Bezirke, und uns auch nicht von zu vielen Immobilien getrennt, um unseren Haushalt zu sanieren. Vielmehr gibt es Regeln im Land Berlin, nach denen wir, wenn wir Immobilien nicht mehr für Fachaufgaben benötigen, diese an den Liegenschaftsfonds übertragen müssen. Das wurde vom Abgeordnetenhaus beschlossen und gilt für alle Bezirke.“

Auch an anderen Stellen sorgt der Liegenschaftsfonds für mittelgroße Skandale, auf dem ehemaligen AEG-Gelände versprach ein Investor und ehemaliger Stasi-Agent, die "Schauhallen Berlin - Center of International Contemporary Art", er erhielt vor etwa 6 Jahren den Zuschlag für das Gelände, bis heute nur Zerfall. Die Stadt Berlin investierte jedoch daraufhin Unsummen in die Umgebungsinfrastruktur. Auch eines der eher vielversprechenderen Vorhaben auf dem Gelände droht aus ganz anderen Gründen zu scheitern, der Inhaftierte und vermisste chinesische Starkünstler Ai Weiwei wollte hier eine der Fabrikhallen als Exil-Domizil erwerben, den dubiosen Investor hätte es gefreut, der Kaufpreis wäre mit dem Wiederverkauf um ein vielfaches wieder raus.

 

Der Liegenschaftsfonds in Berlin-Weißensee

 

Auf diversen bezirklichen und freien Regionalversammlung wurde deutlich das die Politik des Liegenschaftsfonds nicht geteilt wird und eifrig an kiezbezogenen Aktivitäten gearbeitet werden sollte. So gibt es allein in Berlin-Weißensee einige Punkte in die der Lifo verwickelt ist. Neben der Grünfläche in der Neumagener (siehe oben), gibt es weitere Flächen in der Buschallee die nur auf die Befreiung vom Zaungestrüb warten, eine der Flächen, ein Parkplatz, wurde während einer regionalen Vernetzungsrunde schonmal von Unrat befreit und es wurde sich über die Möglichkeit diesen Platz für die Nachbarschaft zur Verfügung zu stellen unterhalten. Die anliegende Jugendeinrichtung hatte bereits ein gesteigertes Interesse an der Flächennutzung geäußert.

 

Ein trauriges Jubiläum feiert dieses Jahr das ehemalige Kinder- und Säuglingskrankenhaus Weißensee, der denkmalgeschützte Bühring-Bau kommt dieses Jahr in sein 100 jähriges "bestehen" und erreicht gleichzeitig den schlechtesten Zustand seit Erbauung. Der Liegenschaftsfonds verkaufte diese Immobilie entgegen dem Votum des Bezirks Pankow an ein Ärztekonsortium. Der Käufer läßt den Bau nun zerfallen, die Alternative hieß damals Kultur- und Bildungszentrum (KuBiZ), gegen diese Instandsetzungs-Alternative sprach sich jedoch der Liegenschaftsfonds aus. Das KuBiZ hat mittlerweile, unter bewußter Umgehung des Lifo und unter Abschluß eines Erbpachtvertrags mit dem Bezirk Pankow, sein Domizil in der ehemaligen Raoul-Wallenberg-Schule aufgeschlagen, direkt neben dem angesprochenen Grundstück in der Neumagener Straße.

 

Ein weiterer Konflikt mit dem Lifo deutet sich bei der Sportplatzfläche hinter dem ehemaligen Kreiskulturhaus Peter Edel in der Berliner Allee an. Diese Fläche befindet sich im Übertragungsprozess an den Liegenschaftsfonds und stellt, in direkter Umgebung zu Park und See, eine nicht unbegehrte Fläche dar. Eine erste Idee die geäußert wurde hieß Mehrgenerationenpark, wieviel Einfluß der Bezirk bei der Gestaltung des Geländes nach Abgabe zum Lifo ausüben wird, steht noch in den Sternen.

Auch der Prozess ums Kreiskulturhaus selbst ist nicht leicht bestellt, seit 2008 verhandelt die GSE (Gesellschaft für Stadtentwicklung), Treuhänder der Stadt Berlin, um einen Erbpachtvertrag mit dem Bezirk, schon 2010 sollte sich dann eine Schauspielschule hier ansiedeln, der letzte Zwischen- und Altnutzer, die Gallerie Wallywoods verließ die Immobilie unter Protest Ende letzten Jahres.

Die Verhandlungen verzögerten sich, auch wegen der erschwerten Bedingung der Erbpacht, aber auch wegen der Neuaufteilung der Grundstücksflure. Die CDU-Pankow wettert, trotz der ihnen bekannten Bedingungen, wiederkehrend gegen den Verhandlungsprozess, laut Berliner Woche vom 20.April 2011 "platzt ihnen bald der Kragen", auch hier sind CDU-nahe Begehrlichkeiten zu vermuten. Sollten die Verhandlungen wiedererwarten platzen wie der angesprochene Kragen, droht ebenfalls die Abwanderung der Immobilie an den Liegenschaftsfonds, damit wird aber auch ein Symbol der Kiezkultur neu verhandelt werden, und das sicher nicht ohne die lokalen Kiezakteure. Diese können sich mit der privaten Schauspielschule insofern anfreunden, dass sie diese an ihre Losung "Ein HAUS für alle" und die versprochene "Atmosphäre des Mitmachens" erinnern werden.

 

 

Organisieren

 

Einige Akteure im Kiez kündigten an sich weiter dem Thema anzunehmen um auf von der Konstruktion Liegenschaftsfonds erzeugte Missstände aufmerksam zu machen, gesucht wird auch die Verknüpfung zu bestehenden - dem Lifo kritisch gegenüberstehenden - Kämpfen. So gibt es einige Akteuere die an der Politik des Liegenschaftsfonds zweifeln und dementsprechend eine neue Politik fordern. Eines von zahlreichen Beispielen ist der Rat für die Künste in seinem Positionspapier zu den Wahlen, dieser fordert das "die Politik des Liegenschaftsfonds als Instrument der Stadtentwicklung und zur Bereitstellung sowie Sicherung von preisgünstigen Räumen für die freie Kunst- und Kreativszene eine bedeutende Rolle spielen muss." Auch im Rahmen der Räumung der Liebigstrasse 14 wurde der Liegenschaftsfonds zum Adressat von Protest und Widerstand erklärt, so gab es im Rahmen der „Liebig 14 Expansion 2011“ im Januar Besetzungen von Immobilien in Lifo-Hand, die BesetzerInnen bewiesen damit auch das entgegen den Behauptungen des Liegenschaftsfonds und anderer Beteiligter der damaligen Runden Tische sehr wohl passende, stadteigene Gebäude für alternative Projekte gibt.

 

 

 

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