Aufruf 1. Mai Hannover: Nicht guter Lohn für gute Arbeit – sondern Abschaffung der Lohnarbeit!

never work alone

Erst „Arbeit, Arbeit, Arbeit“, nun „Guter Lohn für gute Arbeit“ und dazu „Bündnisse für Arbeit“ allenthalben - das sind die Antworten der DGB Gewerkschaften auf Prekarisierung und die Zumutungen von Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und faktischem Arbeitszwang. Wie diese Arbeit gestaltet ist, wem sie nützt und warum wir überhaupt lohnarbeiten sollen, wird kaum diskutiert. Gleichzeitig wird Arbeitszwang zunehmend unbarmherziger durchgesetzt. Das System von Hartz4 mit der Verpflichtung fast jede Arbeit anzunehmen, wird mit einer Vielzahl von kleinen und großen Schikanen und Drangsalierungen begleitet.

Die administrativen Maßnahmen werden flankiert von unverhohlener medialer Hetze nicht nur in BILD und Co. Auch die bürgerlichen Medien haben längst diejenigen als „Problem“ identifiziert, die angeblich keine Lust haben, die sich der täglichen Arbeitshetze entziehen wollen oder für die es in der Arbeitswelt sowieso nichts mehr zu gewinnen gibt.

 

Alles so schön flexibel und effizient

In der modernen Arbeitswelt verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Arbeitsplatz und Wohnung, zwischen Job und (Weiter-)Bildung. Flexibilität, Effizienz, Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sind die Eckpfeiler der Propaganda.

Aus eigener Erfahrung wissen wir: Flexibilität heißt eben auch Zumutung – mehr arbeiten, weniger verdienen, immer verfügbar sein. Effizienz geht Hand in Hand mit dem Ausgrenzen von denjenigen, die die Anforderungen der kapitalistischen Wirtschaft nicht erfüllen können. Und der Ruf nach Leistung, die sich wieder lohnen müsse, dient vor allem denjenigen, die auf der Gewinnerseite der aktuellen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung stehen. Die Bewertung von Menschen nach Leistungsgesichtspunkten wird immer mehr zum Nützlichkeitsdenken: Wer nichts leistet, ist nichts wert.

Uns wird die Pflicht auferlegt, den eigenen Körper und seine Gesundheit in Schuss zu halten. Nicht aus Eigeninteresse für ein langes und gutes Leben, sondern um dem Arbeitsmarkt möglichst umfassend zur Verfügung zu stehen. Krankheit und mangelnde Leistungsfähigkeit werden als individuelles Versagen dargestellt. Schlechte Ernährung, Depressionen, Übergewicht werden nicht als Begleiterscheinungen von Armut, Hoffnungslosigkeit und somit sozialer Ungleichheit wahrgenommen, sondern gelten als Disziplinlosigkeit und Charakterschwäche.

Wir werden angehalten zu lebenslanger Fort- und Weiterbildung – aber nur soweit das Wissen ökonomisch verwertbar ist. Bildung wird so kaum mehr unter der Prämisse von sozialer Teilhabe, Demokratisierungsmöglichkeit oder gesellschaftlicher Emanzipation diskutiert.

Privatisierte Gewinne - vergesellschaftete Kosten
Die Unternehmensgewinne werden durch Lohnsenkungen, Kürzungen von Sozialleistungen und Ausbeutung im Niedriglohnsektor realisiert. Umweltzerstörung, die Gefährdung unserer Gesundheit und ein mieses Leben auf der anderen Seite der Welt werden dabei in Kauf genommen. Das ist Umverteilung von unten nach oben, mit privatisierten Gewinnen und vergesellschafteten Kosten. Die Ausbeutung, die wir täglich erleben, wenn Lebensmittel und Wohnraum immer mehr kosten, weil wir weniger verdienen. Wozu Produktivitätssteigerung und technischer Fortschritt, wenn ihre Resultate nicht allen zur Verfügung stehen?

Nachdem die Erhaltung der industriellen Kernarbeitsplätze Hauptziel der Politik des DGB war, entdeckt er nun die Leiharbeit als Agitationsfeld. Nicht weil dort – teilweise mit Tarifvertragssegen von ver.di und IG Metall – Lohndumping betrieben wird, sondern weil immer mehr Arbeitsplätze nur noch als Leih- und Zeitarbeit entstehen. Hinzu kommt eine Strategie des Machterhalts mit dem Versuch, sich missliebige Gewerkschaften vom Hals zu halten. Gemeinsame Bestrebungen des DGB und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) haben das Ziel, das Streikrecht durch ein Gesetz einzugrenzen. Künftig soll es nur noch der mitgliederstärksten Gewerkschaft erlaubt sein, in einem Betrieb Tarifverträge abzuschließen. Das ist nichts anderes als ein Angriff auf gewerkschaftliche und politische Grundrechte und auf kämpferische Gewerkschaften, wie die GdL.

Selbstbestimmtes Leben statt Arbeit um jeden Preis
Wir wollen nicht Arbeit um jeden Preis. Wir wollen ein selbstbestimmtes Leben, das nicht von 40, 50 oder mehr Stunden Wochenarbeitszeit geprägt ist. Wir wollen eine Diskussion über Alternativen zu Arbeitszwang und Lohnarbeit. Wir wollen mit der radikalen Kritik am Mythos von der guten Lohnarbeit die Zumutungen der Arbeitswelt bekämpfen und die kapitalistische Verwertungslogik angreifen. Wir wollen dem kapitalistischen Modell, in dem Menschen nach Nützlichkeitsgesichtspunkten beurteilt werden die Legitimationsgrundlage entziehen.

In der Praxis bedeutet das: Wir müssen uns wehren, wenn Stammbelegschaften, LeiharbeiterInnen und Erwerbslose gegeneinander ausgespielt werden. Das kann heißen, gemeinsame Forderungen zu stellen, wenn in bestimmten Branchen die Arbeitskräfte knapp werden. Unterstützen wir unsere KollegInnen, wenn sie sich für bessere Arbeitsbedingungen bei Vorgesetzten einsetzen. Wehren wir uns gegen die Erneuerung von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, wonach Frauen die unbezahlte Familienarbeit erledigen. Treten wir der rassistischen Hetze a la Sarrazin entgegen. Zeigen wir Interesse dafür, wie Produkte hergestellt werden und kaufen nur die unter korrekten Bedingungen produzierten.

Große Veränderungen fangen klein an
Setzen wir dem kapitalistischen Arbeitsethos etwas entgegen: Solidarische Bündnisse mit Prekarisierten, Erwerbslosen und Ausgegrenzten. Selbstorganisierung in den Betrieben und darüberhinaus, um sich gegen die Zumutungen gemeinsam zur Wehr zu setzen. Unterstützung und Mitarbeit in Initiativen, die mit ihrer praktischen Arbeit der Verwertungslogik eine antikapitalistische, antirassistische und solidarische Praxis entgegensetzen.

Die befreite Gesellschaft in die Realität umsetzen!
Für eine kämpferische Gewerkschaft!
Heraus zum revolutionären 1. Mai!

Sozialrevolutionärer Block auf dem Demozug der IG Metall - 10:00 Uhr Freizeitheim Linden

 

 


Gesundheitsgefahr Arbeit:

Der Bundesregierung zufolge sind im Jahr 2009 622 KollegInnen bei der Arbeit ums Leben gekommen. Bei den Berufskrankheiten ist die Zahl der Verdachtsfälle um 10 % gestiegen, insbes. im Bereich der psychischen Erkrankungen. Bei letzteren wird davon ausgegangen, dass seit den letzten 15 Jahren der Anteil sich fast verdoppelt hat. Schlafstörungen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden, etwa 50% der Berufstätigen leiden darunter. Häufig tritt diese Störung nach Schichtarbeit auf, aber auch, wer im Dauerstress ist, vor einem Berufswechsel steht oder sich Sorgen um eine bevorstehende Prüfung macht, kommt am Abend nicht so einfach zur Ruhe und leidet oft darunter, nicht ein- oder durchschlafen zu können. Auch das Burn-out-Syndrom nimmt stetig zu – Gründe sind unter anderem dauernder Stress, Überlastung, aber auch ökonomischer Druck. Unter Studierenden sind seit Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge die Fälle nochmals um 20% gestiegen. Gut 10% der Krankheitstage in den Betrieben werden dem Burn-Out zugeschrieben.