Gefährliches Stück Plastik

So, werte Strafverfolger, gebt acht: Hinten, das sind die Leuchtpatronen, die sind gefährlich. Vorne liegt die Signalgeberhalterung. Die dabei zu haben ist zwar verboten, sie ist aber harmlos
Erstveröffentlicht: 
06.04.2011

Einem linken Hamburger Strafverteidiger wirft die politische Staatsanwaltschaft einen Verstoß gegen das Waffengesetz vor. Er hatte Polizeizeugen die Abschussvorrichtung einer Signalrakete vorgeführt.  VON KAI VON APPEN

 

HAMBURG taz | Die Staatsschutzabteilung der Hamburger Staatsanwaltschaft hat die komplette Hanseatische Anwaltschaft gegen sich aufgebracht: Von "Einschüchterungsversuch" und "Angriff auf die Verteidigungsrechte" redet sogar die gemäßigte Hanseatische Rechtsanwaltskammer. Hintergrund des Zorns: Politstaatsanwalt Henning Todt hatte den renommierten Strafverteidiger Andreas Beuth wegen Verstoß gegen das Waffengesetz angeklagt, weil er zur Verteidigung seines Mandanten den Teil eines Signalgebers im Gerichtssaal Polizeizeugen vorgelegt hatte. "Das ist ein unerträglicher Angriff auf einen Kollegen", schimpft Beuths Verteidiger Manfred.

 

Es geht um ein orangenes Plastikstück, etwas länger und dicker als ein Kugelschreiber. In dem Plastikteil befindet sich in der Mitte ein Gummizug. Wenn man die Spannvorrichtung "scharf" macht und den Auslöser drückt, gibt es beim Auslösen ein leises "Klick". Mehr nicht. "Da ist ein Kugelschreiber im Gerichtssaal gefährlicher", sagt Getzmanns Ko-Anwalt Marc Meyer. Denn erst wenn man den Abschussbecher aufsetzt und dann die Leuchtpatrone einsetzt, kann das Gerät zu einer Waffe werden. Doch diese Teile hatte Beuth gar nicht dabei, als er das Beweisstück in einem Behälter und in der Aktentasche ins Landgericht transportierte.

 

Für Beuth war die Signalgeberhalterung für die Verteidigung seines Mandanten von Bedeutung. Dem war vorgeworfen worden, beim Schanzenfest im Juni 2010 mit einer Leuchtpatrone auf Polizisten geschossen zu haben. Also war Beuths logischer Vorhalt an die Polizeizeugen, ob sie ein solches orangenes Plastikteil in seiner Hand gesehen haben - gefunden hatten sie es nämlich nicht. Am ersten Verhandlungstag im Oktober 2010 erhob Staatsanwalt Todt gegen dieses Vorgehen keine Bedenken, dann beriet er offenkundig das Vorgehen von Beuth in der politischen Abteilung der Anklagebehörde und erinnerte sich an ein eigens von ihm selbst in Auftrag gegebenes Gutachten von vor zwei Jahren. Danach wäre allein das Mitführen einer Spannvorrichtung ein Verstoß gegen das Waffengesetz, da ein "Kleiner Waffenschein" benötigt werde. Ohne Vorwarnung ließ er Beuth auch am zweiten Verhandlungstag das Gerät mitbringen, um es plötzlich zu beschlagnahmen und ein Verfahren einzuleiten.

 

Obwohl selbst die Ermittler für Waffendelikte beim Hamburger Landeskriminalamt davon ausgehen, dass der Transport der Signalgeberhalterung in einem Behältnis kein illegales Mitführen einer Waffe ist, beantragte Todt bei Gericht einen Strafbefehl über 2.400 Euro, dem eine Richterin stattgegeben hat. Gegen den wehrt sich nun Beuth.

 

"Das ist ein inhaltlich offener Angriff auf einen Kollegen und die Rechte der Verteidigung und freien Advokatur", sagt Getzmann. Auch für Tim Burkert, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Hamburger StrafverteidigerInnen, ist der Vorgang von "grundsätzlicher Dimension". Wenn es zur Praxis der politischen Staatsanwaltschaft werde, Strafverteidiger bei engagierter Verteidigung selbst mit Strafverfahren zu überziehen, verstoße die Anklagebehörde gegen das Grundgesetz und der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht, die eine "unreglementierte Verteidigungshandlung" garantiere. "Das ist ein Warnschuss an alle Anwälte, macht nichts, was uns nicht passt", sagt Burkert. So sieht es auch die Rechtanwältin Britta Eder von der Hilfsorganisation Rote Hilfe. Hier solle ein linker, engagierten Anwalt, der in vielen Prozessen "ein unbequemer Part" für die politische Staatsanwaltschaft gewesen sei, einen "Schuss vor den Bug" bekommen. Das werde man verhindern, so Eder: "Nicht ein Signalgeber, sondern die Solidarität ist unsere Waffe".

 

Beuths Verteidiger-Trio Manfred Getzmann, Marc Meyer und Wolf Römmig hofft dennoch, die Hauptverhandlung zu vermeiden, in dem der Druck auf die politische Justiz so stark wird, dass das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird. Für Getzmann hat es aber auch einen gewissen Charme, Staatsanwalt Todt in einem Prozess im Zeugenstand zu befragen und aufzudecken, dass es bei der Strafanzeige einen "ganz klaren Vorsatz und Plan" gegeben habe, an dem ordentlich "gestrickt worden ist, um ein Strafverfahren zu initiieren".