Am Freitag abend hat die Freiraumkampagne „Plätze.Häuser.Alles.“ ein Haus in der Johann-Sebastian-Bach-Strasse in Herdern besetzt. Die Besetzer protestieren damit gegen den geplanten Abriss einer Wohnanlage für Kleinrentner aus den 1950ern, die einem Neubau weichen soll. Die Freiburger Stadtbau, Besitzerin des Hauses, hat bereits einen Räumungsantrag gestellt. Philipp hat sich vor Ort umgeschaut.
Die Sonne scheint auf das abgesperrte Straßenstück der
Johann-Sebastian-Bach-Strasse und auf das Haus mit der Nummer 36. Es
ist seit Freitag besetzt, und sieht so aus, wie man
sich ein frisch besetztes Haus vorstellt: Drinnen ein Schlafsacklager
und Sprüche an den Wänden, draußen wehen Banner, es wird jongliert und
diskutiert. Einer der Besetzter legt ein Beet an.
Am
obligatorischen Informationsstand an der Straße solidarisiert sich ein
Passant. Allerdings will er wissen, weshalb erst jetzt etwas passiert,
nachdem viele der 104 Wohnungen schon jahrelang leer stehen. Ein
Mitglied von „Plätze. Häuser. Alles.“, das Armin genannt werden möchte,
lacht. Er hätte in den letzten Jahren bei 16 Besetzungen mitgemacht.
Man könne ja nicht überall gleichzeitig sein. Wenn es um das Anliegen
des Bündnisses geht, wird er aber sofort ernst. „Die Wohnungen sind
fit. Ich kann es überhaupt nicht verstehen, dass sie abgerissen werden
sollen“. Und deshalb schläft Armin nun im Haus, gemeinsam mit etwa zehn
Leuten. Manche sind hier aus Solidarität, andere, weil sie auch gerne
langfristig bleiben wollen: Das Bündnis plant ein selbst organisiertes Wohnprojekt in das die noch in der Siedlung lebenden Mieter mit eingebunden werden sollen.
Bei
der Aktion ginge es um die große politische Frage: „Wer darf wo in
Freiburg wohnen? Und wer kriegt überhaupt noch etwas?“, sagt Armin. Der
Vorwurf: Die Stadt Freiburg, im Besitz der Stadtbau,
handele wie ein Unternehmen. Alte Gebäude würden luxussaniert um
möglichst viel Profit zu machen, und untere Einkommensschichten so
systematisch aus der Innenstadt verdrängt.
Die Freiburger
Stadtbau Verbund (FSB) sieht das anders. Für die sanierungsbedürftigen
Wohnungen in der Johann-Sebastian-Bach-Straße seien keine adäquaten
Mieter zu finden. „Eine energetische Renovierung wäre nicht
wirtschaftlich“, sagt Matthias Vökt von der FSB. Der geplante Neubau,
ein Komplex aus Eigentums- und Mietwohnungen, sei deshalb notwendig.
Der Baubeginn ist für Herbst diesen Jahres geplant.
Zur Zeit
Leben noch 22 Mieter in der Wohnanlage - zehn Basketballer des USC
Freiburg, die Ende April ausziehen, sowie zwölf reguläre Mieter.
Letzteren werden andere Wohnungen angeboten. „Das ist bei bisherigen
Projekten immer problemlos gewesen“, sagt Vökt.
Einer, der nicht wegziehen möchte ist Klaus Hering
(Bild oben). Er wohnt seit 6 Jahren im Erdgeschoss der Hausnummer 39.
Die Wohnung sei zwar schlecht isoliert, berichtet er bei einer Führung,
und im Winter schon mal ziemlich kalt. Zwei von der Stadtbau angebotene
Alternativwohnungen hat der Hartz IV-Empfänger dennoch abgelehnt. „Die
Wohnung ist zwar unterer Standard, aber dafür ist sie in Ordnung. Es
ist ein schönes Lebensgefühl hier und die Umgebung ist grün, etwas
vergleichbares bekommt man kaum.“
Draußen sitzt mittlerweile Volker Hug (Bild
unten) in der Runde der Besetzer. Er ist Vorsitzender des
Mieterbeirats der Freiburger Stadtbau und findet, dass die Diskussion
um die Zukunft der Kleinrentnersiedlung sowieso vorbei sei. "Das
Projekt ist durch alle Distanzen, aber der Protest ist ein Recht der
Jugend", sagt Hug. Die Besetzung sei zudem ein Signal für zukünftige
wohnungspolitische Entscheidungen in der Stadt.
Die Freiburger Stadtbau hat einen Antrag auf Räumung der
Johann-Sebastian-Bach-Strasse 36 gestellt, der am heutigen Dienstag bei
der Polizei Freiburg eingehen wird. Über den Zeitpunkt einer Räumung
wollte man dort keine Angaben machen.