Heilbronn - Nach der überraschenden Kundgebung von rund 150 Neonazis am Samstag in Heilbronn gab es einige Stimmen, die die Informationspolitik von Stadt und Polizei kritisieren. Öffentlich war mit keinem Wort auf den beantragten Aufmarsch der Rechten hingewiesen worden.
„Enttäuscht und frustriert“ zeigte sich DGB-Regionssekretärin Silke Ortwein,
die mit Blick auf die geplante Großdemo der Neonazis am 1. Mai in
Heilbronn die Fäden des Bündnisses gegen Rechtsextremismus in Händen
hält. Sie empfand das Geschehen am Samstag ein Stück weit als
„Niederlage für die Demokratie“, weil die Menschen in Heilbronn nicht
mit einer angemeldeten Gegendemonstration zeigen konnten, dass sie den
Aufmarsch von Rechtsextremen „nicht wollen“.
Polizeisprecher Harald Schumacher bestätigt, dass es
der Wunsch der Polizei war, den erst kurzfristig genehmigten Aufzug der
Rechten nicht öffentlich zu machen. Wenn Massen von Gegendemonstranten
vor Ort gewesen wären, „wären unsere Kräfte viel zu wenig gewesen, und
mehr hätten wir nicht bekommen“. Der Sicherheitsaspekt „auch für die
Heilbronner Bevölkerung hat überwogen“, sagte er.
Heilbronns Ordnungsbürgermeister Harry Mergel bat um
Verständnis für die Vorgehensweise. Die Stadt hatte den Aufmarsch
zunächst verboten. Man habe erst am Freitagnachmittag die Anordnung des
Gerichts erhalten, dass die Kundgebung stattfinden dürfe. Und: Für die
Stadt sei dieser Aufzug eindeutig eine Werbeveranstaltung für die
Großdemo am 1. Mai gewesen. „Wir wollten diese nicht noch aufwerten“,
erklärt er die strikte Informationssperre. Mit dem Ältestenrat des
Gemeinderats sei das Vorgehen abgestimmt gewesen.
Marianne Kugler-Wendt, SPD-Stadträtin und
Verdi-Regionalgeschäftsführerin, hat die Demo am Berliner Platz selbst
verfolgt. Ihre Bewertung fällt zwiegespalten aus. Einerseits fand sie es
„sehr klug“, dass die Polizei den Platz mit Metallgittern absperrte
und eine direkte Konfrontation von Rechten und linken Gegendemonstranten
vermied. An der ein oder anderen Stelle fand sie den Einsatz aber
überzogen. Vor allem am Ende, als Polizisten in voller Schutzmontur mit
Drohgebärden oder Hunden auf Gegendemonstranten zugingen. „Das war mir
eine Nummer zu krass“, sagte sie. Sie vermisst ein Konzept, wie man auf
die linken Antifaschisten deeskalierend einwirken könne.
1.-Mai-Demo
Mergel ruft alle Beteiligten auf, alles zu tun, um die Situation mit
Blick auf die 1.-Mai-Demo der Neonazis in Heilbronn zu deeskalieren.
Hier werden etwa 1000 Neonazis und tausende Gegendemonstranten in
Heilbronn erwartet. Die Heilbronner Polizei hat bereits angekündigt,
aufgrund der Dimension der Teilnehmer mehr als 1200 Beamte in der Stadt
aufzubieten. Es wird der größte Einsatz der Nachkriegsgeschichte.
Die Stadt Heilbronn hat auch gegen die 1.-Mai-Demo der Neonazis ein
Verbot verhängt. Die Veranstalter haben im Internet bereits rechtliche
Schritte dagegen angekündigt. Beim zuständigen Verwaltungsgericht in
Stuttgart liegt bisher noch kein Eilantrag der Veranstalter vor, das
Verbot aufzuheben. Darauf verwies eine Sprecherin des Gerichts auf
Nachfrage der Stimme.
Im aktuellen Fall der Kundgebung am Samstag in Heilbronn lehnte das
Gericht das Verbot der Stadt ab. In der Begründung hieß es: Hinreichende
Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit „sind
nicht ersichtlich“.
Bad Rappenau: Grüne kritisieren OB-Verhalten
Die Demonstration am Samstag von Neonazis in der Kurstadt hat ein kommunalpolitisches Nachspiel. Grünen-Stadtrat Ulrich Schneider
ist entsetzt, dass davon nur die Verwaltung gewusst hatte. Weder
Stadträte noch die OB-Stellvertreter seien durch Oberbürgermeister Hans
Heribert Blättgen informiert worden. "Ich finde so eine Haltung ganz
schlimm", sagte er. Mit Mahnwächen hätte man die Demonstration
verhindern können, glaubt er.
OB Blättgen verteidigt das Rathausvorgehen. Die
Verwaltung habe demnach die Demonstration verboten. Erst ein
Gerichtsbeschluss am Freitag habe den Zug erlaubt. Blättgen wollte über
die Demonstration nicht groß informieren, damit die Gruppe "möglichst
unter sich bleibt". Außerdem sei es von der Größenordnung her nicht so,
dass er informieren soll.
04.04.2011