Seit nun etwa anderthalb Wochen wohnen wir in der ansonsten leerstehenden Grawertstraße in Münster. Eingezogen sind wir ohne Erlaubnis, aber dafür mit einer tollen Einwohnungsparty. () Seitdem ist so einiges passiert, nette Gespräche mit den Nachbar_innen, Strafanzeigen durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) und erste Verhandlungen mit BImA und britischen Streitkräften. Noch sind wir im Haus, wohnen und leben dort weiterhin und freuen uns über Besuch.
Verhandlungen und Strafanzeigen
Die Häuser gehören der BImA,
diese hat sie allerdings im Rahmen von NATO-Verträgen den britischen
Streitkräften zur Nutzung überlassen, diese zahlen die Betriebskosten.
Am Anfang der letzten Woche war nicht klar, wer jetzt zuständig ist,
sich um die Besetzung zu kümmern. Die BImA sagte der Presse, sie müsse
das weitere Vorgehen mit den Briten abstimmen, die wiederum teilten mit,
dass sie nicht zuständig seien. „There is no conversation with us.“,
hieß es am Telefon nur.
Donnerstag morgen erfuhren wir dann
durch die Presse, dass Strafanzeigen durch die BimA gestellt worden
waren – trotz Verhandlungsversuchen unsererseits, was doch recht
enttäuschend war. Wir entschlossen uns nicht aufzugeben und erhöhten
unsere Bemühungen und bekamen endlich Menschen ans Telefon, die
zumindest mit uns redeten. Zur Anzeigenrücknahme waren sie allerdings
nicht zu bewegen und dafür auch nicht zuständig. Die BimA hat wohl keine
zuständige Stelle für Hausbesetzungen, so etwas sei ihr noch nicht
passiert, hieß es. Es wurde mal mit der britischen Armee, dann wieder
mit der BimA telefoniert, ab Freitag nachmittag war niemand mehr zu
erreichen – heute wird wohl weiter telefoniert.
Nachbarschaft und Programm
Am
Wochenende gab es bereits reichlich Besuch, Nachbar_innen und
Passant_innen kamen vorbei und besichtigten auch immer wieder gerne das
Haus. Im Laufe der Woche tauchten auch immer mehr Menschen, die
günstigen Wohnraum suchten auf. Dabei wurde auch mal wieder deutlich,
dass es viele Menschen, gerade Flüchtlinge mit unsicherem
Aufenthaltsstatus noch sehr viel schwieriger haben, eine Wohnung zu
finden. Anzeigen wegen Kleinigkeiten wie Hausfriedensbruch können dort
zu einer Abschiebung führen. Auch deshalb möchten wir den Wohnraum in
der ganzen Straße legalisieren und günstig nutzbar machen.
Die
Reaktionen der Nachbarschaft, auch am gut besuchten Nachbarschaftskaffee
am Sonntag nachmittag, waren zu einem sehr überwiegenden Teil sehr
positiv. Die meisten Menschen freuen sich, dass endlich jemand in die
leeren Häuser zieht und wieder Leben in die Straße einkehrt und selbst
kritische Fragen nach der Legalität und dem „Wie seid ihr denn hier
reingekommen?“ spielen kaum eine Rolle, denn eigentlich sieht niemand
ein, warum die Häuser dort leer stehen sollten.
Verschiedene
Veranstaltungen im Laufe der Woche wurden gut angenommen und auch nicht
nur vom üblichen Publikum besucht. Montag starteten wir mit einem Film
über die Uranproduktion, dann gab es Dienstag einen Vortrag über die
europäische Grenzschutz-Organisation Frontex und es folgten mit Poetry
Slam und Jam Session zwei kulturelle Veranstaltungen. Freitag klang die
Woche mit einem Kneipenabend aus und Samstag hatten wir viel Spaß beim
Theater-Workshop. Da der Sonntag leider ziemlich verregnet war, füllte
das Nachbarschaftskaffee unsere Wohnzimmer ziemlich aus und es gab nette
Gespräche.
Zukunft
Am Mittwoch gründete sich ein
Perspektivenarbeitskreis, der Vorschläge für eine zukünftige Nutzung der
Grawertstraße ausarbeiten möchte. Wir möchten, dass der Wohnraum in der
Grawertstraße für Menschen aller sozialen Schichten zugänglich wird,
dass er integrativ, gemeinsam, sozial und ökologisch gestaltet wird.
Deshalb trafen sich im Arbeitskreis Bewohner_innen, genauso wie
Unterstützer_innen und Anwohner_innen um anhand von Katasterdaten
mögliche Konzepte zu diskutieren. Ein weiteres Treffen fand am Sonntag
statt und der Arbeitskreis möchte seine Arbeit fortsetzen und den
Vorschlag letztendlich langfristig durchsetzen, bevor alle Häuser an
Investoren verkauft werden.
Wir sind jedenfalls weiter in der
Grawertstraße 34 anzutreffen und beabsichtigen auch nicht so bald zu
gehen. Wie ein Nachbarjunge schrieb: „Die Straße muss leben“.