Makler suchen jetzt Mieter für das geräumte Haus in der Liebigstraße 14. Einzugstermin soll im Juni sein, der Quadratmeterpreis liegt bei sieben Euro. Noch arbeiten Handwerker.
1120 Euro warm für eine 119 Quadratmeter große Wohnung im vierten Stock – zwei Monate nach der Räumung des linksalternativen Wohnprojektes Liebigstraße 14 mit einem Großeinsatz von 2500 Polizisten bieten die Hauseigentümer Wohnungen in dem umkämpften Haus wieder im Internet zur Miete an. Einzugstermin ist Juni. Zurzeit wird das Haus saniert. Aber Bewerbungen nehmen die Makler schon an. Zahlungskräftigkeit wird vorausgesetzt – die drei letzten Gehaltsabrechnungen, eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung und eine Schufa-Auskunft wollen die Eigentümer von Mietinteressenten sehen.
Die Handwerker müssen sich ranhalten; bei der Räumung Anfang Februar ging es dem Altbau an die Substanz: Mit Vorschlaghammer und Rammböcken, mit Trennschleifern und Motorsägen, Brecheisen und Stangen hatten sich die Polizisten ihren Weg durch das verbarrikadierte Haus geebnet.
Türen wurden aufgebrochen, eine Ziegelwand eingerissen, und das Haus wurde während der Räumung zu einem Schlachtfeld voller Bauschutt in zugebauten Treppenhäusern. Und wegen der Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Räumung wird im Strafgericht am heutigen Dienstag der erste Prozess fortgesetzt. Angeklagt ist der 36-jährige britische Staatsbürger Graham B.
Dass die Schäden an dem Haus bis Juni beseitigt sind, davon ist man bei der für die Vermietung zuständigen „Immobiliengruppe Berlin & Düsseldorf“ überzeugt: „Da arbeiten zehn Mann in dem Haus“, sagt Steffen Nietsch. Die neuen Bäder seien zum Teil schon in Arbeit. Die Steigleitungen würden neu gemacht. Später sollen Dielen oder Laminat in den Wohnungen verlegt werden. Und die Fassade werde wohl auch neu gemacht. Dagegen soll keine Kneipe im Erdgeschoss öffnen, sondern möglicherweise eine Kita. Gespräche mit einem Betreiber liefen. Müssen neue Mieter aber nicht den Groll von Mitgliedern der vertriebenen linksalternativen Szene fürchten? „Nein, in der Rigaer Straße ist es auch ruhig“, sagt Nietsch und verweist auf ein Objekt, bei dem das Hinterhaus besetzt und das Vorderhaus normal vermietet ist.
Ein bis vier Zimmer, 44 bis 119 Quadratmetern groß sind die angebotenen Wohnungen in der Liebigstraße. Die Nettokaltmiete beträgt etwas über sieben Euro pro Quadratmeter und Monat. „Das ist nicht überzogen“, sagt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Der Preis liege im Rahmen dessen, was bei der Neuvermietung von Wohnungen im Stadtteil Friedrichshain von anderen Hauseigentümern verlangt werde. Wild sagt aber auch, dass der Betrag „über der ortsüblichen Miete“ liegt. Diese betrage etwa fünf Euro im Durchschnitt. Allerdings müssen sich Hauseigentümer beim Einzug neuer Mieter nicht an diesen Wert aus dem Mietspiegel halten. Der wird alle zwei Jahre ermittelt, gibt die Durchschnittspreise der langfristig vermieteten Wohnungen wieder und wird vor allem bei der Begründung von Mieterhöhungen von bereits vergebenen Wohnungen herangezogen.
Laut Wild wird mit der Instandsetzung und der Neuvermietung der Liebigstraße „das nachvollzogen, was in dem Quartier schon lange passiert“: Häuser werden saniert, die Fassaden aufpoliert und die Wohnungen anschließend zu viel höheren Preisen vermietet als in der Umgebung sonst üblich. Ist die Liebigstraße 14 also nur ein Nachzügler in einem ohnehin schon gentrifizierten Quartier? „Ja, das ist eines der Häuser, die aus der alten Zeit übrig geblieben sind“, sagt Wild.
Die Liebigstraße 14 gehört wie die Häuser Rigaer Straße 94, 95 und 96 einer Eigentümergemeinschaft um Suitbert Beulker. Der soll wegen Drohungen nur noch unter Polizeischutz in sein eigenes Haus gehen und ist für Nachfragen nicht zu sprechen. Miteigentümer Edwin Thöne will inzwischen aus dem Projekt aussteigen: „Es bereitet nur Kopfzerbrechen“, sagte er auf Anfrage. Im Jahr 1998 habe er die Immobilien erworben, aber als stiller Teilhaber nie aktiv in die Auseinandersetzungen mit den renitenten Mietern eingegriffen. Die hatten im Jahr 1990 die Häuser besetzt, die damals der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain gehörten, später aber einen Mietvertrag von dem landeseigenen Unternehmen erhalten. Den erkannten die Käufer um Beulker aber nicht an. Der folgende Rechtsstreit erstreckte sich über ein Jahrzehnt und endete mit der Räumung.
Die Räumungen der Liebigstraße 14 und des „Umsonstladens“ in der Kastanienallee vor einem halben Jahr zeigen: Immer mehr linksalternative Projekte werden aus der Innenstadt verdrängt. Eine weitere Räumungsklage läuft schon gegen das Kulturprojekt „Schokoladen“ in der Ackerstraße in Mitte. Der Eigentümer will das Haus umbauen und anders nutzen. Wegen des erfolgreichen Kultur- und Musikprogramms des Schokoladens hat der Bezirk dem Eigentümer einen Grundstückstausch angeboten – eine weitere Räumung will man sich ersparen.