Wir wollen nicht zulassen, dass Vorurteile gegen Minderheiten, Rassismus, Gewalt- und Kriegsverherrlichung erneut an politischem Einfluss gewinnen! Für ein Pforzheim ohne Nazimahnwache am 23. Februar und eine Stimmung, die Nazis nicht bietet außer Null-Toleranz!
Mahnwache des FHD
Seit 1994 veranstaltet der rechtsradikale ‚Freundeskreis ein Herz für Deutschland‘ (FHD) fast jedes Jahr am 23. Februar eine Fackelmahnwache, um der ‚deutschen Opfer‘ 1 des Angriffs auf Pforzheim 1945 und des 2. Weltkriegs zu gedenken.
Die Mahnwache ist mittlerweile mit 100 – 200 Teilnehmer/innen die größte regelmäßige faschistische Veranstaltung in Baden-Württemberg.
Hier können Rechte 2 aller Strömungen ungestört zusammenkommen, sich austauschen und Gemeinschaft erleben. Sie bedienen sich einer gespenstischen Atmosphäre: Um 19:40 Uhr entzünden sie ihre Fackeln und währenddessen beginnen in der ganzen Stadt für 20 Minuten die Kirchenglocken zu läuten; ansonsten herrscht andächtige Stille. Diese Stimmung kann Einsteiger/-innen in die rechte Szene beeindrucken und alte Nazis festigen; es vermittelt allen, dass sie nicht alleine sind; dass an den rechten Parolen schon was dran sein wird, weil es sich richtig anfühlt.
Die rechtsradikale Szene in Pforzheim
In Pforzheim gibt es nicht nur am 23. Februar eine starke Naziszene. Sie ist über das gesamte Jahr aktiv und zeichnet sich durch eine große Mobilisierungsfähigkeit unter Jugendlichen aus. Ebenso ist sie überregional vernetzt und kann auf Strukturen wie auf das Stallhaus Germania in Mühlacker/Lomersheim zurückgreifen. Öffentlich in Erscheinung treten sie hauptsächlich bei Demonstrationen und durch z.T. bewaffnete Übergriffe, wie im Oktober 2008, als etwa 15 Neonazis aus dem Umfeld des „Heidnischen Sturmes Pforzheim“ 3 ein Konzert der Aktion ‚Laut gegen Nazis‘ bewaffnet angriffen oder im Mai 2009, als drei Neonazis einen 14jährigen auf Grund seiner Hautfarbe durch die Pforzheimer Nordstadt jagten. Aktuell griffen im Mai etwa 50 Personen mit Stahlknüppeln bewaffnet einen Dönerladen in der Nordstadt an. Sie riefen dazu auf, den Laden zu zerstören und anzuzünden.
Lasst uns als Pforzheimer/-innen ein Klima schaffen, in dem Nazis es schwer haben, Fuß zu fassen. Dazu müssen wir gemeinsam deutlich machen, dass wir Menschen nicht nach ihrer Herkunft beurteilen dürfen!
Geschichte als Anknüpfungspunkt
Am 23. Februar wird der 17.000 Toten gedacht, die in Pforzheim 1945 ums Leben kamen. Meist werden dabei Erlebnisse von Pforzheimer/-innen während und nach dem Luftangriff aufgezeigt. Neben der Trauer um Verwandte, die viele ältere Pforzheimer/-innen durchleben, wird auch symbolisch aller Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Der Weg von 1933 bis zur Zerstörung der Stadt wird hingegen nur begrenzt und im Stadtbild und der medialen Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar nachgezeichnet.
So entsteht leicht der Eindruck, dass Pforzheim zufällig kurz vor Kriegsende angegriffen wurde.
Dabei war es die Härte des von Nazi-Deutschland begonnenen und von der Bevölkerung mehrheitlich mitgetragenen Vernichtungskriegs, die nun auch auf Pforzheim zurück fiel. Die Lehre aus dem 23. Februar kann nur lauten: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!
Wir brauchen einen verantwortungsvollen Umgang mit der deutschen Geschichte. Das muss bedeuten, die Bedingungen und Mechanismen dieses Krieges und der industriellen Massenvernichtung zu benennen, und nicht, sich auf zwangsläufig durch Krieg hervorgerufenes Leid zu fokussieren.
Aus Geschichte zu lernen muss bedeuten, dass von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen darf [Willi Brandt]. Wir treten dafür ein, dass dieser gesellschaftliche Konsens wiederhergestellt und verteidigt wird!
Eine solch klare Positionierung in der Stadt würde es dem FHD ungemein erschweren, sich der allgemeinen Trauerstimmung zu bedienen und sich selbst als eine Trauergruppe unter vielen darzustellen.
Fazit
Wir möchten an die erfolgreiche Demonstration zum 23. Februar 2010 anknüpfen. Über 500 Demonstrant/-innen haben klar gemacht: Für Nazis und ihre Inhalte ist in Pforzheim kein Platz! Auf unserer Open-Space-Konferenz ‚Wie positioniert sich Pforzheim gegen Rechts‘ war ein Ergebnis, dass wir uns das gesamte Jahr mit Rassismus in all seinen Facetten auseinandersetzen müssen.
Konkret zum 23. Februar sollten wir uns dabei ein Beispiel am Bündnis ‚Dresden nazifrei‘ nehmen, das es am 13.2.2010 geschafft hat, mit Massenblockaden als Aktion des zivilen Ungehorsams den größten regelmäßigen Naziaufmarsch in der Bundesrepublik zu verhindern. Unsere Perspektive kann nur ein Pforzheim sein, das gemeinschaftlich und aus der Bevölkerung dafür sorgt, dass hier keine Naziveranstaltungen stattfinden können!
Für ein Pforzheim ohne Nazimahnwache am 23. Februar!
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1 Nazis verstehen unter Deutschen diejenigen, die sie zu ihrer konstruierten ‚Volksgemeinschaft‘ zählen; so gehören beispielsweise
Jüdinnen und Juden, Behinderte oder politische Gegner/-innen nicht zu den Deutschen.
2 Unter ‚Rechts‘ verstehen wir sowohl offen faschistische Bestrebungen als auch Formen des Rechtspopulismus, jedoch keine demokratischen Kräfte
3 Der Heidnische Sturm Pforzheim ist eine 2005 gegründete, rechtsradikale Kameradschaft.