Es folgt ein Bericht, der "Antifaschistischen Koordination Duisburg", über die extreme Rechte in Duisburg. In dem zehn-seitigen Reader, der als Printversion (5,99 MB) verteilt wird und als Online-Version (1,36 MB) runtergeladen werden kann, werden Strukturen, Aktivitäten und Entwicklungen des Jahres 2010 dargestellt. Beschrieben werden dabei sowohl rechte Parteien (pro NRW, REP und NPD), als auch die Kameradschaftsszene ("AG Krefeld/Duisburg" und "Nationale Jugend Duisburg"), sowie die rechte Hooliganszene ("Division-Duisburg" und "Borrachos-Duisburg").
Vorwort:
Viele Jahre ist es her, dass ein umfangreicherer Bericht über die rechte
Szene in Duisburg veröffentlicht wurde. Im Februar 2002 publizierte die
Gruppe “Jungdemokrat_innen/Junge Linke Duisburg” das Buch “Duisburg
Rechts um”. Ein sehr detailreiches Werk, das auch an dieser Stelle
gewürdigt werden sollte. Im Herbst 2004 erschien in der
antifaschistischen Zeitschrift “Lotta” ein Artikel über Neonazismus im
Raum Duisburg/Oberhausen(2).
Doch seit dem ist viel Wasser den Rhein runtergeflossen und die Neonazis
haben neue Strukturen aufgebaut, die eher jenseits der alten Strukturen
verlaufen. Personell hat sich auch so einiges geändert. Trotz der
starken Orientierung der aktuellen Neonazigruppen an neuen Konzepten
(“Autonome Nationalisten”) hat sich inhaltlich nicht viel verändert. Als
Antwort auf gesellschaftliche Krisen bieten sie immer noch den alten
Wein in neuen Schläuchen: Rassismus, Antisemitismus, Militarismus und
Gewalt.
Dass die Neonazis sich wieder organisieren können, liegt nicht zuletzt
auch daran, dass die Antifaszene in Duisburg seit fast 10 Jahren in
Grabenkämpfe verstrickt war, die für die Recherchearbeit über rechte
Strukturen nichts Positives gebracht haben. Aber da Neonazis und
Rassist_innen nicht einfach aufhören, wenn Linke sich streiten, ist es
nötig dieser Arbeit eine gewisse Ernsthaftigkeit und Kontinuität zu
verleihen. Da es viele unterschiedliche linke Gruppen in Duisburg gibt,
sollte zumindest die reine Anti-Nazi-Arbeit gemeinsam funktionieren.
Dieser Jahresbericht soll einen kleinen Anfang machen, damit nicht nach
den ersten theoretischen/inhaltlichen Differenzen wieder ein Vakuum
entsteht, in dem sich Nazis wohlfühlen und gedeihen können.
Parteien
Bürgerbewegung pro NRW
Die Bürgerbewegung pro NRW tut das, was sie am besten kann: Drei Mal
bringt sie ihren rechtspopulistischen Wanderzirkus nach Duisburg. Im
März wird aus dem groß angekündigten Sternmarsch zur Merkez-Moschee in
Duisburg-Marxloh, unter dem Motto „Abendland in Christenhand“, in der
Realität eine kleinere Demonstration mit etwa 200 Teilnehmer_innen.
Diese kann, dank Blockaden, erst mit erheblicher Verspätung starten und
muss durch die Polizei von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden. Im
August wird ausnahmsweise nicht gegen „die Moslems“ gehetzt. Am 28.
August nutzt die Pseudo-Bürgerbewegung, aus aktuellem Anlass, die
Loveparade-Katastrophe für ihre eigenen Zwecke und instrumentalisiert
die Opfer der Massenpanik. Am 23. November versammeln sich ungefähr 30
pro NRW Anhänger_innen wieder in Marxloh zur „Mahnwache“ gegen eine
Veranstaltung des NRW-Verfassungsschutzes in der DITIB-Begegnungsstätte
der Merkez-Moschee. Alle Veranstaltungen werden mit lautstarkem Protest
begleitet.
Bei den Landtagswahlen im Mai, erzielt pro NRW in Duisburg 4 Prozent der
Erst- und 3,7 Prozent der Zweitstimmen. Erich Christ, Peter Klein,
Hans-Peter Gessner und Susanne Kutzner (Leverkusen) sind die
Direktkandidat_innen für die einzelnen Wahlkreise, in denen sie 3 bis
5,2 Prozent der Stimmen für sich beanspruchen können. Im November
berichtet der Kreisverband euphorisch über Zuwachs, nennt aber keine
konkrete Mitgliederzahl. Auch werden alle Aktionen der Partei in
Duisburg maßgeblich vom Landesverband organisiert.
Republikaner
Von den Republikanern (REP) gehen, außer dem Aufhängen von Wahlplakaten, keine öffentlichen Aktivitäten aus. Bei der Landtagswahl kann die Partei 0,4 Prozent der Zweitstimmen auf sich ziehen.
NPD
Die NPD-Duisburg ist ebenfalls nicht in der Lage öffentlich zu agieren.
Zwar finden im März eine Kundgebung am Duisburger Bahnhofsvorplatz mit
etwa 70 und eine Demonstration in Duisburg-Marxloh mit ca. 150
Teilnehmer_innen statt, diese werden jedoch aufgrund des massiven
Gegenprotests von der Öffentlichkeit abgeschnitten. Außerdem organisiert
der NPD-Landesverband diese Veranstaltungen von außerhalb Duisburgs,
als verzweifelte Antwort auf die Konkurrenz von pro NRWs Sternmarsch
gegen die Moschee(3).
Von der durch die Kreisverband-Vorstände der Städte Essen, Bochum und
Dortmund, initiierten “nationalen Ruhrachse” zur besseren Koordination,
bleibt Duisburg verschont. Die Teilnahme an den Landtagswahlen wird
weder mit Plakaten, noch mit Infoständen beworben (im Gegensatz zur
Nachbarstadt Dinslaken, wo öffentliche Wahlkampfauftritte durch Proteste
scheitern)(4). 1476 Duisburger_innen machen ihr Kreuz für
die NPD, was 0,8 Prozent der Zweitstimmen ausmacht. Direktkandidat_innen
gibt es diesmal keine; die üblichen Verdächtigen, Frank Rudi Theißen
und seine Frau Roswitha, scheinen ihre Aktivität in der Partei gänzlich
eingestellt zu haben, sind jedoch weiterhin in der rechten Szene
Duisburgs aktiv.
Kameradschaftsszene
Im Gegensatz zur NPD, und anderen extrem rechten Parteien, handelt es sich bei freien Kameradschaften in der Regel nicht um gesetzlich definierte Organisationsformen. Rechtlich gesehen sind diese nicht rechtsfähige Vereine und aufgrund dessen in ihrer Struktur und ihren Mitgliedern sehr schwer greifbar. Sie bekennen sich in den meisten Fällen offen zur nationalsozialistischen Ideologie und sehen sich als Teil eines “nationalen Widerstandes”.
Aktionsgruppe Duisburg/Krefeld
Ende Mai 2009 tritt die „Aktionsgruppe Duisburg/Krefeld“ erstmals mit
einem Blog in das Licht der Öffentlichkeit. Etwa ein halbes Jahr später
interessiert sich der Verfassungsschutz, in Form von
“Anquatschversuchen”, für einzelne Mitglieder.
Schon vor 2009 gibt es eine “Aktionsgruppe Duisburg”, die aus einer
Handvoll Leuten um Steffen Pohl besteht und kaum in Erscheinung tritt.
Die neue Gruppe besteht zwar zum Großteil aus einem anderen
Personenkreis als die alte, steht aber voll und ganz in ihrer
ideologischen Tradition.
Die Gruppenstärke beläuft sich auf etwa zehn, überwiegend männliche
Personen, die mit wenigen Ausnahmen im Alter zwischen 18 und 23 Jahren
sind. Wie der Gruppenname schon suggestiert, befinden sich auch einige
wenige Krefelder_innen darunter, diese sind dem Duisburger Teil jedoch
zahlenmäßig deutlich unterlegen.
Bei dem im Januar geouteten Danny Müller(5) laufen viele
Fäden zusammen, so ist er für die graphische Darstellung der Gruppe
verantwortlich: Layout der Aufkleber, Gestaltung des Blogs,
fotografische Dokumentation von Demos und diversen Aktionen. Als
Anti-Antifa-Fotograf versucht Danny ebenfalls, u.a. im August,
Teilnehmer_innen einer linken Demo vom Balkon seiner WG aus abzulichten.
Er und sein Mitbewohner Andreas Kolb(6), ebenfalls aktives Mitglied der Aktionsgruppe und Drahtzieher der süddeutschen "AG Schwaben"(7), wurden kurz nach ihrem Einzug in der Nachbarschaft durch Flyer und Plakate geoutet(8). Ihre WG in der Innenstadt stellt einen Treffpunkt im Vorfeld von Aktionen dar, z.B. wurde die Verherrlichung von Rudolf Hess(9), aber auch die versuchte Störung einer antifaschistischen Gedenkkundgebung am 9. November(10)
dort vorbereitet. Die beiden WG-Bewohner und der aus dem Kreis Kleve
stammende Patrick Steves, der bei den o.g. Aktionen dabei war, stellen
den harten Kern der Gruppe dar.
Im Laufe des Jahres finden Personalwechsel statt: Während einige
Kamerad_innen ihren Wohnort wechseln, müssen andere aus Angst vor
weiteren Repressionen ihre Aktivität in der Gruppe drosseln oder ganz
einstellen. Zeitgleich kommen neue Gesichter dazu.
Nationale Jugend Duisburg
Die „Nationale Jugend Duisburg“ (NJDU) tritt seit Anfang 2010 unter
diesem Namen ans Licht der Öffentlichkeit. Schon seit Herbst 2008
veröffentlicht derselbe Personenkreis dilettantische Videos und
Aktionsberichte unter den Namen „Autonome Nationalisten Duisburg-Süd„
(AuNaDu-Süd) bzw. „Nationale Aktivisten Duisburg-Süd“.
Die Gruppenstärke beläuft sich auf 2 bis 4 Personen, wobei der harte
Kern der Gruppe aus dem aktivsten Mitglied Chris Boebers besteht. Im
Gegensatz zur “Aktionsgruppe Duisburg/Krefeld” bemüht sich die NJDU um
ein gutes Verhältnis zur NPD und ihrer Jugendorganisation JN. So
verteilt die Gruppe mehrmals Flyer der NPD und besucht Veranstaltungen
von NPD und JN.
Exzessives Beschmieren ihres Wohnumfeldes im Duisburger Süden, mit
nationalsozialistischer Propaganda gehört zu den Hauptaktivitäten und
primärer Freizeitbeschäftigung dieser eher cliquenartigen Gruppe.
Mittlerweile sind auch andere Stadtteile betroffen, wobei sie damit z.B.
ihrem, im Duisburger Norden geouteten, Kameraden Marcel Schmuck(11)
einen Bärendienst erbringen, da dieser wegen dem Sprühen von
Naziparolen und Hakenkreuzen an Schulen und Häuserwänden in öffentliche
Kritik geraten war(12).
Zusammenarbeit
Eine öffentliche Zusammenarbeit zwischen der “Nationalen Jugend
Duisburg” und der „Aktionsgruppe Duisburg/Krefeld“ besteht erst seit
April 2010. Vorher gab es keinen wahrnehmbaren Kontakt zwischen den
beiden Gruppen. Um die beiden Gruppierungen existiert ein fünf- bis
zehnköpfiges Sympathisant_innen-Umfeld Jugendlicher und junger
Erwachsener, welches sich sporadisch an Aktionen und anderen Aktivitäten
beteiligt.
Im Laufe des Jahres vernetzen sich die Mitglieder der Kameradschaften
mit weiteren Gruppen und Einzelpersonen außerhalb Duisburgs. Vor allem
die „Aktionsgruppe Duisburg/Krefeld“ pflegt über die (mittlerweile
aufgelöste) AG Ruhr-Mitte gute Kontakte zu den „Autonomen Nationalisten“
im Ruhrgebiet und vor allem nach Dortmund, wo Mitglieder regelmäßig an
Aktionen teilnehmen. Die Mitglieder der NJDU stehen in Kontakt zur NPD
und JN in Krefeld und zum Vorsitzenden der NPD Duisburg, Frank Theißen.
Nicht nur politische, sondern auch freundschaftliche Kontakte pflegen
die Duisburger Neonazis zu Kamerad_innen in Moers, Düsseldorf,
Gelsenkirchen und einigen anderen Ruhrgebietsstädten.
Aktivitäten
Die Aktivitäten der aktionsorientierten Neonazis um die „AG
Duisburg/Krefeld“ beschränken sich in erster Linie auf das Verbreiten
von Hetzmaterial und NS-Propaganda, wie z.B. nächtliches Plakatieren,
u.a. an Schulen, oder Hit-and-Run-Aktionen, bei denen Papierschnipsel in
die Luft geworfen werden (so zum Beispiel am 8. Mai in der Duisburger
Innenstadt).
Ihre Anti-Antifa-Arbeit besteht aus gelegentlichem Verfolgen,
Abfotografieren und Bedrohen vermeintlicher Antifaschist_innen, unter
anderem mit einer Axt.
Gleich zwei sogenannte “Rechtsschulungen” veranstalten die
Kamerad_innen, nach eigenen Angaben, für ihren eigenen Kreis innerhalb
weniger Monate. Im Laufe des Jahres werden einige von ihnen Post von der
Polizei erhalten haben.
Von Arnheim bis Remagen sind auf nahezu jeder Demonstration, welche aus
dem Umfeld der freien Kameradschaften heraus organisiert wird, landes-
wie bundesweit und über die Grenzen hinaus, Duisburger Neonazis
anwesend. Die gemeinsamen Anreisen, der meistens sieben bis
neun-köpfigen Gruppe, erfolgen mit der Bahn vom Duisburger Hauptbahnhof
aus.
Rechte Hooliganszene
Zwischen dem politisch organisierten Teil der Duisburger Neonazis und
Teilen der Hooliganszene in Duisburg bestehen sowohl personelle, als
auch ideologische Überschneidungen. So nehmen Mitglieder der
„Division-Duisburg“ im Sommer bei einem „Nationalen Fußballturnier“ der
Ruhrgebiets-Kameradschaften in Oberhausen teil. Als Mannschaft sind sie
dabei durch ihre gelben T-Shirts mit der Aufschrift „Ruhm“ und „Ehre“
identifizierbar, wobei zwischen den Wörtern ein SS-Schädel neben einem
Duisburg-Wappen prangt. Bei der Division-Duisburg handelt es sich um
eine Hooligan-Gruppierung, die ihre Freizeit u.a. mit ausgiebigen
Besäufnissen im „Hexenkessel“, einer Kneipe in der Duisburger Altstadt,
und Fahrten zu “Kategorie C” Konzerten verbringt. Danny Müller ist
ebenfalls Mitglied dieser Hooligan Gruppe.
Als weitere rechte Gruppe aus dem Fußball-Spektrum sind die
„Borrachos-Duisburg" zu nennen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um
eine Saufclique, die als Hooligangruppe in Erscheinung treten möchte.
Einige von ihnen nehmen mit der „Aktionsgruppe Duisburg/Krefeld“ und der
“Nationalen Jugend Duisburg” an Demos und Kundgebungen des „Nationalen
Widerstands“ teil und stellen einen erheblichen Teil der oben genannten
Mitläufer_innen dar.
Tätowieren lassen sich viele der Genannten im „Painfactory“-Studio in
Duisburg-Homberg. Dort gehören Tattoos mit rechtem und
nationalsozialistischem Bezug zum Repertoire der Tätowierer.
Ausblick/Fazit:
Die Existenz von rechten Parteien wirkt sich zumindest im Jahre 2010
nicht auf politische Entscheidungen in Duisburg aus. Erschreckend ist
aber der Wahlerfolg von pro NRW bei der Landtagswahl im Mai.
Verantwortlich dafür sind jedoch kaum die Bemühungen der Partei vor Ort,
sondern die allgemeine Tendenz zum kulturellen Rassismus, der nicht
zuletzt auch von den etablierten Parteien ausgeht und von einem großen
Teil der Gesellschaft mehr oder weniger mitgetragen wird. Diesem Trend
muss bis zu den Kommunalwahlen 2014, und dadrüber hinaus, entgegen
gewirkt werden.
Die Aktivitäten der freien Kameradschaften sind gesamtpolitisch
irrelevant, sollten jedoch nicht ignoriert werden, wie es die Duisburger
Polizeidirektion mit ihrer Behauptung, es gäbe in Duisburg keine
organisierte Neonazi-Szene(12), tut. Solch eine Politik der
Ignoranz führt dazu, dass rechte Gruppen sich in Sicherheit wiegen
können und deren Opfer nicht ernst genommen werden.
Die “Autonomen Nationalisten“ werden in ihrem Handlungsspielraum durch
den Riss aus der Anonymität, in Form von Outings, eingeschränkt.
Antifaschistischer Selbstschutz kann durch eine kontinuierliche
Recherche über Neonazis und deren Strukturen gewährleistet werden.
Quellenverzeichnis:
(1) http://braunraus.blogspot.com/2001_10_01_archive.html
(2) http://projekte.free.de/a2k2/mainpage.php?cat=archiv&id=563
(3) http://de.indymedia.org/2010/04/277924.shtml
(4) http://de.indymedia.org/2010/04/278417.shtml http://de.indymedia.org/2010/04/279389.shtml
(5) http://de.indymedia.org/2010/01/270823.shtml
(6) http://de.indymedia.org/2010/08/287932.shtml
(7) http://linksunten.indymedia.org/de/node/32659
(8) http://linksunten.indymedia.org/de/node/22745
(9) http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/50510/1666803/
(10) http://buendnis9nov.blogsport.eu/2010/11/15/bericht-von-der-kundgebung/
(11) http://de.indymedia.org/2010/05/281810.shtml
(12) http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/nord/Vermeintlicher-Duisburger-...
(13) http://linksunten.indymedia.org/de/node/24718
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