Nach der Liebig 14 nun Haus 14

Erstveröffentlicht: 
05.02.2011

Nach der Liebig 14 nun Haus 14

 

Die Flugblätter waren vergangene Woche im Studentendorf aufgetaucht, einige klebten an den Häusern, andere lagen im Studentenclub A18 aus. Sie zeigten eine Hinrichtung und waren auf Englisch beschriftet - übersetzt mit "Demokratie 2.0, stolz präsentiert von ihrer freundlichen Verwaltung".

 

von Claudia Fuchs

 

Die Flugblätter waren vergangene Woche im Studentendorf aufgetaucht, einige klebten an den Häusern, andere lagen im Studentenclub A18 aus. Sie zeigten eine Hinrichtung und waren auf Englisch beschriftet - übersetzt mit "Demokratie 2.0, stolz präsentiert von ihrer freundlichen Verwaltung".

Die orangen Zettelchen, deren Herkunft unbekannt ist, sind vorläufiger Höhepunkt einer seit 2004 schwelenden Auseinandersetzung zwischen der Genossenschaft, die das Studentendorf betreibt, und dem Verein "Selbstverwaltung des Studentendorfs" (SV), der sich als Interessenvertretung der Bewohner versteht. Am 14. März kommt dieser Streit vor Gericht, und wenn die Genossenschaft mit ihrer Klage recht bekommt, läuft alles auf eine Zwangsräumung hinaus - notfalls mit Polizeieinsatz, wie Genossenschaftsvorstand Andreas Barz bekräftigt. Die SV, die im Dorf unter anderem einen Studentenclub, einen Fitness-Raum und einen Waschsalon betreibt, hofft in letzter Minute auf eine gütliche Einigung. Juristisch gesehen, das wissen sie jedoch, haben sie keine Chance.

Im Kern der Auseinandersetzung, die viele kleine Nebenkriegsschauplätze hat, geht es darum, wer mehr Einfluss hat: der SV, der bereits seit 38 Jahren im Dorf aktiv ist und zurzeit 300 Mitglieder hat, oder die Genossenschaft, die - absurderweise - aus eben diesem Verein hervorgegangen ist und seinem jahrelangen Engagement um den Erhalt des Studentendorfes. Als die Studenten das Dorf im Jahr 2003 vom Land Berlin kaufen konnten, gründeten sie eine Genossenschaft. "Um sich neu zu sortieren, wurden dann 2005 alle Verträge mit uns gekündigt", sagt Erik Wegner von der SV. Allerdings seien dann mehrere Anläufe, neue Verträge abzuschließen, an der Genossenschaft gescheitert. Auch der Einsatz eines Vermittlers blieb folgenlos. Die Genossenschaft reichte schließlich Räumungsklage ein - die SV soll Haus 14 verlassen.

Dass dieser Streit mit einer Zwangsräumung enden könnte, klingt dieser Tage immer ein wenig nach Liebigstraße 14, und auch Genossenschaftsvorstand Andreas Barz sieht gewisse Parallelen zwischen dem Streit im Dorf und dem in Friedrichshain. "Die Leute von der studentischen Selbstverwaltung sind egoistisch, sie betreiben Besitzstandswahrung", sagt er. Obwohl sich die Bedingungen geändert hätten - das Dorf muss nun wirtschaftlich arbeiten - würden sie zu alten Konditionen arbeiten wollen und "am liebsten nichts tun, aber Geld dafür nehmen". Den Vorwurf, er wolle Mitbestimmung oder gar Demokratie beschneiden, weist Barz zurück. "Darum geht es hier nicht, es geht darum, Geld für ein 59 Jahre altes Dorf aufzutreiben, das nicht mehr zeitgemäß ist." Sonst gehe das Dorf vor die Hunde.

Aus Sicht vieler Studenten ist das längst geschehen. Abgesehen davon, dass das Dorf im Internet vernichtende Bewertungen bekommt ("der Alptraum Berlins, unfassbar übel"), geht es auch um die Arbeit der Genossenschaft. Kritikern würden Zwangsräumungen angedroht und Wohnungen ohne Erlaubnis betreten. Bewohnern, die wegen Mietmängeln ihre Miete senken, werde erklärt, das Studentendorf unterliege nicht geltendem Mietrecht. Vorstand Barz weist das zurück: "Das sind Behauptungen." Tatsächlich aber steht er inzwischen im Mittelpunkt der Kritik. "Dem bekommt der Posten nicht", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Nach mehreren Versammlungen hat die SV nun beschlossen, mit Aktionen auf sich aufmerksam machen.

Christa Markl-Vieto, Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaft, langjährige Bewohnerin des Dorfes und heute Fraktionschefin der Grünen im Bezirksparlament Steglitz-Zehlendorf, bemüht sich um Schadensbegrenzung. "Der Konflikt ist keiner, den man brauchen kann", sagt sie. Jetzt stünden die einen als die Guten da, "und wir ein wenig als die Kapitalisten". Dabei sei das Dorf ein "unglaublich tolles Projekt". Sie hoffe deshalb, "dass wir uns da einig werden".

 



Geschenk an Berlin

 


Das Studentendorf Schlachtensee befindet sich in Zehlendorf zwischen Spanischer Allee und Potsdamer Chaussee. Die Häuser, einst ein Geschenk der amerikanischen Regierung, sind im Stil eines amerikanischen Universitäts-Campus angeordnet.

Grundstein wurde am 20. Oktober 1957 gelegt. 1977 wurde die Anlage erweitert. Heute bietet das Gelände Platz für etwa 800 Studenten.

Der Senat wollte die Häuser Ende der 90er- Jahre abreißen. Studenten besetzten die Anlage, 2003 stimmte das Land einem Verkauf an sie zu. Um den Kauf zu finanzieren, wurden Teile des Grundstücks an Investoren abgetreten.

Bis 2022 soll das Studentendorf für 25 Millionen Euro saniert sein.

Berliner Zeitung, 05.02.2011