Richter rügt Polizeieinsatz gegen Skinheads

Erstveröffentlicht: 
02.09.2010

Im Südwesten

 

Richter rügt Polizeieinsatz gegen Skinheads

 

Knittlingen Rechtsextreme Gruppe erzielt einen Teilerfolg. Die Polizei sieht ihre Taktik nicht infrage gestellt. Von Andrea Koch-Widmann

 

Als teilweise rechtswidrig hat jetzt das Verwaltungsgericht Karlsruhe einen Polizeieinsatz gegen die rechtsextreme Gruppierung Stallhaus Germania gerügt. Die Pforzheimer Polizei hatte im Mai 2008 ein Grillfest platzen lassen, mit dem die Nazikameradschaft aus Mühlacker (Enzkreis) ihr achtjähriges Bestehen feiern wollte. Ein großes Open-Air-Konzert mit überregionalen Skinheadbands, das die Gruppe an Pfingsten plante, scheiterte, weil die Pläne durch StZ und die Freiburger Antifa öffentlich wurden.

Die Polizei hatte 2008 die Räumung des angemieteten Geländes angedroht, wenn die Gruppe nicht der Aufforderung des herbeitelefonierten Eigentümers Folge leiste. Die Kameradschaft rückte schließlich ab, die Mitglieder wurden bei der Abfahrt von der Polizei überprüft, ihre Fahrzeuge durchsucht. Gegen diese Maßnahmen zog der Vorsitzende der rund 20-köpfigen, vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung vor Gericht. Er machte geltend, dass er die Wiese bei Knittlingen vom Posaunenchor für die Feier angemietet und einen rechtsgültigen Vertrag habe.

Die Polizei, die im Vorfeld von der "großen Jubiläumsparty" erfahren hatte, wollte ein mögliches öffentliches Skinheadkonzert, aber auch eine Veranstaltung dieser Gruppierung wegen erwarteter typischer Straftaten und Ordnungsstörungen "unter Ausschöpfung aller rechtlichen Maßnahmen" verhindern. Dazu gehörte auch, den Vermieter des Grundstücks aufzuklären und zum Vertragsrücktritt zu bewegen. Da an diesem Samstag jedoch niemand vom Posaunenchor zu erreichen war, ermittelte die Polizei über das Grundbuchamt der Stadt Knittlingen den Eigentümer, einen Förderverein des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg. Für dessen Geschäftsführer war sofort klar, dass er keine rechtsextreme Feier auf dem kirchlichen Grundstück dulden werde. Er wollte sein Hausrecht ausüben, die Feier untersagen und kam persönlich vor Ort.

Die angedrohte Zwangsräumung war dem Urteil zufolge rechtswidrig. Als juristischer Fallstrick erwies sich auch, dass sich die Polizei zur Durchsetzung des Hausrechts und somit zur Durchsetzung privater Rechte an die falsche Person gewandt hatte. Der richtige Ansprechpartner wäre der Posaunenchor gewesen. "Ein Einschreiten der Polizei zur Durchsetzung privater Rechte kommt nur in Betracht, wenn der um Hilfe Nachsuchende glaubhaft macht, Inhaber des zu schützenden Rechts zu sein." Rechtmäßig hingegen seien die Personen- und Fahrzeugkontrollen.

Das Karlsruher Regierungspräsidium, das die Polizei vor Gericht vertrat, sieht durch das Urteil die Polizeitaktik nicht infrage gestellt. Das bestätigt auch das Stuttgarter Innenministerium. Die Polizei werde nach wie vor bemüht sein, rechtsextreme Umtriebe zu unterbinden. Eine Zwangsräumung privater Räume könne aber nur angedroht werden, wenn es zu Straftaten komme. Das Regierungspräsidium verzichtet auf eine Berufung, das Urteil ist rechtskräftig (AZ 9 K 1513/08).