Brisante Geständnisse

Erstveröffentlicht: 
28.06.2017

Die „Freien Kameraden Dresden“ hatten prominente Hilfe bei der Gründung ihrer Vereinigung. Im Prozess kommen Details und Verstrickungen in der Neonazi-Szene ans Licht.

 

Von Alexander Schneider

 

Dresden. Ein kleines Detail fällt den Beobachtern auf, als die Angeklagten in den Saal geführt werden. Robert S. (19) ist an diesem Dienstag nicht mehr an den Füßen gefesselt wie zum Prozessauftakt am Freitag oder vor einigen Wochen, als der 19-jährige Dresdner als Zeuge in einem Prozess gegen einen anderen rechten Schläger aussagen musste. Zusammen mit Florian N. (27) steht S. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden.

 

Als Teil der rechtsextremen „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) sollen die Männer an zahlreichen Überfällen auf Ausländer und Andersdenkende beteiligt gewesen sein, auch gemeinsam mit der unter Terrorismusverdacht stehenden „Gruppe Freital“. Ihnen werden unter anderem Körperverletzungen, Sprengstoffexplosionen und Landfriedensbrüche vorgeworfen – angefangen von den Krawallen in Heidenau im August 2015 bis zu den Angriffen auf Flüchtlinge zum Dresdner Stadtfest im August 2016. Beide Männer wollen nun Geständnisse ablegen – in einer Verfahrensvereinbarung hatte ihnen das Gericht dafür Freiheitsstrafen von maximal vier Jahren zugesichert.

 

Kaum beginnt der zweite Sitzungstag, müssen Zuschauer den Saal wieder verlassen. Eine öffentliche Erörterung der persönlichen Verhältnisse des Heranwachsenden Robert S. könnte seine schutzwürdigen Interessen berühren, sagt der Vorsitzende Richter Joachim Kubista. Der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts geht vor.

 

Im Mai 2016, als S. als 18-Jähriger erstmals wegen Gewalttaten gegenüber Ausländern und vermeintlich Andersdenkenden vor Gericht stand, hatte er im Zusammenhang mit der FKD von neuen Freunden gesprochen, die nach seinem langen Drogenentzug nun auf ihn aufpassten. Er hatte demnach bereits einige konfliktreiche Jahre hinter sich. In der sechsmonatigen Untersuchungshaft habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt, hatte er gesagt. Wollte sich von der FKD fernhalten.

 

Im jetzigen Verfahren am Landgericht ist das daher schwierig. S. sitzt wieder seit sieben Monaten in Haft, muss sich wieder für rechtsextreme und fremdenfeindliche Gewalt mit der FKD verantworten. Da wird es ihm entgegenkommen, dass er die Frage, wie schnell er nach dem Urteil vom 1. Juni 2016 – er erhielt eine Jugendstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung – rückfällig wurde, nicht auch noch vor Publikum beantworten muss. Nach Justizangaben Ende 2016 soll S. noch im Juni erneut mit der FKD Straftaten begangen haben. Bis auf den Stadtfest-Überfall wurden zahlreiche Vorwürfe jedoch eingestellt.

 

Der 19-Jährige kann nicht in langen Sätzen sprechen. Richter Kubista nimmt ihm mit seinen Fragen die Arbeit ab, seine Gedanken zu ordnen. Aber S. gibt die Vorwürfe zu, berichtet auch manches Neue. Etwa, dass der frühere NPD-Landtagsabgeordnete René Despang beim „Gründungstreffen“ der FKD in einer Grunaer Sportbar Ende Juli 2015 Hilfe angeboten habe.

 

In der Bar hatten sich regelmäßig rechtsgerichtete Jugendliche montags nach Pegida-Demos getroffen. Man hätte mehr unternehmen wollen, Demonstrationen, Spruchbänder an Autobahnen, Flugblätter – und „Schauen, dass alles in Ordnung ist“, wie es S. einmal sagte. Er meint: „Schauen, dass Deutschen nichts passiert“ durch Ausländer. Es gab auch Aktionen, bei denen man Gewalt „billigend in Kauf genommen habe“, wird es N.s Verteidiger Frank Wilhelm Drücke später beschreiben.

 

Auch Florian N. sagt, er sei so über einen Kumpel, den er von einer rechten Dynamo-Fangruppe kannte, zu der Neonazi-Gruppe gestoßen. Er macht einen intelligenten Eindruck, kennt die Akte – aber er verliert sich in beschönigenden Darstellungen. Er sei „nicht so rechts wie andere“, sagt er etwa. Woraufhin Kubista entgegnet, wie man denn Graffiti-Schablonen mit Parolen wie „Nationaler Sozialismus“ oder „Ruhm und Ehre“ anders als rechtsextrem verstehen könnte. N. gibt zu, damals sei er schon auch rechtsradikal gewesen. Erst als das Gericht ihn ermahnt, dass der Deal platzen könnte, gibt auch N. die ersten Taten weniger schöngefärbt zu.

 

Etwa sagt er dann, man sei im August 2015 nach Heidenau gefahren, um „die Antifa“ anzugreifen und auch die Polizei. Der Angriff sei „als Rache“ für die Ausschreitungen in der Nacht zuvor gedacht gewesen. Die Freitaler hätten die Pyrotechnik mitgebracht. Der Prozess wird fortgesetzt.