Michael Heendorf gab selten Interviews und arbeitete lieber im Auto und im Büro. Dennoch war der Mitgründer der AfD einer der wichtigsten Aufbauhelfer der jungen Partei. Unablässig reiste er Anfang 2013 in seinem privaten Mercedes zwischen Sachsen, Bayern und Schleswig-Holstein hin und her, fuhr Hunderte Kilometer über Land, traf kleine und kleinste Ortsgruppen, schob die Gründung von Landesverbänden an und organisierte in der früheren Parteizentrale im hessischen Bad Nauheim eine Mitgliederverwaltung. Doch schon zwölf Monate später verließ er die AfD im Frust. Nun ist Michael Heendorf, wie jetzt bekannt wurde, im Alter von 52 Jahren in Magdeburg gestorben.
Ohne den Fleiß des früheren Kriminalbeamten wäre die als Anti-Euro-Partei gegründete AfD niemals binnen kurzer Zeit so stark gewachsen, sagen Parteifreunde über Heendorf. "Ohne Michael gäbe es die Partei gar nicht", behauptet sogar Denis Deppe, Mitgründer der Braunschweiger AfD.
Denn schon andere Parteien hatten lange vor der AfD versucht, mit dem Kampf gegen den Euro Wähler für sich zu gewinnen. Es gab den Bund freier Bürger des früheren FDP-Politikers Manfred Brunner oder die Partei Pro DM, zu der Hamburgs früherer Innensenator Ronald Schill gehörte. Aber alle diese Versuche liefen ins Leere.
Nicht jedoch die AfD. Das hat viel mit Heendorf zu tun. Während Bernd Lucke, Alexander Gauland oder die spätere Pressesprecherin Dagmar Metzger in die Mikrofone sprachen, war es Heendorf, der die praktische Arbeit machte. Er sammelte die Parteibasis in den Bundesländern. Dafür blieben dem rührigen Organisator im Frühjahr 2013 nur wenige Monate bis zur Bundestagswahl.
Was Heendorf damals suchte, waren nicht nur Sympathisanten und neue Mitglieder. Vielmehr brauchte die AfD möglichst schnell Führungspersonen, die der jungen Partei ein Gesicht geben konnten. Auf seinen Touren in Sachsen stieß Heendorf so auch auf eine junge promovierte Chemikerin. Heute ist sie Bundessprecherin der AfD: Frauke Petry. "Der Erstkontakt zu Petry lief über Michael Heendorf", sagt Konrad Adam, der die AfD mit Heendorf und 16 weiteren am 6. Februar 2013 hessischen Oberursel gegründet hat.
Heendorf war mit 21 Jahren in der DDR in die Volkspolizei eingetreten. Doch schon bald hatte er Berufsverbot erhalten, weil er es abgelehnt hatte, sich von einem Familienmitglied zu distanzieren, das bei einem Fluchtversuch gefasst worden war. Erst nach dem Mauerfall durfte Heendorf in den Polizeidienst zurückkehren.
Politisch zog es ihn zunächst zur PDS, der Nachfolgepartei der in der DDR regierenden SED. Heendorf wurde in den Stadtrat Magdeburg gewählt, nach einem Jahr wechselte er zur CDU. Doch dort wuchs sein Widerstand gegen die Politik der Kanzlerin. Er schloss sich der Klage gegen den Euro-Rettungsschirm an. Als Parteifreunde ihn drängten, sich weniger kritisch zu äußern, verließ er auch die CDU. Denn gekuscht, so sagte er, hatte er schon in der DDR. "Ich bin nicht links, nicht rechts, nicht Mitte", sagte Heendorf über sich selbst. "Ich bin ein Mensch mit Brüchen." Im Internet stieß er schließlich auf die Website der Wahlalternative 2013, des Vorläufers der AfD, und schrieb einen Aufnahmeantrag.
Wegen einer Krankheit wurde Heendorf dauerhaft vom Polizeidienst befreit. Das gab ihm den nötigen zeitlichen und finanziellen Freiraum für seine Aufbauarbeit, der er alles andere unterordnete. Ein Parteifreund aus Sachsen-Anhalt beschreibt ihn als selbstbewussten Menschen, der seine Selbstbestätigung aus außerordentlichem Engagement schöpfte. Die Arbeit für die AfD "wurde zum Ventil für sein Übermaß an Antriebsgeist", sagt Deppe. Als nur acht Wochen nach der Parteigründung in Oberursel der Landesverband Sachsen-Anhalt entstand, wählten die Mitglieder Heendorf zum Vorsitzenden. Der Entwicklungshelfer wurde zum Politiker.
Der erste Querulant
Nach acht Monaten jedoch brach Heendorf mit der Partei, in die er so viel Kraft investiert hatte. Er hatte sich geweigert, Geld aus der staatlichen Kostenerstattung für den Bundestagswahlkampf zur Tilgung eines Kredits zur Verfügung zu stellen, mit dem der AfD-Bundesverband die Aufbauarbeit finanzierte. Zudem habe sich Heendorf nicht vom Bundesvorsitzenden Lucke in seine Arbeit hineinreden lassen wollen, erzählt ein damals Mitverantwortlicher aus Magdeburg.
"Er war der erste Querulant der Partei", sagt Deppe, der erste in der AfD, der Lucke offensiv entgegengetreten sei. Daniel Buhl, bis heute AfD-Mitglied und Bundestagskandidat in Pinneberg, beschreibt seinen Weggefährten Heendorf als einen, "der die Ärmel aufkrempelte. Aber für das politische Geschäft fehlte ihm manchmal die notwendige Kompromissbereitschaft". Als Heendorf mitbekam, dass ein Konkurrent hinter seinem Rücken Mehrheiten für die Wahl zum Landesvorsitzenden schmiedete, zog er sich von diesem Amt zurück und verließ zum Jahresende 2013 die Partei.
Öffentlich trat Heendorf seither nicht mehr in Erscheinung. Zuletzt wohnte er in einem Magdeburger Wohnblockviertel, unweit seines erwachsenen Sohns, und arbeitete für einen Sicherheitsdienst. Heendorfs Tod wurde erst Monate später bekannt. Bereits am 27. Januar wurde er auf dem Westfriedhof Magdeburg beigesetzt.