Schon die Vorgänger von Ursula von der Leyen (CDU) kämpften mit rechten Tendenzen in der Bundeswehr. Ein Blick in die Archive.
von Sven Lemkemeyer
Kanzlerin Angela Merkel hat sich in der Affäre um den rechtsextremen Bundeswehroffizier hinter den Aufklärungsansatz von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) gestellt. „Die Verteidigungsministerin hat die volle Unterstützung der Bundeskanzlerin und der ganzen Bundesregierung dabei, alle Facetten dieses Falles Franco A., soweit sie die Bundeswehr betreffen, aufzuklären“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Der Oberleutnant Franco A. steht im Verdacht, einen Terroranschlag geplant zu haben.
Leyen machte sich am Mittwoch am Standort der deutsch-französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg ein Bild von den Räumen, in denen Franco A. untergebracht war. Leyen kritisierte in Illkirch den Umgang mit Wehrmachtsdevotionalien. „Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme sind einige herausragende Einzeltaten im Widerstand. Aber sonst hat die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein.“ Bei dem Zimmer mit den Devotionalien, das Leyen gezeigt worden war, handelt es sich um einen Gemeinschaftsraum der Soldaten. Bei einer Untersuchung waren Wehrmachtsbilder und ein Sturmgewehr mit eingeritztem Hakenkreuz gefunden worden. Die Ministerin betonte, dass die Wehrmacht nichts mit der Bundeswehr gemein habe, sei eine Selbstverständlichkeit in der Truppe. „Das ist Allgemeinwissen, das von allen getragen werden muss.“ Umso fragwürdiger sei, dass in einem Raum Wehrmachtsexponate seien – vor allem, da das betreffende Jägerbataillon erst im Jahr 2010 aufgebaut worden sei.
Das Verteidigungsministerium teilte unterdessen mit, dass zwischen 2012 und 2016 18 Angehörige der Bundeswehr „vorzeitig wegen Rechtsradikalismus aus der Bundeswehr entlassen“ worden seien. Der Bundeswehr-Geheimdienst MAD bearbeite derzeit 280 Verdachtsfälle aus dem Bereich Rechtsextremismus.
Schon Leyens Vorgänger wie beispielsweise Peter Struck (SPD) hatten mit Problemen in diesem Umfeld zu kämpfen. Zur Erinnerung: Der damalige Minister Struck versetzte 2003 den Kommandeur der Eliteeinheit KSK, Brigadegeneral Reinhard Günzel, in den vorzeitigen Ruhestand. Dieser hatte eine umstrittene und als vom Zentralrat der Juden und weiten Teilen der politischen Öffentlichkeit antisemitisch kritisierte Rede des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann (CDU) gelobt. Der Ende 2012 verstorbene Struck versicherte damals, derartiges Gedankengut sei in der Truppe nicht weit verbreitet und speziell die Offiziere seien „durch ihre Ausbildung demokratisch gefestigt“.
Die Truppe ist kein Sammelbecken Rechtsradikaler
Dass die Truppe kein Sammelbecken Rechtsradikaler ist, darin sind sich alle Experten einig. Allerdings belegen Untersuchungen, dass es gerade unter angehenden Offizieren durchaus problematische Tendenzen gab und ganz offensichtlich bis heute gibt. Bereits 1997 zeigte eine Studie der Bundeswehrhochschule in Hamburg, dass 75 Prozent christlich- konservative Positionen befürworten. Und 21 Prozent bezeichneten ihre Einstellung sogar als „national-konservativ“.
Die Befragung lieferte keine Antwort darauf, wie viele dieser Gruppe als „rechtsextrem“ einzuschätzen waren und wo Grauzonen zu vermuten waren. An der Bundeswehrhochschule München sagte ein Experte im Jahr 2003 dazu: „Ohne Frage sind Soldaten wertkonservativ, und die Grenzen sind häufig schwer zu ziehen.“ Und weiter: „Das Offizierkorps reproduziert sich durch das Beurteilungssystem ständig selbst. Andere politische Ansichten sind daher kaum vertreten.“
Zehn Jahre später ließ das Ministerium wieder die politische Gesinnung des Offiziersnachwuchses abfragen – bisher die letzte Untersuchung dieser Art. Die Ergebnisse hielt das Ministerium, damals unter Führung von Franz Josef Jung (CDU), zweieinhalb Jahre unter Verschluss, erst im März 2010 wurde die Studie – Minister war nun Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) – publiziert. 2300 Studierende an den Bundeswehrhochschulen in Hamburg und München wurden vom damals noch existierenden Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr befragt. 70 Prozent sympathisierten mit CDU/CSU. Vier Prozent sahen ihre politische Heimat bei rechtsextremen Parteien NPD, DVU und Republikanern. Die Studie kam zu dem Schluss, diese geringe Zahl sei „sehr positiv zu bewerten“.
Leyen spricht nun von generellen Problemen
Allerdings: 13 der Nachwuchsoffiziere zeigten deutliche Sympathien für die Neue Rechten, die, wie der Verfassungsschutz schon damals einschätzte, vor allem intellektuell ausgerichtet war und ist und Verbindungen ins konservative Spektrum verfügt und sucht. 38 der Befragten waren damals der Ansicht, Deutschland solle wieder von einer starken Elite geführt werden, 25 Prozent waren dafür, die Zuwanderung zu stoppen – und elf Prozent sprachen sich dafür aus, die Macht des Parlaments einzuschränken.
Der damalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) mahnte danach in seinem Jahresbericht an, die Studie „sehr ernst zu nehmen“. Mit Blick auf diese Gruppe stelle sich die Frage, ob diese Soldaten jederzeit für die freiheitlich-demokratische Ordnung des Grundgesetzes eintreten. Er bezog sich damit auf das Prinzip der Inneren Führung. Diese Philosophie soll die Verankerung der Truppe in der Gesellschaft mit ihren Werten und Normen gewährleisten. Das Prinzip soll es zudem ermöglichen, die Spannung zwischen dem Prinzip Befehl und Gehorsam in einer Armee und dem Prinzip des mündigen Bürgers in einem demokratischen Rechtsstaat zu überbrücken. Leitbild ist der „Staatsbürger in Uniform“: Das bedeutet, dass auch für den einzelnen Soldaten die Rechte und Pflichten des Bürgers gelten – und die Soldaten sich zugeich ausdrücklich als Teil der Gesellschaft sehen.
Der ehemalige deutsche Nato-General Ergon Ramms wies am Mittwoch in der „Bild“ den Vorwurf zurück, die Bundeswehr als Ganzes habe ein Haltungs- und Führungsproblem. „Der Vorwurf ist mir zu pauschal.“ Der Militärische Abschirmdienst (MAD) ermittele in 280 Fällen, das seien weniger als zwei Prozent der Zeit- und Berufssoldaten. Zwischen 2012 und 2016 wurden 18 Angehörige der Bundeswehr „vorzeitig wegen Rechtsradikalismus aus der Bundeswehr entlassen“.
Leyen spricht nun von generellen Problemen, hält Franco A. für keinen Einzelfall und will die Disziplinarverfahren der Bundeswehr überprüfen und möglicherweise ändern. Sie fragt;: „ Wo gibt es Bruchstellen, Wo gibt es Lücken?“ In der Tat stellen sich Fragen, zum Beispiel wie ein Offizier seine rechte Gesinnung offen zur Schau stellen kann, ohne dass Vorgesetzte eingriffen – und warum Wehrmachts-Souvenirs, Landser-Bilder und Hakenkreuze auf Wänden und Waffen nicht entfernt werden.