Abgeschoben - und dann?

Erstveröffentlicht: 
04.05.2017

2017 könnte das Jahr der Rückführungen werden. Im Schnitt zweimal wöchentlich startet ein Abschiebeflieger am Flughafen Düsseldorf, meistens sind Balkanstaaten das Ziel. Was erwartet die Abgeschobenen in ihrer Heimat?

 

Familie Musa lebt in Fushe im Kosovo, einem Vorort von Pristina. Zu sechst wohnen sie in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Der Vater findet keine Arbeit, Sozialhilfe bekommen sie nicht. Er sammelt Plastikmüll in Müllcontainern, die er für ein paar Cent verkauft. 

 

13 Jahre lebte die Familie im Kreis Warendorf


Seit fünf Jahren ist das Alltag, damals wurde die Familie in den Kosovo abgeschoben. Nach dem Ende des Krieges hatten sie kein politisches Asyl bekommen. Vorher war ihre Heimat Neubeckum im Kreis Warendorf – 13 Jahre lang. Der Vater hatte eine Hausmeistertätigkeit beim Fußballverein, "der beste Job, den ich je hatte", erzählt er, immer noch bewegt.

 

1999 waren sie während des Kosovo-Krieges geflüchtet. Alle vier Kinder, das älteste heute 16 Jahre alt, sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Den Kosovo haben sie bis zu ihrer Abschiebung nie gesehen. In der neuen alten Heimat fehlt es am nötigsten. Die viel zu kleine Wohnung hat keine Heizung. Der Kampf ums Essen beginnt jeden Tag aufs Neue. Besonders problematisch ist die gesundheitliche Versorgung, berichtet der Vater. Eine der Töchter leidet unter Diabetes. 

 

Abschiebung in Handschellen


Die Abschiebung war für Familienvater Hisni Musa eines der einschneidendsten Ereignisse seines Lebens. Deutschland ist für ihn immer noch seine Heimat. Kriminell sei er nie gewesen, trotzdem hätten die Polizisten ihn bei der Abschiebung so behandelt und ihm Handschellen angelegt, erzählt er. "Ich war am schlafen. Um vier Uhr morgens sind 17 Polizisten hereingekommen. Ich weiß nicht, was passiert ist, was ich gemacht habe."

 

Die Musas sind Roma, als solche haben sie es im Kosovo noch einmal deutlich schwerer als andere, einen Job und eine bezahlbare Wohnung zu finden. Hil Nrecaj betreibt in Pristina die Nichtregierungsorganisation "Monitor" und begleitet abgeschobene Familien. Er beobachtet, dass insbesondere die Roma so gut wie immer in bitterster Armut enden. Sie erhalten von der Regierung ein Nahrungsmittelpaket für sechs Monate, Miete für ein Jahr nach der Abschiebung, so Nrecaj. "Wir reden hier wirklich über sehr arme Familien. Das heißt, wenn die Hilfe durch die Regierung wegfällt, stürzen die Familien ins Nichts." 

 

Gegenteil von "Rückkehr unter Sicherheit und Würde"


Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, kennt viele solcher Geschichten wie die der Familie Musa. Es sei kein Einzelfall, sondern die Regel bei Leuten, die nach Ex-Jugoslawien oder Albanien zurückgeführt werden, sagt er. "Es ist eigentlich das Gegenteil von dem, was man unter Rückkehr unter Sicherheit und Würde versteht", so Prölß. Dabei sei die Forderung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), dass, wenn es zur Abschiebung kommt, diese unter dem Grundsatz von Sicherheit und Würde passiere.

 

Rückführungen werden nicht willkürlich gemacht, die Fälle geprüft. Auch wenn Familien dann in ein für sie fremdes Land zurückkehren müssen. Prölß kritisiert, dass nicht immer alle Regelungen im Ausländerrecht berücksichtigt werden, die Menschen in dieser Situation ein Bleiberecht verschaffen können. "Auch nach Abschluss des Asylverfahrens heißt es nicht unbedingt, dass man ausreisen muss" erklärt der Flüchtlingsberater. Es gelte dann das Ausländerrecht, in dem es durchaus Regelungen gibt, die dazu führen können, dass Menschen, die eigentlich ausreisen müssen, einen Aufenthaltsstatus bekommen. "Es betrifft insbesondere Menschen, die schon lange hier sind, verwurzelt sind, vor allem wenn die Kinder hier geboren sind", gibt Prölß zu bedenken. 

 

Rückkehr oft nicht freiwillig


Rückkehrhilfen hängen davon ab, in welches Land jemand zurückgeführt wird. Für den Kosovo gibt es "URA 2", ein Projekt des Bundes und von acht Bundesländern, unter anderem auch Nordrhein-Westfalen, weiß Prölß. Im Pristina existiert ein Rückkehrzentrum, wo sich Menschen melden können, eine Beratung erhalten, mitunter auch finanzielle Zuwendung – "allerdings ohne einen Rechtsanspruch darauf zu haben", schränkt der Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats ein. Mal gebe es 50, mal vielleicht 100 Euro.

 

Wichtig ist seiner Ansicht nach, dass Hilfen nachhaltig sind, dass sie Strukturen fördern und entwickeln, so dass Menschen ein Leben in Sicherheit und Würde führen können. "Bei URA 2 haben wir da große Bedenken."

 

Auch die meisten freiwilligen Rückkehrer gehen nicht wirklich freiwillig, weiß Claus-Ulrich Prölß aus der Erfahrung seiner Beratung. "Es ist oft noch die letzte Möglichkeit auszureisen, ohne abgeschoben zu werden. Abschiebung bedeutet, dass ihnen dann nicht mehr erlaubt ist, wieder einzureisen."

 

Seit Herbst 2015 ändere sich das Asyl- und Ausländerrecht fast ständig, beobachtet der Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. "Es wird immer rigider und der Ausreisedruck auf die Betroffenen nimmt zu."

 

Autor der Hörfunk-Reportage ist Moritz Börner.