DNA-Profiling: Wie weit kann die erweiterte Erbgut-Analyse genutzt werden

Erstveröffentlicht: 
28.03.2017

Das Alter, die Herkunft, die Hautfarbe: Theoretisch verrät die DNA vieles über einen Täter. Doch solche Analysen verbietet die Strafprozessordnung in Deutschland bislang. Baden-Württemberg will das nun ändern und auch das Bundesjustizministerium hat sich die neuen Möglichkeiten in einer Expertenanhörung vorstellen lassen.

 

Von Volkart Wildermuth

 

1999 wurde die 16-jährige Marianne Vaastra in den Niederlanden vergewaltigt und brutal ermordet. Der Tatort lag in der Nähe eines Flüchtlingsheims, schnell gab es Anschuldigungen und gewalttätige Übergriffe. Amade M’charek, Professorin für Wissenschaftsanthropologie:

 

"Um die öffentliche Ruhe wiederherzustellen, ordnet der Staatsanwalt zum ersten Mal einen neuen DNA-Test an, zur geografischen Herkunft dieses unbekannten Täters. Das war im Jahr 2000 illegal, weil ohne jegliche Rechtsgrundlage."

 

2003 ermöglichten die Niederlanden dann per Gesetz die Herkunftsbestimmung über die DNA, berichtet Amade M’charek, Professorin für Wissenschaftsantropologie an der Universität von Amsterdam. Inzwischen ist auch die Analyse der Augenfarbe erlaubt. In Deutschland erfahren Ermittler bisher nur das Geschlecht eines Spurenlegers. Dabei sind Gene bekannt, die Augen- , Haut- oder Haarfarbe beeinflussen, es gibt genetische Tests auf das Lebensalter und auf die regionale Herkunft. Einzelne Internet Startups versprechen sogar, aus dem Erbgut ganze Gesichtszüge zu rekonstruieren – ein genetisches Phantombild.

 

"Wenn man sich da nicht weiter mit Fachleuten zusammensetzt kann man das glauben, obwohl das Unsinn ist. Das ist ganz klar, dass das nicht möglich, es wird versucht um dort Geld zu verdienen."

 

Grüne oder graue Augen sind schwieriger aus Erbgut abzulesen

 

Prof. Lutz Roewer leitet das Labor für genetische Forensik an der Berliner Charité.  Er verfolgt aufmerksam alle neuen Entwicklungen auf dem Gebiet des DNA Profiling. Es wird zwar immer wieder von Genen berichtet, die etwa die Gesichtsform prägen. Aber die haben jeweils nur einen ganz kleinen Effekt und beeinflussen sich noch dazu gegenseitig. Um verlässliche Rückschlüsse von der DNA auf das Aussehen zu machen, müssen Referenzdatenbanken mit tausenden von Personen untersucht werden. Dabei gibt es durchaus Erfolge. Prof. Lutz Roewer:

 

"Die Aussage aus der DNA er hat blaue Augen ist sehr valide, da sind wir bei über 98 Prozent Wahrscheinlichkeit."

 

Mischfarben wie grün oder grau sind sowieso schwieriger aus dem Erbgut abzulesen. Ähnlich ist es bei der Haut- und der Haarfarbe. Hier gibt es noch weitere Probleme: blondes Haar dunkelt im Lauf des Lebens häufig nach, und das hat dann nichts mehr mit den Genen zu tun. Treffgenauer sind Altersprognosen. Bestimmte Markierungen auf der DNA verändern sich im Lauf der Zeit. Mit ihrer  Hilfe wird sich schon in naher Zukunft das Alter eines Erwachsenen mit einer Genauigkeit von plus minus fünf Jahren aus einer DNA-Spur bestimmen lassen. Was die sogenannte biogeographische Herkunft betrifft, lassen sich immerhin grobe Regionen wie Nordeuropa oder Afrika südlich der Sahara eingrenzen.

 

"Also bei der Herkunftsuntersuchung da haben wir immer so Aussagen wie, es ist hundertmal wahrscheinlicher, dass er aus Afrika kommt, wir müssen also immer die Alternative Gegenprobe machen. In diesem Bereich bewegen wir uns, das hat nichts mit absoluter Sicherheit zu tun."

 

Und auch das nur, wenn die Referenzdatenbank die Bevölkerung des jeweiligen Landes gut widerspiegelt. Anders als der genetische Fingerabdruck liefert die erweitere DNA-Analyse generell eher vage Hinweise. Die lassen sich aber durchaus in der Ermittlung nutzen, etwa um Videoaufzeichnungen neu auszuwerten oder gezielt DNA-Reihenuntersuchungen zu machen. Trotzdem ist die neue Methode in den Niederlanden auf schweren Straftaten wie Mord, Totschlag oder Sexualdelikte beschränkt und darf nur eingesetzt werden, wenn klassische Ermittlungsverfahren nicht weiterhelfen. Amade M’charek, Professorin für Wissenschaftsanthropologie:

"Weil diese Art DNA-Test nicht einen individuellen Verdächtigen projiziert, also ein Individuum, sondern eine verdächtige Gruppe, eine Population. Braune Augen, schwarzes Haar, dunkle Haut ist kein Individuum. Genau so wenig wie blond, blauäugig und hellhäutig. Alle unschuldigen Mitglieder dieser so generierten Gruppe geraten in den Fokus polizeilicher Ermittlungsarbeit. Und da es sich um schwerwiegende Straftaten handelt, die die Gemüter erhitzen, besteht die große Gefahr der Stigmatisierung und Mobilisierung von Vorurteilen."

 

Erweiterte DNA-Analyse ist kein Königsweg

 

Im Jahre werden nur etwa zehn Anträge auf eine genetische Herkunftsanalyse gestellt, die ebenfalls Mögliche Prognose der Augenfarbe wurde von der Polizei sogar noch nie nachgefragt. Auch in Großbritannien sind die Ermittlungsbeamten zurückhaltend. Die  erweiterte DNA-Analyse ist also kein Königsweg, keine Abkürzung für die Ermittlung, aber sie kann wertvolle Hinweise geben, sagt auch der Politologe Dr. Matthias Wienroth vom Kings College London.

 

"In der deutschen Debatte wird ja oft Bezug genommen auf die positiven Erfahrungen im Ausland. Und da wird auch immer wieder hingewiesen, ja in den Niederlanden kann man das machen, in Großbritannien gibt es ja überhaupt keine Begrenzungen. Das ist auch richtig. Man muss aber daran denken, dass in anderen Ländern andere Systeme der Regulierung existieren, dass dort auch mit den Daten ganz speziell umgegangen wird."

 

Nirgendwo kann die Polizei alleine eine erweiterte DNA-Analyse in Auftrag geben. Es sind immer mindestens Staatsanwalt und Ermittlungsrichter mit einbezogen. Die Vorstellungen in Deutschland sind hier noch unklar. Baden-Württemberg hat im Bundesrat einen eigenen Gesetzesvorschlag eingebracht, der im Moment in den Ausschüssen diskutiert wird. Dort geht es konkret um die Analyse der Augen-, Haar- und Hautfarbe, soweit des biologischen Alters.

 

Im Juni wird das Bundesjustizministerium einen eigenen Gesetzesentwurf auf der Justizministerkonferenz vorstellen. Dann kann erneut über Fahndungschancen und Probleme der erweiterten DNA-Analyse gestritten werden. Der Mörder von Marianne Vaastra wurde übrigens 13 Jahre nach der Tat durch klassische Ermittlungsarbeit identifiziert. Es war ein Bauer aus der Nachbarschaft.