Sylvia Lillge darf nicht zur Landtagswahl antreten. Der zuständige Ausschuss zeigte sich konsterniert angesichts der Methoden. Es drohen noch weitere Konsequenzen
Kreis Gütersloh. Im Vorfeld der Landtagswahl im Mai sorgt die AfD im Kreis Gütersloh für einen handfesten Skandal. Wie sich gestern herausstellte, hat die potenzielle Kandidatin der rechten Partei im Wahlkreis 94 (Gütersloh I - Bielefeld III) offenbar versucht, mit Tricks und Fälschungen die notwendige Zahl von Unterstützungsunterschriften zu erschleichen. Die sichtlich konsternierten Mitglieder des Kreiswahlausschusses folgten vor diesem Hintergrund einstimmig der Empfehlung der Verwaltung, den Kandidatenvorschlag von Sylvia Lillge (Versmold) als ungültig zurückzuweisen. Laut Kreiswahlleiterin Susanne Koch wird zudem die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, um den Fall strafrechtlich zu bewerten.
Laut Landeswahlgesetz brauchen Parteien, die weder im NRW-Landtag noch im Bundestag vertreten sind, für Kreiswahlvorschläge 100 Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten, die im Wahlkreis wohnen. Wie der stellvertretende Wahlleiter Michael Hellweg erläuterte, hatte die AfD in diesem Fall 120 Unterschriften eingereicht, allein 30 noch am Montagnachmittag kurz vor Ablauf der Frist um 18 Uhr.
Bereits zu dem Zeitpunkt bestand der Verdacht, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Denn am Vormittag meldete sich die Gemeinde Steinhagen bei Hellweg. Demnach hatte Lillge am vorigen Freitag bei einem Hausbesuch einem Bürger erklärt, sie sammle Unterschriften für eine bessere Ärzteversorgung in der Region. Der Mann unterzeichnete, ohne sich genau anzuschauen, um was für ein Formular es sich handelte. Hinterher versicherte er gegenüber der Gemeinde, die Frau habe mit keinem Wort zu verstehen gegeben, dass sie der AfD angehöre und für ihre Kandidatur Unterschriften sammle. Per schriftlicher Erklärung machte er die Sache rückgängig - wie viele andere auch.
Durch diesen Fall alarmiert, überprüfte das Wahlamt weitere Unterschriften aus Steinhagen und anderen Orten. Insgesamt stießen die Mitarbeiter bei Telefonaten auf 19 weitere gleichgelagerte Fälle. Stets wussten die Betroffenen nicht, um wen es sich tatsächlich bei der Besucherin handelte. Und jedes Mal gingen sie davon aus, dass sie ihre Unterschrift für eine bessere ärztliche Versorgung oder die Einrichtung einer medizinischen Fakultät an der Uni Bielefeld abgegeben haben. Lillge (42) selbst ist medizinisch-technische Assistentin. Sie gehört sowohl dem Kreisvorstand als auch dem Bezirksvorstand der AfD an.
Detektivische Arbeit leistete die Gemeinde Steinhagen. Bei einem Abgleich mit dem Personalausweisregister stellte sich heraus, dass eine weitere Unterstützungsunterschrift gefälscht war. Sie stimmte nicht mit der in der Datenbank gespeicherten Paraphe überein. Mittwochabend wurden zudem bei einer weitere Probe in Bielefeld Abweichungen festgestellt. Die Überprüfung ergab, dass die Unterschrift am 21. März geleistet worden war. Die betroffene Person weilt allerdings bereits seit dem 14. März in einer Reha in Süddeutschland.
Insgesamt waren damit 22 Unterschriften als ungültig zu erklären. Damit verfehlte die AfD die notwendige Anzahl um zwei Unterschriften.
Die Partei hat nun drei Tage Zeit, gegen die Zurückweisung des Wahlvorschlags Beschwerde beim Landeswahlausschuss einzureichen. Wird sie das tun? Der AfD-Kreisvorsitzende Udo Hemmelgarn, der den Sitzungsverlauf beobachtete, sagte der NW, er könne das noch nicht beantworten. Dafür sei es zu früh. Zunächst müsse die Sache geprüft werden. Er habe jedenfalls keine Erklärung für die Vorgänge. "Ich stelle mich immer als erstes persönlich vor." Sylvia Lillge war gestern nicht zu erreichen. Einen ähnlichen, laut Hellweg aber nicht so gravierenden Fall wie jetzt gab es 2005. Damals legte die NPD im Wahlkreis 95 ebenfalls ungültige Unterschriften vor und wurde nicht zur Wahl zugelassen.