Sachsen-CDU nominiert De Maiziere als Spitzenkandidat

Erstveröffentlicht: 
19.03.2017

Thomas de Maiziere auf Platz eins der Landesliste und eine kämpferische Rede von Stanislaw Tillich: Die CDU in Sachsen stimmt sich auf die Bundestagswahl ein.

 

Dresden. CDU-Parteitage in Sachsen sind nicht zwingend dafür bekannt, ein überbordendes Maß an Überraschung aufzubieten. Gemeinhin läuft alles wie am Schnürchen. Grobe Ausschläge nach oben oder unten genossen in der Vergangenheit eher Seltenheitswert. Da gereicht es schon revolutionär, wenn der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Stanislaw Tillich seine lieb gewonnene Rolle als Staatsmann abstreift - und den Kampf um die Bundestagswahl mit ungewohnter Härte und eineindeutigen Aussagen eröffnet. So geschehen am Sonnabend, als die Sachsen-Union in Dresden ihre Landesliste für die Bundestagswahl aufgestellt hat. Just an jenem Tag, als vor 27 Jahren die ersten freien Wahlen zur DDR-Volkskammer stattgefunden hatten.

 

„Das wird mit Sicherheit eine Richtungswahl. Wir wollen einen starken sächsischen Beitrag leisten, damit Deutschland keine linke Republik wird. Es geht um die Bürger, um unser Vaterland“, rief Tillich bei seiner Rede in den Saal und warnte im nächsten Atemzug vor den Sozialdemokraten, die das Land nur schlechtreden würden. „Wir brauchen keine Miesmacher“, rüstete der Unions- und Landeschef verbal zum Frontalangriff auf, um sich sofort auch den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz vorzuknöpfen: „Wer schon als ehrenamtlicher Bürgermeister überfordert war, dem sollten wir unser erfolgreiches Vaterland nicht anvertrauen.“

 

Tillich hat sich wohl selten zuvor derart in Rage geredet, selbst wenn er äußerlich gelöst erschien. Das zeigt wohl nur zu deutlich, wie ernst die CDU die aktuelle Rollenverteilung vor der Bundestagswahl am 24. September einschätzt. In vielen Umfragen haben die mit der Marke „Soziale Gerechtigkeit“ und Martin Schulz punktenden Sozialdemokraten die Union seit kurzem hinter sich gelassen. Im Freistaat sind die Christdemokraten zwar noch unangefochten die Nummer 1, doch der Abstand zu den auf den Rängen folgenden AfD, Linken, SPD und Grünen wird geringer. 

 

„Schluss mit der Verzagtheit!“


Die CDU, seit 1990 Regierungspartei in Sachsen, muss in diesem Jahr zum ersten Mal seit langem tatsächlich wieder kämpfen. Die Ansage von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere in seiner Bewerbungsrede auf dem Parteitag lässt deshalb keine zwei Interpretationen zu: „Schluss mit der Verzagtheit! Wir haben in unserer Gesellschaft, in unserer Partei, über 10, 20 Jahre das Streiten verlernt.“

 

Damit reagiert er auch auf das immer deutlicher zu vernehmende Grummeln an der Basis, die sich einerseits nicht nur häufiger mit Wutbürgern konfrontiert sieht und der neuen AfD mehr oder weniger ratlos gegenübersteht, sondern auch den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zunehmend in Frage stellt. „Jetzt ist aber nicht die Zeit, in der man streitet. Ab heute müssen wir gemeinsam in den Wahlkampf ziehen“, appelliert de Maiziere an die 184 Delegierten. Dabei überrascht auch die neue Rollenverteilung: Während Tillich den Frontalangriff übernimmt und den Lagerwahlkämpfer gibt, ist es am Innenminister, die Partei zu versöhnen und zu einen. Das lässt erahnen, was in den nächsten sechs Monaten von der Sachsen-Union zu erwarten sein wird - um Angela Merkel trotz aller Vorbehalte wieder ins Kanzleramt zu befördern. 

 

Keine Chance für Kudla


Dabei wird erstmals seit acht Jahren die Leipzigerin Bettina Kudla, ehemals Leipziger Finanzbürgermeisterin, fehlen. Auch wenn es auf dem Parteitag ein letztes Aufbäumen der umstrittenen Bundestagsabgeordneten gab. Bettina Kudla kandidierte für die Landesliste in Abwesenheit - und nicht vom Landesvorstand unterstützt, wie Generalsekretär Michael Kretschmer ausdrücklich klarstellte - , nachdem sie bereits in ihrem Wahlkreis als Direktkandidatin durchgefallen war. Der CDA-Sozialausschussvorsitzende des Erzgebirges, Horst Dippel, wollte die Leipzigerin gar auf Platz 3 hieven, um Katharina Landgraf (Landkreis Leipzig) zu verhindern. Doch die Delegierten gaben Bettina Kudla keine Chance mehr, sie hat jeglichen Kredit verspielt: Magere 8,2 Prozent schaffte die Leipzigerin im Duell mit Katharina Landgraf (91,8). Es sollte die einzige Kampfkandidatur des Parteitages bleiben.

 

Stattdessen Kudla wurde deren ehemalige Büroleiterin Christiane Schenderlein, die im vergangenen Jahr im Zuge der verbalen Ausfälle ihrer Chefin gekündigt hatte, mit satten 87,7 Prozent auf Listenplatz 12 gesetzt, der zumindest nicht aussichtslos erscheint. Das beste Wahlergebnis erreichte - wie nicht anders zu erwarten war - de Maiziere, der mit 98,3 Prozent der Delegiertenstimmen für Platz 1 der sächsischen Landesliste zur Bundestagswahl aufgestellt wurde. Dahinter folgen die Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz (94,2 Prozent, Dresden), Katharina Landgraf, Yvonne Magwas (89,3 Prozent, Vogtland), Carsten Körber (90,7 Prozent, Zwickau) und auf Platz sechs Thomas Feist (93,1 Prozent, Leipzig) - alles bekannte Gesichter. Der erste Neuling folgt mit Markus Reichel, dem Chef der sächsischen CDU-Mittelstandsvereinigung aus Dresden (84,9 Prozent).

 

Einen überraschend hohen Wert konnte Roland Ermer, Sachsens Handwerkerpräsident und Bäckermeister aus Bautzen, verbuchen: Mit 95,4 Prozent schaffte er das zweitbeste Ergebnis hinter de Maiziere. Ermer wird auch als Direktkandidat antreten, ist deshalb nicht zwangsläufig auf Listenplatz 14 angewiesen. Das schlechteste Votum bekam Veronika Bellmann (Mittelsachsen), die mit 78,4 Prozent und Platz 7 ausgestattet wurde. Die nicht unumstrittene 56-Jährige hatte in ihrer Bewerbungsrede ihre Richtung vorgegeben: „Unsere Wurzeln sind nicht islamisch und auch nicht multikulti, sondern im christlich-jüdischen Abendland.“ Das müssten auch die „sozialpopulistischen Spezialdemokraten“, mit denen in Berlin noch regiert werde, verstehen, wetterte Veronika Bellmann.

 

Auch diese Aussagen zeigen, neben denen Tillich und de Maiziere, in welche Richtung und mit welcher Härte dieser Bundestagswahlkampf wahrscheinlich auch in Sachsen geführt werden wird. So warnte der Innenminister, der selbst im Landkreis Meißen antreten wird, vor der Linken Sahra Wagenknecht als neuer Finanzministerin, die bei einem rot-rot-grünen Wahlsieg drohen würde, und warf SPD sowie Grünen „Politik für Minderheiten“ vor. Für die CDU gab de Maiziere als Maxime aus: „Unser Bemühen muss den Normalos gelten, und nicht den Minderheiten.“

Von Andreas Debski