Von Frank Döring
Vor einem ihrer größten Einsätze der jüngeren Geschichte hat sich die Leipziger Polizei mit einem bemerkenswerten Statement an die Öffentlichkeit gewandt. Erneut drohe die Gefahr, dass „Polizeibeamte, also junge Frauen und Männer, die sich am Morgen als Mütter und Väter in vielen Fällen mit einem Kuss von ihren Kindern und Angehörigen verabschiedet haben, dem Bewurf hunderter Pflastersteine ausgesetzt und entmenschlicht werden“, heißt es in der auf diversen Online-Kanälen verbreiteten Erklärung.
Allein dies zeigt, auf welches Szenario sich Stadt und Polizei einstellen, wenn sich an diesem Sonnabend die im Neonazi-Spektrum angesiedelte Partei „Die Rechte“ sowie etliche linke Gruppierungen im Leipziger Süden auf der Straße gegenüberstehen. „Obwohl es sich um klar umrissene Grundrechte handelt, ist die Polizei einmal mehr in der misslichen Lage, der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit zweier konträrer Lager gleichzeitig zur praktischen Geltung verhelfen zu müssen und dabei friedliche Zustände abzusichern“, erklärte Polizeisprecher Andreas Loepki. Erschwerend komme hinzu, „dass Rechtsextreme nicht zufällig durch zwei eher linksalternativ geprägte Stadtviertel ziehen wollen und sich kaum Mühe geben, ihre provozierende Absicht zu verschleiern“.
Ziel sei es eindeutig, „Gewalt von linker Seite auszulösen, um hernach – selbst eben nicht minder gewaltbereit – behaupten zu können, das eigentliche Problem unserer Gesellschaft wäre auf linker Seite zu verorten“, so der Behördensprecher. „Und leider werden Linksextreme, abseits des legitimen und friedlichen Gegenprotests, diese Provokation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur zu gern zum Anlass nehmen, um ihrer eigenen und primitiven Gewaltaffinität das Deckmäntelchen des politischen Kampfes überzuziehen.“
Eine ähnlich fatale Konstellation wie am 12. Dezember 2015, als Linksautonome bei Ausschreitungen massiv Polizeibeamte attackiert und in der Südvorstadt erheblichen Schaden angerichtet hatten. Und wie damals kursieren auch dieses Mal bereits diverse Gewaltankündigungen aus beiden Lagern, bestätigte Loepki. Bereits jetzt sei ersichtlich, „dass auch die Polizei – mindestens für das linksextremistische Lager – ein angriffswertes Ziel darstellt“.
Von den friedlichen Neonazi-Gegnern erwartet die Polizei eine „umgehende räumliche Distanzierung“ zu den Gewalttätern. „Es kann nicht angehen, dass steinewerfende Chaoten inmitten des vermeintlich friedlichen Protests agieren können und dort Schutz durch Masse erfahren“, stellte Loepki klar. „Wer eine Solidarisierung mit Landfriedensbruch für gerechtfertigt hält oder seine nackte Schaulust befriedigen will, soll dann bitte später nicht darüber klagen, wenn er seitens der Polizei in der Anwendung unmittelbaren Zwangs betroffen wurde. Wo Steine fliegen, Vermummte Barrikaden bauen und Mülltonnen anzünden, kann es keinen friedlichen Protest an gleicher Stelle geben. Wer also mit dem Feuer oder in dessen unmittelbarer Nähe spielen muss, kann sich eben auch mal die Finger verbrennen. Er sollte dann aber nicht jammern.“
Loepki mahnte auch die Verantwortung der Versammlungsleiter des Gegenprotests an. Ohne Namen zu nennen, sagte er: „Ich sehe diesen Personenkreis, der sich völlig zu Recht gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Menschenverachtung und Gewalt positioniert, eben auch in der Pflicht, sich gegen jeglichen Extremismus auszusprechen – und zwar aktiv. Wo bleiben jetzt mäßigende Worte, Aufforderungen zu Gewaltlosigkeit und Distanzierungserklärungen? Es ist nicht akzeptabel, Linksextremisten und ihre Gewalt direkt oder indirekt zu hofieren.“
So thematisiert die Initiative „Leipzig nimmt Platz“ – voriges Jahr mit dem Gustav-Heinemann-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet – im Rückblick auf die linksextremen Krawalle am 12. Dezember 2015 ausschließlich „die Repressionen seitens Ordnungsamt und Polizei“. Bei der Demo des Bündnisses am Sonnabend sind alle Leipziger dazu aufgerufen, „sich gemeinsam gegen das systematische Versagen der sächsischen Behörden zu positionieren“.
Seit Jahren sei Leipzig ein Schwerpunkt des Linksextremismus, so die Polizei. „Jeder weiß es, aber es erfolgen keine spürbaren Schritte gegen diese Zustände.“ Insofern könne man darauf verzichten, wenn sich nach schwersten Ausschreitungen „die üblichen Verdächtigen völlig erschrocken zu Wort melden und uns ihre volle Unterstützung zusichern“, so Loepki. „Wenn die volle Unterstützung nach drei Tagen in Vergessen mündet und man den öffentlichen Diskurs mit Meinungsführern scheut, dann werden wieder und wieder Angriffe auf Beamte erfolgen.“
Wie viele Beamte am 18. März im Einsatz sind, verschweigt die Polizei „aus einsatztaktischen Gründen“. Allerdings soll selbst die Minimalanforderung an benötigten Einsatzkräften aus Sachsen und anderen Bundesländern bisherige Dimensionen in den Schatten stellen – vergleichbar mit der bisherigen Rekordzahl von 5100 Beamten bei Legida am 21. Januar 2015.
Das komplette Statement im Wortlaut: polizei.sachsen.de
Wo Steine fliegen, kann es keinen friedlichen Protest an gleicher Stelle geben.
Andreas Loepki Polizeisprecher