Im Rahmen der internationalen Freiraumaktionstage vom 11. - 12. April
2008 fanden auch in Heidelberg und
Mannheim diverse Aktionen statt. Über Demos ([1], [2]),
Straßenfeste, Picknicks und Radioballette wurde konsequent versucht die
Idee von Freiräumen in die Öffentlichkeit zu tragen. Doch boten die
Aktionstage auch Raum zum Austausch zwischen Einzelpersonen und Gruppen.
Nach
einem Treffen letzten Jahres im Freiraum Les Tanneries in Dijon, Frankreich
wurde mit der Zeit ein Aufruf erarbeitet, womit die Aktionstage langsam
Gestalt annahmen. Durch die Aktionstage selbst sollten die Aktionen in
einen gemeinsamen Rahmen gestellt und sichtbar gemacht sowie eine
weitere Vernetzung der Hausbesetzer_innen Bewegung und der existierenden
Freiräume vorangetrieben werden.
Hintergründe:
Mobilisierungsseite | Hintergründe zu den
Aktionstagen | Feature auf
indy.org (in deutsch)
Auf der Endkundgebung in der Heidelberger Altstadt
Wir sind überall! Selbstverwaltete Freiräume aufbauen und
verteidigen! - Demo in Heidelberg
Ab 17 Uhr versammelten
sich etwa 150 gut gelaunte Aktivist_innen auf dem Neuenheimer
Marktplatz, um zum Auftakt der Freiraumaktionstage mit einer
Demonstration durch Heidelberg ihrem Wunsch eines Autonomen Zentrums, auch in Heidelberg,
Nachdruck zu verleihen. Noch auf dem Marktplatz wurde in Redebeiträgen
über das JUZ Mannheim
informiert und auf die Situation in Heidelberg aufmerksam gemacht. Die
Demonstration lief mit etwas Verspätung über die Neckarbrücke Richtung
Bismarckplatz los. Auch vier Clowns begleiteten bei Dauerregen die
Demonstration um ein bisschen Farbe in den Schwarzen Block zu bringen.
Auf
dem Bismarckplatz wurden weitere Redebeiträge gehalten, die thematisch
die Freiraumaktionstage aufgriffen. Nach der Zwischenkundgebung bog die
Demonstration in die Hauptstraße ein. Die Polizei, die an diesem Tag mit
wenigen Einsatzkräften vor Ort war, begann in der Hauptstraße ein
Spalier zu bilden. Nach Protesten zogen sich die Polizist_innen aber
wieder zurück und die Demo konnte lautstark und mit guter Außenwirkung
Richtung Rathaus weiterziehen. Sie endete schließlich am Rathausplatz
und die mittlerweile durchnässten Aktivist_innen durften sich über eine
Vokü im (viel zu kleinen) Café
Gegendruck freuen.
Critical Mass Fahrraddemo
Erobern wir uns die Straße zurück! - Critical Mass
Fahrraddemo in Mannheim
Genau 26 Radfahrer und
Radfahrerinnen trafen sich am 12.4.08 in Mannheim am Wasserturm um
gemeinsam in einer Critical Mass Fahrraddemo zum Straßenfest am
Hafen zu fahren. Kurz vor 14.00 Uhr trafen die ersten Teilnehmer_innen
der Critical Mass am Wasserturm ein. Bei strahlendem Sonnenschein gegen
14.30 Uhr setzte sich die Menge guter Laune in Bewegung. Unter dem Motto
„Erobern wir uns die Straße zurück“ versuchten sich die
Teilnehmer_innen einen mobilen Freiraum zu schaffen; daneben wurde
sinnbildhaft den Autofahrenden ökologische Fortbewegung im Stadtverkehr
aufgezeigt.
Gemeinsames Ziel war das Straßenfest im Jungbusch und so
führte die Route in Begleitung von zwei Motorradpolizisten über den Ring
Richtung Neckarstadt, dann zur alten Feuerwache und schließlich wieder
über den Neckar Richtung Jungbusch. Eine Teilnehmerin resümierte: "Mit
unseren Klingeln machten wir auf der gesamten Strecke auf uns aufmerksam
und bekamen hin und wieder ein Lächeln oder freudige Zurufe geschenkt."
Auf dem Straßenfest
Lautstark für mehr Freiräme
- Straßenfest in Mannheim
Am Samstag den 12. April fand in
Mannheim, Jungbusch Hafen ein Straßenfest im Rahmen der Internationalen
Freiraumaktionstage 2008 statt. Der Ort wurde, laut einem Teilnehmer,
gewählt da: „Der Stadtteil Jungbusch exemplarisch für die Verdrängung
von Menschen aus sozial schwachen Milieus in Randgebiete steht und sich
gegenüber von diesem Platz das Linke Ufer befindet.
“Das
Linke Ufer bezeichnet ein Haus welches zur Jahreswende 2003/04 von
Aktivist_innen besetzt
wurde.
Etwa 200 Besucher_innen fanden sich beim Straßenfest ein.
Um den politischen Inhalt des Festes zu vermitteln wurden unter anderem
zwei Transparente mit den Aufschriften "Freiräume überALL" und "Auf zu
linken Ufern - Für eine herrschaftsfreie Gesellschaft" aufgehängt.
Flugblätter wurden nicht verteilt. Etwa eine Stunde nach Ankunft der
Critical Mass begann die Samba Band zu spielen und nach ihnen sorgten Rebelvoice
Soundsystem aufgelegt. Das Straßenfest endete, Aufgrund stättischer
Auflagen, schon gegen 19 Uhr.
Die Vielfalt des Straßenfestes
erstreckte sich über eine Anzahl von Workshops, wie Kletter- oder
Fahrradworkshops, zu Live-Musik bis hin zu Infoständen vom Arbeitskreis Antifaschismus
Mannheim und der Antifaschistischen
Initiative Heidelberg, der Anarchistischen
Gruppe Mannheim, des Infoladens Juz Mannheim, der Sambatistas sowie
des Bündnis'
gegen Abschiebungen Mannheim. Die Arbeitsgruppe Utopisch
Fortschrittlich Organisiert sowie der Arbeiter Sport Verein sorgten für
Essen und Getränke über die Dauer des Straßenfestes. Zusätzlich gab es
noch einen Umsonstflohmarkt.
Alle Aktionen in Mannheim und
Heidelberg, am 11. und 12. April, wurden von der Polizei überwacht und
begleitet, so wie dieses Straßenfest. Die Polizei war mit einem geringem
sichtbaren Aufgebot von zwei Beamten sowie dem Chef des Staatsschutzes
und dem nicht sichtbaren Fuhrpark von mehr als acht Kastenwägn
vertreten.
Verdrängung mit poppigen Klängen - Exkurs
zum Jungbusch Mannheim
Mannheim Jungbusch, ein Stadtviertel
das unter der Mannheimer Bevölkerung bekannt ist. Bei den einen als
"gefährliches Viertel" bei den anderen als ein Ort der einfach "in" ist.
Nur wie sieht die Realität fernab dieser Bilder aus?
Das
Stadtviertel Jungbusch erfährt nun schon seit längerem von Stadt und
Vermieter_innen eine konsequente "Aufwertung", durch Gebäude wie
beispielsweise die Popakademie, die Ergänzung des Hafens durch Sitzbänke
oder die weitläufige Sanierung vieler Wohnblöcke. Im Zuge dieser
Aufwertung steigen auch die Mietpreise in dem Viertel um ein vielfaches,
was letztlich zu der Verdrängung vieler ansässiger Anwohner_innen
führt. Vor allem Menschen aus sozial schlechter gestellten Schichten
sind durch die Aufwertungsmaßnahmen im Jungbusch betroffen. Die
Aufwertung und die damit einhergehende Verdrängung läutet wiederrum
weitere soziale Probematiken ein; so verlagert sich das Problem u.a.
einfach in andere Stadtteile.
Picknick auf dem Bismarckplatz
Mit Brötchen und
Ballett - Sonntagspicknick und Radioballett in der Innenstadt
Heidelbergs
Etwa 30 Aktivist_innen folgten dem Aufruf der Autonomen Kulturzentren Aktion und trafen
sich am Sonntag um auf dem Bismarckplatz in Heidelberg ein Picknick
abzuhalten und anschließend ein Radioballet, über das Freie Radio BermudaFunk
in den Straßen Heidelbergs aufzuführen. "Durch dieses Picknick schaffe
ich mir einen Freiraum, zwar nur für eine kurze Zeit, jedoch dient er
als Ausgangspunkt für weitere Aktionen und Denkweisen", so ein
Teilnehmer zu der Picknickaktion. Bei strahlender Sonne saßen Menschen
beisammen und lachten, aßen und engagierten sich für einen neuen
Freiraum. Kurz darauf ging es los zum Radioballett.
Ein Radioballett
beschreibt eine Aktionsform bei der die Teilnehmer_innen, die in einem
bestimmten Bereich verstreut sind, über ein Radio eine Mitteilung
bekommen - wie: Bete die Waren im Schaufenster an - was sie gerade tun
können. Die Idee liegt vor allem darin subversiv Inhalte in der
Öffentlichkeit zu streuen und den habituierten Alltagstrott
aufzubrechen. Passend zum Thema Freiräume wurden Leute in der
Hauptstraße nach dem nächsten "Besetzten Haus" gefragt oder
beispielsweise Freiräume mit Kreide auf den Boden gezeichnet.
Nachlass des Radioballetts
Anhang: Freiräume in
der Region
Das Jugendzentrum 'Friedrich Dürr' in
Selbstverwaltung in Mannheim:
Das Jugendzentrum 'Friedrich Dürr'
in Selbstverwaltung in der Neckarstadt, Mannheim, ist Mitte der 70er
Jahre als kultureller Freiraum für Jugendliche und Erwachsene
entstanden, die hier Raum für "Partizipation, Vielfalt, Kommunikation
und Kreativität auf der Grundlage antifaschistischer, antirassistischer
und antisexistischer Werte" finden. Das JUZ bildet, wie viele andere
Freiräume mit einem emanzipatorischen Anspruch, einen Gegenpol zu einer
sich verschärfenden Verwertungslogik als auch den Versuch einen Raum zu
schaffen jener zu entgleiten. Mittlerweile existiert es seit gut 35
Jahren und immernoch steht das Prinzip der Mitbestimmung durch jeden/r,
der/die sich ehrenamtlich engagieren möchte, im Mittelpunkt.
Das
Programm beeinhaltet Vorträge zu politischen und sozialen Themen, sowohl
aktuell als auch historisch, Freiraum-Cafes und Konzerte.
Es wurde
am 1. Mai 1973 in 04,8 den Quadraten Mannheims eröffnet, als Reaktion
auf die Schließung des "Club Domicil" in Mannheim. Nach etwa 20 Jahren
wurde das Gebäude an einen Textilhändler verkauft, seit dem steht das
JUZ an seinem heutigen Platz. Gegenwärtig sieht es sich, wie viele
selbstverwaltete Strukturen aber auch öffentliche Räume generell, einer
prekären Finanzlage ausgesetzt.
Das Linke Ufer in Mannheim:
Am
25.12.2003 wurde von einer Gruppe das ehemalige Gebäude der
selbstverwalteten Umzugsfirma ASH im Jungbusch/ Verbindungskanal linkes
Ufer besetzt. Durch diese Aktion soll auf die Wohnsituation im
Stadtviertel aufmerksam gemacht werden, denn durch Luxussanierung,
Popakademie und Musikpark werden vor allem Menschen aus
"sozial-schwachen" Verhältnissen vertrieben und ausgegrenzt. Am 27.12.
wurde abends eine Party veranstaltet. Daraufhin fühlte sich die Polizei
befleißigt, das Gelände zu umstellen. Es folgten Solidaritätsbekundungen
in Form von Demonstrationen und Kundgebungen im Stadtviertel. Am 30.12.
wurde frühmorgens schließlich geräumt und das Gebäude unbrauchbar
gemacht.
Das Cafe
Gegendruck in Heidelberg:
Das Cafe entstand der
Notwendigkeit halber nach der Räumung des Autonomen Zentrums (AZ) in
Heidelberg. Es steht in der Tradition des AZ und ist somit "ein
unkommerzieller Treffpunkt, in dem ein unabhängiger politischer und
kultureller Austausch ermöglicht werden soll". Es beherbergt einen
Infoladen, bietet Gruppen und Initiativen Raum sich zu treffen und
veranstaltet regelmäßig Parties, Infoveranstaltungen, Filmabende und
Lesekreise.
Das Gegendruck befindet sich in der Altstadt Heidelberg.
Die
Casa Loca in Heidelberg:
Casa Loca ist der Name eines im
Zeitraum vom 29. bis 31.01.2004 besetzten Gebäudes im
Schloss-Wolfsbrunnenweg 3 (nähe Schloss). Bei dem besetzten Objekt
handelte es sich um ein seit mehreren Jahren leerstehendes und im Besitz
des Landes Baden-Württemberg befindliches Gebäude. Dieses diente
zuletzt als internationales Studierendenzentrum und verfällt seither
zusehends. Am 30.01. war die Casa Loca mit einer großen Party (ca. 150
Menschen) eröffnet worden. Sie stellte ein selbstverwaltetes soziales
Zentrum dar, das politischen Anspruch mit unkommerzieller Kultur zu
verbinden suchte. Hier sollten Freiräume geschaffen werden in denen
Toleranz und Selbstbestimmung jenseits von den Zwängen der
Mehrheitsgesellschaft gelebt werden können.
Die Casa Loca sollte
Platz für verschiedene Gruppen und Projekte zur Verfügung stellen. Unter
anderem für politisch und sozial engagierte Gruppen, Musik
(Bandproberäume, Konzerte, ...), eine Medienwerkstatt und Umsonstladen,
einem Infoladen, für jedeN erschwingliches Essen (Vokü), einer
Unterstützungsstelle für MigrantInnen (z.B. Deutschunterricht,
Rechtsberatung) sowie Sportgruppen, ein Cafe (als Treff- und
Austauschpunkt) und Wohnraum.
Am 31.01.2004 wurde die Casa Loca durch
ein Sonderkommando der Polizei geräumt. Die 14 sich im Haus befindenden
Personen wurden festgenommen. Mehrere Personen erhielten in der Folge
Strafbefehle mit Geldstrafen in Höhe von bis zu 926 Euro. Die
Forderungen nach einem selbstverwalteten sozialen Zentrums in Heidelberg
sind seit dieser Besetzung nicht verebbt. Der Versuch einer offiziellen
Bewerbung um das Haus im Schloss-Wolfsbrunnernweg 3 wurde jedoch sofort
abgeblockt.
Die Ex Steffi
in Karlsruhe:
Diesen Namen trug das einzige Autonome Zentrum in
Karlsruhe das 2006 geräumt werde. Die Geschichte begann, wie so oft,
mit einer Hausbesetzung in der Stephanienstraße, daher rührt auch der
Name "Steffi". Ihren letztendlichen Ort, bis ins Jahr 2006, erhielt die
Ex Steffi aufgrund eines Kompromisses zwischen Stadt und den
Besetzter_innen, sie bekamen die alte Kantine der Deutschen Bahn in der
Schwarzwaldstraße 79. Von der Struktur war die Ex Steffi ein
unkommerzieller, selbstverwalteter Raum in dem Bands und linke
politische Gruppen arbeiteten. Vielen wird die Ex Steffi bekannt sein
durch ihre Partys und Konzerte sowie durch das unkommerzielle Leben.
2003
bekamen die Bewohner dann per Post die Räumungsklage seitens der Stadt
zugestellt, hier kam wieder ein Kompromiss zustande der besagt, dass die
Ex Steffi bis zum 31 Januar 2006 geräumt werden sollte. Die Bewohner
beschlossen daraufhin ihr Zentrum zu verteidigen. Am 6. April 2006 wurde
das Gebäude mit Hilfe des Sondereinsatz Kommandos geräumt. Die
Bewohner_innen leisteten, laut Presse, keinen gewaltsamen Widerstand.
Sie wurden alle angezeigt und rechtskräftig verurteilt. Parallelen sind
in der Geschichte des JUZ Mannheim, des AZ Heidelberg und der Ex Steffi
zu sehen. Alle drei Zentren lagen mitten in der Stadt und wurden von
dort vertrieben. Von diesen drei Zentren existiert momentan nur noch das
JUZ Mannheim.
Momentan probiert die "Initiative Kussmaulstraße" ein neues Gebäude zu finden.
Weitere
Artikel des Autonomen Medienkollektivs Rhein-Neckar:
- 27. Februar 2008 - Pforzheim: Zwischen Repression und Opfermythos
- 13. Februar 2008 - Freiraumtage: Vernetzung in Mannheim
Kontakt: amk_rn [ät] riseup dot net