AfD-Landeschef dementiert Aussagen zum Zweiten Weltkrieg / »Wall Street Journal« veröffentlicht Transkript des Interviews
Ob sich Björn Höcke nicht an das Tonbandgerät des Reporters erinnern konnte? Anders ist es nur schwer zu erklären, warum der Thüringer AfD-Vorsitzende abstreitet, gegenüber einem Journalisten des US-amerikanischen »Wall Street Journal« (WSJ) krude Aussagen zu Adolf Hitler und dem Zweiten Weltkrieg geäußert zu haben. Wörtlich hatte Höcke gegenüber Anton Troianowski laut WSJ erklärt:
»You know, the big problem is that one presents Hitler as absolutely evil. But of course we know that there is no black and no white in history. And that there are many shades of gray.«
Übersetzt lautet die Passage des Interviews: »Wissen Sie, das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt. Wir wissen aber natürlich, dass es in der Geschichte kein Schwarz und kein Weiß gibt. Und das es viele Grautöne gibt.«
Nachdem die Äußerung für mediales Aufsehen gesorgt hatte, entschied sich Höcke, in die Offensive zu gehen. Gegenüber der Rechtspostille »Junge Freiheit« dementierte der AfDler, die Aussage so getätigt zu haben. »Das habe ich so nicht gesagt. Das ist nicht meine Meinung«, wird Höcke zitiert. Blöd nur: Von dem Gespräch existiert ein Transkript.
Eben dieses hat Troianowski nun in einem weiteren Artikel veröffentlicht. Darin sind genau jene Worte zu lesen, die Höcke erklärte, angeblich nicht in dem Mund genommen zu haben. Troianovski fragte sogar zwei Mal nach, ob er den AfD-Politiker richtig verstanden habe und was es denn möglicherweise postives zu Hitler zu sagen gäbe. Statt seine Aussage zurückzuziehen, verstrickte sich Höcke in Allgmeinplätze, dass auch der schlimmste Verbrecher »vielleicht irgendetwas Gutes, irgendetwas Liebenswertes« in sich habe.
Das Gespräch endete mit einer Nachfrage Troianovskis:
WSJ: Ich will sicher sein, dass ich das richtig verstehe. Wenn Sie von den Grautönen von Hitler sprechen, was ist da das Gute?
Höcke: Ich habe jetzt nicht gesagt, dass es etwas Gutes gibt, aber es ist ausgeschlossen—rein von der Logik her, also rein philosophisch gesehen ist es ausgeschlossen—dass ein Mensch nur dunkel ist.
Das WSJ ließ nicht locker, hakte sogar am Dienstag bei Höcke noch einmal nach. Der ließ allerdings in einer schriftlichen Mitteilung nur erklären, die Zitate seien »aus einem komplexen Zusammenhang gerissen worden«. Ein Sprecher des AfD-Landesverbandes in Thüringen sagte der dpa am Mittwoch, er gehe davon aus, dass Höcke damit die Wahrheit gesagt habe.
Um seinen Parteifreund zu verteidigen, fährt nun auch AfD-Vize Alexander Gauland eine ähnliche Strategie. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte er, Höcke habe eigentlich gemeint, »dass wenn man Hitler als absolut böse ansieht, nimmt man ihn aus der Geschichte raus. Dann ist er eine Figur der Hölle, die wir historisch nicht mehr betrachten können.« Gauland könne in der Aussage keine Verharmlosung Hitlers erkennen. Durch den Begriff »absolut böse« werde stattdessen ausgeklammert, dass Hitler durch Wahlen an die Macht gekommen sei.
Interessant ist zudem der Kontext, in dem das Interview stattfand. Laut Angaben Troianovskis habe er das Gespräch mit Höcke am 18. Januar im Dresdener Ballhaus Watzke geführt. An jenem Ort also, wo der AfD-Politiker am gleichen Tag eine massiv umstrittene Rede gehalten hatte, in der er das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas ohne wörtliche Nennung als »Denkmal der Schande« bezeichnete.
Wörtliche hatte Höcke in seiner Dresdner Rede erklärt:
»Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.«
Diese und andere Äußerungen führten schließlich zu der Entscheidung des AfD-Bundesvorstand, ein Ausschlussverfahren gehen Höcke einzuleiten. Laut eines »Bild«-Berichts soll es in der Parteispitze nun Überlegungen geben, Höcke bereits vor Abschluss des Ausschlussverfahrens seine Parteirechte zu entziehen. Nötig dafür wäre ein Zweidrittelmehrheit. Käme diese zustande, könnte Höcke seinen Posten als Thüringer Landesvorsitzender verlieren. Pikant: Wie am Mittwoch bekannt wurde, ist das Verfahren auch drei Wochen nach Beschluss offenbar noch nicht in die Wege geleitet worden. Ein formeller Antrag an das Thüringer Schiedsgericht der AfD liege seines Wissens nach noch nicht vor, sagte AfD-Sprecher Torben Braga am Mittwoch in Erfurt auf dpa-Anfrage. Er gehe davon aus, dass der Bundesvorstand für den Antrag einen Anwalt oder eine Kanzlei eingeschaltet habe.
Interessant ist auch: In der neuerlichen Debatte spielen bisher allein Höckes Aussagen eine größere Rolle. Dabei hatte das »Wall Strett Journal« auch heikle Äußerungen der AfD-Parteivorsitzenden Frauke Petry zitiert, die in in einer Rede vergangenes Jahr gefallen waren. So hatte Petry erklärt, dass man »in einigen Jahrzehnten etwas differenzierter argumentieren wird über den Zweiten Weltkrieg, ähnlich wie beim Ersten Weltkrieg nicht nur aus Sicht der Sieger«. mit Agenturen