Im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf ist ein Stadtrat der Rechtsaußenpartei für Bürgerdienste und Wohnen zuständig
Thomas Braun ist in Marzahn-Hellersdorf verantwortlicher Stadtrat für die Bereiche Bürgerdienste und Wohnen. Zu den Aufgaben des 60-jährigen AfD-Mannes gehört es, Wohnberechtigungsscheine (WBS) an Menschen mit geringem Einkommen auszustellen. Damit haben diese Zugang zu einer geförderten Wohnung mit niedrigem Mietpreis. Für viele Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, ist er die einzige Chance, auf dem überlaufenen Berliner Mietmarkt überhaupt eine Wohnung zu bekommen.
Dazu gehören auch anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge mit einem sogenannten subsidiären Schutz. Diese erhalten im Bezirk jedoch keinen WBS. Das sagt Klaus-Jürgen Dahler, Bezirksverordneter der LINKEN im Bezirk und hauptberuflicher Flüchtlingsberater. »Den betroffenen Flüchtlingen wird in Marzahn-Hellersdorf nicht einmal ihr Antrag auf einen WBS abgenommen, so dass sie sich auch juristisch nicht gegen die Verweigerung wehren können.« Mehreren Asylberechtigten, denen Dahler eine Wohnung vermittelt hat, sei diese damit durch die Lappen gegangen, sagt er.
Die Verweigerung habe zwei Gründe: Erstens erhalten Asylberechtigte erst Monate nach der Asylanerkennung die elektronische Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde. »Während dieser Wartezeit werden ihnen keine Anträge auf einen WBS abgenommen.« Ein Sprecher der Innenverwaltung bestätigt »nd« eine aktuelle Wartezeit von rund 14 Wochen. Grund seien Engpässe in der Ausländerbehörde und der Bundesdruckerei. Dem »neuen deutschland« liegt allerdings ein Fall vor, bei dem die Wartezeit sogar 15 Monate beträgt. »Das ist leider kein Einzelfall«, erklärt Dahler. Stadtrat Braun äußerte sich auf Nachfrage des »nd« nicht eindeutig zum Sachverhalt. Die Senatskanzlei wies aber bereits Mitte Dezember in einem Rundschreiben an die Bezirke an, einen WBS auch dann zu erteilen, wenn noch keine elektronische Aufenthaltserlaubnis vorliege. Zweitens, so Dahler, bekommen Flüchtlinge mit einem subsidiären Schutzstatus in Marzahn-Hellersdorf überhaupt keinen WBS. Ein subsidiärer Schutzstatus ist ein geringer Schutzstatus, den aber immer mehr Syrer und Eritreer erhalten, wenn sie eine individuelle politische Verfolgung nicht nachweisen können.
In diesem Fall bestätigte Braun dem »nd« seine Verweigerungshaltung. Die Ausstellung eines WBS für Flüchtlinge mit subsidiären Schutzstatus sei »nicht gesetzeskonform«, behauptet er. Braun räumt ein, dass in den Bezirken hierzu unterschiedliche Auffassungen bestehen. »Die Leiterinnen und Leiter der Ämter für Bürgerdienste haben seit Dezember mehrfach« vom Senat eine verbindliche Grundlage eingefordert. Der Rat der Bürgermeister habe sich in seinen Sitzungen am 9. und 23. Februar mit dem Thema befasst.
Linkspolitiker Dahler widerspricht der Sichtweise Brauns. »Herr Braun stellt sich bewusst dumm, weil er Flüchtlingen den WBS verweigern will«, behauptet er. »Meine Fraktion wird im März beantragen, dass er den betroffenen Flüchtlingen einen WBS geben muss.« Die grüne Flüchtlingspolitikerin und Juristin Canan Bayram sagt: »Es ist rechtens, Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz einen WBS zu geben. Es ist aber auch rechtens, das nicht zu tun. Das liegt im Ermessen des Amtes.« Die Bundesländer gingen hier unterschiedlich vor. Der rot-rot-grüne Berliner Senat hätte allerdings im Koalitionsvertrag vereinbart, dass diese Flüchtlinge einen WBS bekommen sollen. Bayram: »Bausenatorin Katrin Lompscher muss jetzt den Willen der Koalitionäre rechtsverbindlich an die Bezirke weitergeben.« Das steht auch ganz oben auf der Prioritätenliste von Lompscher, wie ihre Sprecherin Katrin Dietl dem »nd« sagt. »Die Lösung des Problems ist Teil des 100-Tage-Programms des Berliner Senats. Die Abstimmung wird innerhalb der nächsten Wochen abgeschlossen sein.«
Derweil wettert die Marzahner AfD via Facebook gegen die LINKE. Indem sie anerkannten Flüchtlingen einen WBS geben will, stelle sie »einkommensschwache Menschen in Konflikt und Konkurrenz zu den Asylbewerbern und schafft sozialen Unfrieden. Es bleibt abzuwarten, wie die Wähler diesen Verrat der LINKEN an den einkommensschwachen Menschen bei den nächsten Wahlen quittieren werden.«