Der Jahrestag der Bombardierung Dresdens vor 72 Jahren gab wie in jedem Jahr wieder Anlass für allerlei Aktionen von rechts. Fiel zwar die sogenannte Aktionswoche im Vergleich zu früheren Jahren eher dürftig aus, fanden in diesem Jahr wieder einmal zwei Demonstrationen anlässlich des 13. Februar statt. Außerdem sahen sich ein paar mehr als die üblichen Akteure um NPD, JN und Gedenkmarschbündnis bemüßigt, das „wahre Gedenken“ in Dresden zu verteidigen. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die diesjährigen Aktivitäten von rechts rund um den 13. Februar in Dresden.
Aktionswoche
Die jährliche „Aktionswoche“ wird vom neonazistischen Gedenkmarschbündnis organisiert, hinter dem aktuell ein paar wenige Aktivisten aus JN und NPD stehen. Sie begann am Abend des 6. Februars mit einer Minikundgebung von einem Dutzend Nazis, die sich, ausgestattet mit Transparent und einigen roten Luftballons, auf dem Neumarkt versammelten. Dort hielt JN-Nachwuchskader Nico Koal eine Rede. Am nächsten Tag wiederholte sich das Spiel auf der Prager Straße: erneut versammelte sich ca. ein Dutzend Nazis, erneut sprach Nico Koal. Am 8. Februar war Koal zuerst am NPD-Infostand am Altmarkt anzutreffen. Dort verteilte er zusammen mit Jens Baur, Dietmar Grahl, Petra Müller und Nele Schier Infomaterial. Am späten Nachmittag folgte dann eine Minikundgebung mit ca. 20 Nazis an der Trümmerfrau vor dem Dresdner Rathaus. Und auch hier durfte der JNler neben Jens Baur sprechen. Mit diesen vier Aktionen fiel die Aktionswoche in diesem Jahr spärlich aus. Vom Niveau der Vorjahre waren die Nazis weit entfernt, sowohl hinsichtlich Beteiligung als auch Ausgestaltung: Kundgebungen und Infotische sind schnell gemacht, während die „Die-Ins“ und Kerzenaktionen auf der Elbe in den Vorjahren mehr Vorbereitungsaufwand bedeuteten.
Die sogenannten „Freien Aktivisten“ a.k.a. André Mühl und Umfeld, verteilten noch ein paar Holzkreuze und Grabkerzen in der Stadt und posteten Bilder dieser „Aktionen“ bei Facebook und Twitter. In die Dokumentation der Aktionswoche bei dresden-gedenken.info fanden sie keinen Eingang, ebensowenig wie die angebliche Übergabe eines Briefes an Oberbürgermeister Hilbert. Auffällig war auch, dass es nahezu keine wahrnehmbaren Aktionen außerhalb Dresdens gab, was auch im Gegensatz zu den Aktionswochen vergangener Jahre steht.
Am Abend des 13. Februar fanden sich zum Glockenläuten an der
Frauenkirche um 21:45 Uhr ca. 20 Nazis ein, darunter die Freie
Kameradschaft Dresden mit Christian Leister, Michael Huste, Rene
Förster, Dave Lubatsch und Maik Krautz.
Gedenkmarsch vs. Treuemarsch
Am diesjährigen 11. Februar organisierte die Naziszene erstmals seit 2011 wieder zwei Aufmärsche in „Gedenken“ an die Bombardierung Dresdens vor 72 Jahren. Den Beginn machte ab 14 Uhr der verurteilte Holocaust-Leugner Gerhard Ittner am Zwingerteich. In dessen Gefolge kamen weitere Akteure aus dem Antisemiten- und Verschwörungslager und gaben sich das Mikro in die Hand.
Im Vorfeld gab es rund um die Anmeldung interne Streitereien. Den Dresdner Nazis des Gedenkmarschbündnis war die Ittner-Demo ein Dorn im Auge. Sie warfen dem Bayer vor, seinen Aufmarsch ohne Absprache mit lokalen Strukturen organisieret zu haben und das Gedenken zu „instrumentalisieren“. Erfolgreich war ihr Einspruch bei einem Nazi-Onlineportal, das auf eine weitere Bewerbung der Ittner-Demo verzichtete und sich vom Organisator distanzierte. Mit einem Statement vom 12. Februar legten die Dresdner Nazis nochmal nach: »WAS WIR DAHER NICHT WOLLEN sind Bevormundungen ortsfremder Personenkreise, die ohne jedes Hintergrundwissen über die Zustände und stadtpolitischen Verflechtungen vor Ort, vor allem aber OHNE JEDE RÜCKSPRACHE ihre persönlichen Kämpfe auf dem Rücken der Dresdner Bombentoten meinen austragen zu müssen.« Der Ittner-Aufmarsch wurde folglich auch von den meisten Nazis aus der Region nicht besucht.
Im Vorfeld des 11. Februar war nur bedingt absehbar, was am Treffpunkt Zwingerteich tatsächlich passieren würde. 2015 hatte Ittner bereits eine Demonstration in Dresden angemeldet, war dann aber verhindert, da er wegen Holocaustleugnung eine Haftstrafe absitzen musste. Diesmal tauchten sowohl Ittner, als auch Demonstrantionswillige auf. Mit ca. 200 Teilnehmenden war die Veranstaltung besser besucht, als im Vorfeld angenommen. Neben den klassischen Holocoustleugnern und Verschwörungstheoretikern, die Ittner anzieht, bestand ein auffällig großer Teil der Demonstration aus dem Umfeld von PEGIDA.
Sicherlich zog es das PEGIDA-Klientel auch deshalb zu Ittner, da zu seiner Demonstration seit Jahresanfang mobilisiert wurde, während das Gedenkmarschbündnis erst am Aufmarschtag selbst den konkreten Treffpunkt öffentlich preis gab.
Auch wenn der Großteil des Publikums bereits jenseits der 60 zu sein
schien, waren auch vereinzelte Gruppen jüngerer Neonazis vor Ort, sowie
auch die beiden NPD-Funktionäre Dietmar Grahl und Herrmann Grunert.
Nachdem sich 14:00 Uhr getroffen wurde, setzte sich der Zug eine gute halbe Stunde später in Richtung „Haus der Presse“ in Bewegung, angeführt von Ittner, mit schwarz-weiß-roter Flagge in der Hand. Unterdessen blockierten 200 Personen die Marienbrücke. Aus diesem Grund konnte Ittner nicht seine geplante Strecke – immerhin ein Halbmarathon über die Bautzner Straße bis zur Sachsenallee – laufen, sondern wurde über den Landtag direkt wieder zum Zwingerteich zurückgeführt. Ittner reagierte verärgert, er legte den Rest des Weges laut schimpfend zurück.
Zurück am Ausgangspunkt begann das Redeprogramm, das sich bis in die Abendstunden hinziehen sollte. Ittner erklärte etwa: »Was Adolf Hitler dem deutschen Volk mit dem Nationalsozialismus an die Hand gegeben hat, es wäre ein Modell, heute, für die ganze Welt.« Der anwesenden Polizei war das zunächst lediglich eine mündliche Verwarnung, nicht etwa die Auflösung der Versammlung wert. Im Nachhinein gab sie dann bekannt, dass nun wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung gegen Gerd Ittner ermittelt werde.
Am Nachmittag fand sich dann das „Gedenkmarschbündnis“ um Maik Müller vor dem Hauptbahnhof ein, um den alljährlichen „Gedenkmarsch“ durchzuführen. Dieser fand nicht wie zunächst angekündigt am 18. Februar statt, sondern es wurde intern für den 11. Februar mobilisiert. Die Anmeldung für den 18. wurde noch am Samstag zurückgezogen und erwies sich wie erwartet als Ablenkungsmanöver. Dass die interne Mobilisierung auf Kosten der Teilnehmendenzahlen geht, wird seitens des Gedenkmarschbündisses in Kauf genommen. Seitdem der jährliche Februar-Aufmarsch durch große Blockaden wiederholt verhindert wurde, geht es den Nazis weniger um die große Mobilisierung und Außenwirkung, sondern vielmehr darum, das Event überhaupt am Leben zu erhalten. Seit 2012 setzen sie daher vor allem auf eine szeneinterne Mobilisierung. Das zeigt sich auch im Teilnehmendenfeld: hauptsächlich organisierte und in die entsprechenden Netzwerke eingebundene Neonazis nehmen noch am Aufmarsch teil.
Gegen 16:45 Uhr stellten sich die ca. 650 Nazis mit Blickrichtung Ammonstraße auf. Struktur und Teilnehmendenzahl ähnelten dem Aufmarsch im Jahr 2016. André Mühl war wieder Fahnenträger in der ersten Reihe, Petra Müller durfte vornweg den Kranz tragen. Der Lautsprecherwagen aus Mansfeld-Südharz samt Besatzung war derselbe wie im vergangenen Jahr. Die Funktion als Anmelder und Leiter der Versammlung übernahm wie immer Maik Müller, in diesem Jahr jedoch tatkräftig unterstützt durch den Nachwuchs JN-Kader Nico Koal.
Die Teilnehmenden waren wie üblich aus dem ganzen Bundesgebiet angereist. Fahnen und Transparente kamen aus dem Nordharz, Nordrhein-Westfalen, Neuruppin, Borna, Teltow-Fläming, Baden-Württemberg, Spremberg, der Niederlausitz, Alzey, Worms und Oppach. Auch Nazis aus Tschechien, Frankreich und Serbien waren angereist. Die NPD war u.a. mit Jens Baur, Andreas Klose, Elke Opitz, Arne Schimmer, Harald Zander, Herrmann Grunert und Dietmar Grahl vertreten. Nele Schier und Steve Leukert waren für Deutsche Stimme TV unterwegs.
Auch die Freie Kameradschaft Dresden und ihr Umfeld ließ sich trotz Ermittlungsverfahren, Hausdurchsuchungen und Festnahmen nicht vom Demonstrieren abhalten: Aniko Adam, Christian Leister, Michael Huste und Dave Lubatsch liefen im Demozug. Für die etwas älteren Nazis wie Ronny Thomas, Udo Kaulfuß, Patrick Möbius, Sebastian Reiche, Yves Rahmel, Thomas Sattelberg und Mirko Förster ist der „Gedenkmarsch“ weiterhin Pflichttermin. Nur René Despang war unter den reichlich 650 Teilnehmenden nicht auszumachen. Für einen sonst eher zuverlässigen, langjährigen Dresdner NPDler ist das sehr verwunderlich, könnte aber auf den Streit zwischen ihm und Maik Müller über die Freie Kameradschaft Dresden zurückzuführen sein. Klar ist allerdings, dass Despang bereits im Vorfeld für Ärger sorgte. Er hatte einen Beitrag der Jungen Alternative geteilt, in dem diese ein würdiges Denkmal für die Opfer des 13. Februar forderte. In den Kommentaren kritisierte Despang die NPD, die es nicht mehr schaffe, den 13. Februar politisch mit Inhalt zu füllen.
Trotz einiger kleiner Blockaden konnte der Aufmarsch nahezu ohne Änderung der Route durch den Dresdner Süden laufen. Vom Wiener Platz (Hauptbahnhof) ging es über Ammonstraße und Budapester Straße, weiter über Nürnberger Straße, Rugestraße auf die Fritz-Löffler-Straße zurück zum Hauptbahnhof, wo der Aufmarsch mit Fackeln und Deutschlandlied seinen Abschluss fand.
…und nach den Aufmärschen
Am 13. Februar war einmal mehr der Heidefriedhof Anziehungspunkt für rechtsradikale Kreise. Am Vormittag beteiligten sich wie gewohnt Nazis an einer der städtischen Gedenkveranstaltungen. Insgesamt rund 20 Nazis, darunter aus dem NPD-Kreisverband Jens Baur, Nele Schier und Nico Koal, kamen zum Kranzabwurf zur Gedenkanlage. Auch der von den Dresdner Kadern kritisierte Gerd Ittner nahm in Begleitung von Doris Zutt an der Veranstaltung teil. Desweiteren ging auch ein reichliches Dutzend der sogenannten „Identitären Bewegung“ zum Heidefriedhof, um ein gemeinsames Gedenken samt Kranzniederlegung zu inszenieren.
Am späten Mittag des 13. Februar kam es zu einer Aktion auf der Elbe. Einige Personen um die „Festung-Europa“ Aktivistin Thea May und Melanie Gaitzsch präparierten am Pieschener Hafen ein Schlauchboot mit einem Schild, dass sich unter Verwendung der nur schwer nachvollziehbaren Wortschöpfung „Lügenbusse“ kritisch auf die Form des derzeitigen, offiziellen Februar-Gedenkens bezog. Das Boot wurde auf der Elbe durch die Polizei gestoppt.
Schützenhilfe für ihre Gedenkpolitik, insbesondere die Forderung nach einem „würdigen Denkmal für die Luftkriegstoten“, erhielten die Nazis wie schon in den vergangenen zwei Jahren von der AfD. Am 12. Februar lud die Parteijugend zu einer Veranstaltung mit dem Dresdner „Hobbyforscher“ und Geschichtsrevisionisten Gerd Bürgel ins Airport-Hotel in Dresden-Klotzsche. Am 13. Februar erhob die „junge Alternative“ die Denkmalforderung für einige Minuten vor dem Bus-„Monument“ auf dem Neumarkt mittels eines Transparents.
Am 14. Februar versammelten sich noch einmal bis zu 250 Menschen bei einer Kundgebung der AfD auf dem Altmarkt. Das von Stadtrat Stefan Vogel geforderte würdevolle Gedenken wollte sich allerdings in der ca. halbstündigen Veranstaltung nicht so recht einstellen. Zwischen Kehrmaschinen und Jahrmarktgedudel vom Winterdorf wirkte die Kundgebung etwas bemüht. Möglicherweise, weil sie weiter noch nicht aufgefallen war, aber im Reigen rechter Akteure in Dresden nicht fehlen darf, hat hier die Initiative „Ein Prozent“ mit dem Abwurf eines Kranzes einen kleinen Beitrag geleistet. Auch diese Veranstaltung blieb nicht unwidersprochen, sondern wurde vom Gegenprotest einiger Antifas begleitet, die dem Aufruf der Gruppe „nope“ gefolgt waren.
Fazit
Die sogenannte „Aktionswoche“ rund um die Gedenkmärsche ist in diesem Jahr sehr spärlich ausgefallen. Die Aktionen standen denen vergangener Jahre nicht nur in der Zahl nach, es kam auch zu keinerlei kreativen Aktionen. Die Kundgebungen und der Infotisch wurden hauptsächlich vom immerselben Kreis aus NPD-/JN-Strukturen getragen. Nachdem es im vergangenen Jahr noch zu Aktionen mit Dresden Bezug in ca. einem Dutzend weiterer Städte kam, fanden außerhalb Dresdens in diesem Jahr nahezu keine Aktionen zur Unterstützung der Aktionswoche statt. Dies deutet unter anderem daraufhin, dass das Luftkriegs-Thema weiter an Relevanz verliert. Symptomatisch hierfür stehen auch die abgesagten Trauermärsche in Magdeburg und Weimar. Hinzu kommt, dass Aufmärsche wie am 1. Mai oder der sogenannte „Tag der deutschen Zukunft“ mehr Action versprechen und ein höheres Mobilisierungspotenzial entwickeln.
Dem gegenüber steht, dass aus dem eher „wutbürgerlichen“, rechten Spektrum mehr Personen als in der Vergangenheit für das Thema 13. Februar – Gedenken aktiviert werden konnten. Das liegt unter anderem daran, dass die in zeitlichem und inhaltlichem Bezug zum 13. Februar stehenden Kunstinstallationen (Bus-) „Monument“ und „Lampedusa 361“ in diesem Milieu besonders verhasst sind. Das „wahrhafte Gedenken“ an „unsere Opfer“ konnte hier als Vehikel genutzt werden, um sich einmal mehr pöbelnd und aggressiv gegen „die da oben“ in Stellung zu bringen.
Hinzu kommt, dass Dresden im Kontext des zweiten Weltkrieges nach wie vor nicht nur von ganz rechts außen in einer Opferrolle gesehen wird. Auch Akteure jenseits der Nazis des Gedenkmarsch-Bündnisses warten mit denselben Positionen und Forderungen auf. So zum Beispiel das PEGIDA-Umfeld, oder die AfD, denen es gelingt ein Klientel aus dem bürgerlichen und konservativen Spektrum auf die Straße zu bringen. Die Verlautbarungen zum „wahrhaften Gedenken“, „Kriegsverbrechen“, oder „würdigen Denkmal“ sind jedoch spektrenübergreifend die selben. Die Reden und Texte von Gedenkmarsch-Bündnis, AfD, NPD und Identitären lassen sich fast nicht voneinander unterscheiden.
In diesem Jahr gab es erstmals seit sechs Jahren wieder zwei Nazi-Aufmärsche. Sollten die Ankündigungen beider Lager Realität werden, wird das in den kommenden Jahren auch so sein. Linke und antifaschistische Kräfte sollten dies zum Anlass nehmen, ihre Anstrengungen gegen die Nazi-Aufmärsche zu intensivieren. Es liegen kaum belastbare Zahlen über die Teilnehmenden an den diesjährigen Gegenprotesten vor, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Nazis mit der Personenstärke des Gegenprotests ungefähr gleichauf waren. Um wieder jegliche Aufmärsche durch Dresden wirksam zu verhindern, müssen deutlich mehr Menschen auf die Straße. Insbesondere die Mobilisierung der überregionalen Antifa-Szene hat in diesem Jahr kaum stattgefunden und sollte ab dem kommenden Jahr wieder intensiviert werden.