Soll die Wiehre abgerissen werden? Ein Flugblatt hat Alarmstimmung im betroffenen Freiburger Stadtteil ausgelöst. Es sieht auf den ersten Blick ziemlich authentisch aus – doch es ist eine Fälschung. Die Wiehre bleibt bestehen.
Wäre der 1. April gewesen, hätte sich niemand gewundert. Doch Mitte Mai konnten nur Insider schmunzeln; die angeblich Betroffenen hingegen waren alarmiert: Ein Rundschreiben im Namen der Freiburger Stadtbau GmbH, das in zahlreichen Briefkästen in der Wiehre lag, kündigte "Umbaumaßnahmen des Stadtteils" an. Dieses Modellprojekt mit dem Titel "Wiehre 2015" habe der Gemeinderat im vergangenen Jahr beschlossen. Die Frist für die Bürgerbeteiligung sei abgeschlossen. Für Rückfragen wegen der Umbau- und Abrissarbeiten stehe ein Sachbearbeiter der Stadtbau zur Verfügung.
Die Durchwahl führte zu Projektentwickler Lothar Korzen, und die hohe
Frequenz an Anrufen am Montagmorgen zeigt, dass das getürkte
Rundschreiben von ziemlich vielen ziemlich ernst genommen wurde. Korzen
selbst beschlichen Zweifel, und er fragte bei Stadtbau-Chef Ralf
Klausmann nach, was denn da geplant sei. Sie besorgten sich das
Flugblatt und waren im Bilde: ein Scherz.
"Eigentlich recht witzig", meinte am Montag der Geschäftsführer Ralf
Klausmann, der im gefälschten Rundschreiben zweimal mit "ß" auftaucht.
"Aber wenn man mitbekommt, wie verstört manche Menschen sind, ist das
nicht mehr so komisch."
Denn die angebliche Stadtbau-Information "an die Anwohner des
Stadtteils Wiehre" enthält täuschend echt den Briefkopf der städtischen
Wohnungsgesellschaft. Und das gestelzte Bürokratendeutsch dürfte auch
so manchen Skeptiker überzeugt haben. Dass nach "Abschluss des
Modellprojekts Wiehre 2015 für Sie hochwertige Niedrigenergiehäuser zur
Verfügung stehen" werden, passt natürlich hervorragend zur "Green
City". Dass die Stadtbau "selbstverständlich Ausweichswohnraum zur
Verfügung" stellt, gehört zur Gepflogenheit des städtischen
Unternehmens.
Trotzdem: Wer das Schreiben aufmerksam liest, entdeckt jede Menge
Ungereimtheiten – nicht nur dass der Geschäftsführer Klaußmann heißt.
So enthalten die Fußzeilen noch den Technischen Geschäftsführer Fred
Gresens, der allerdings schon vor mehr als drei Jahren die Stadtbau
verlassen hat. Oben rechts auf dem Briefkopf ist von einem
"Aktenzeichen Vormerkliste" die Rede, die natürlich völlig sinnfrei
ist. Und der Gemeinderatsbeschluss zur groß angelegten
Stadtteilsanierung soll am 20. April 2009 gefallen sein – das war ein
Montag. Der Gemeinderat tagt aber immer dienstags. Ganz abgesehen
davon, dass ein solch weit reichender Beschluss nicht denkbar ist ohne
mediale Berichterstattung und breit angelegte Bürgerbeteiligung.
Jedenfalls sah sich die Stadtbau am Montag gezwungen, in einer
Pressemitteilung auf das Rundschreiben zu reagieren und sich eine
Anzeige vorzubehalten. Doch wer steckt hinter dem Brief? Bei der
Stadtbau könnte man sich noch am ehesten vorstellen, dass
Sympathisanten des einstigen Studentinnenwohnheims St. Luitgard die
Aktion ausgeheckt haben. Die Gebäude an der Quäkerstraße in der Wiehre
sind zur Hälfte abgerissen. Viele Menschen hatten sich für deren Erhalt
eingesetzt.