Verwaltungsgericht lehnte Wiederherstellung eines Wandbildes durch die Polizei ab
Ein drei mal sechs Meter großes Wandbild erregte am 3. April 2014 an der Ecke Oranienstraße/Manteuffelstraße in Kreuzberg die Gemüter. Vor allem die der Staatsschützer. Sie befanden, dass eine Textzeile als Verunglimpfung des Staates zu werten sei. Das Plakat erinnerte an das Nagelbomben-Attentat des NSU am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße (siehe Foto). Darunter stand der Satz: »NSU: Staat & Nazis / Hand in Hand / Das Problem / heisst / Rassismus«.
Die alarmierte Polizei rief sofort die Feuerwehr. Die rückte mit einem Kranwagen an und entfernte den Textteil vom Plakat. Gegen die Antirassistische Initiative, die das Plakat zu verantworten hatte, wurde Strafantrag gestellt. Doch schon eine Woche später wies die Staatsanwaltschaft die Anzeige ab. Mit dem Hinweis, die Aussage sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt, der Polizeieinsatz somit rechtswidrig gewesen.
Die Polizei hätte es wissen müssen, denn ein halbes Jahr zuvor hatte sie bei einer Gedenkdemonstration für die Opfer des NSU die Lautsprecheranlage des Bündnisses beschlagnahmt, als der Ruf »NSU: Staat und Nazis Hand in Hand« ertönte. Schon damals entschied die Justiz, dass diese Aussage nicht zu beanstanden sei. Dennoch griffen die Beamten im Juni 2014 erneut zu und beschädigten so die grundgesetzlich garantierte Freiheit des Wortes.
Am Donnerstag beschäftigte sich das Berliner Verwaltungsgericht mit dem Fall. Die Antirassistische Initiative forderte, die Polizei müsse das Wandbild so wieder herstellen, wie es vor der Zerstörung war. Hilfsweise der Antrag, dass die Schöpfer die Arbeit noch einmal anbringen und die Polizei dann den entfernten Satz durch eigene Plakatkünstler nachliefert. Schließlich noch ein drittes Angebot der Plakatmacher: Sollte die Neugestaltung in Erwägung gezogen werden, sollte dies in Kombination mit einer Pressemitteilung der Polizei passieren, dass ihr damaliges Handeln rechtswidrig gewesen sei. »Die Idee, die dahinter steckt, ist vielleicht nicht ganz unsympathisch«, sagte der vorsitzende Richter, doch sie habe keine Chance auf Erfolg.
Das Gericht machte den Klägern von Anfang an wenig Hoffnung auf Erfolg ihrer Klage und wies sie schließlich ab. Die Haltbarkeit des Plakats sei für drei Wochen bis drei Monate ausgelegt. Somit sei die Nutzzeit längst überschritten, das alte Werk könne nicht wieder hergestellt werden. In dieser Zeit hätte man aus einem unrechtmäßigen Zustand - also die Plakatzerstörung - einen rechmäßigen - also die Wiederherstellung - machen können. Es stehe den Schöpfern jedoch frei, ein neues Werk anzubringen, in dem in gleicher Weise an die Verbrechen des NSU erinnert werde. Ein neues Plakat wäre aber nicht die Wiederherstellung des alten Plakats. Der materielle Schaden wurde auf etwa 770 Euro beziffert. Die Polizei erklärte sich bereit, diesen zu begleichen.
Rechtsanwältin Anna Luczak machte deutlich, dass es den Klägern weder um materielle Wiedergutmachung, noch um die Zahlung der Materialkosten gehe, sondern um ein klares Zeichen dafür, dass der Polizeieinsatz rechtswidrig gewesen sei und eine Zensur durch die Staatsmacht stattgefunden habe. »Es geht hier nicht um das Recht am Kunstwerk, sondern es geht um Meinungsfreiheit, denn hier hat der Staat zensiert«, erklärte sie.