Mann nach Auseinandersetzung in Fußgängertunnel verletzt

Erstveröffentlicht: 
18.02.2017

Die Polizei nimmt nach dem Angriff einen 15-jährigen Syrer fest. Wie es zu dem Streit kam, bleibt diffus. Versuch einer Rekonstruktion.

 

Kappel. Drei Viertel seines linken Ohres sind mit einem Pflaster abgeklebt, der Mann ist auf zwei Krücken unterwegs. Das Ohr schmerze, er könne aber gut hören, sagt er. Am Donnerstagabend ist der 45-Jährige bei einer Auseinandersetzung unter mehreren Personen in einem Fußgängertunnel an der Stollberger Straße verletzt worden. Polizeibeamte stellten nach einer Fahndung in der Nähe vier junge Leute im Alter von 15 bis 21 Jahren. Sie stammen laut Polizei aus Syrien. Der 15-Jährige wurde später vorläufig festgenommen.

 

"Nach gegenwärtigem Kenntnisstand waren eine 27-Jährige und ihr Begleiter (45) von vier zunächst Unbekannten beleidigt, bedroht und tätlich angegriffen worden", teilte die Polizei gestern mit. Die Auseinandersetzung geschah in der Unterführung von der Dr.-Salvador-Allende- zur Paul-Bertz-Straße. Dabei soll einer der Angreifer den 45-Jährigen mit einem "spitzen Gegenstand" verletzt haben. Dass es sich dabei um ein Messer handelte, bestätigte ein Polizeisprecher nicht. Ob das linke Ohr des 45-Jährigen bei dem Angriff teilweise abgetrennt oder durchgeschnitten worden ist, wie es schon kurze Zeit nach dem Vorfall in sozialen Netzwerken im Internet verbreitet wurde, will die Polizei ebenfalls nicht kommentieren. "Zu Verletzungen machen wir generell keine Aussagen", sagt der Sprecher.

 

Zeugen hatten gegen 20.45 Uhr die Polizei alarmiert. Einen solch großen Einsatz mit sechs Transportern und weiteren Einsatzfahrzeugen habe sie in den vergangenen acht Jahren, in denen sie an der Straße Usti nad Labem wohne, noch nicht erlebt, berichtete eine Frau. Nachbarn zufolge vernahmen die Beamten bis in die Nacht hinein nicht nur Jugendliche, die mit dem Opfer im Fußgängertunnel unterwegs waren, sondern auch mehrere Männer, die sich laut Aussage des Opfers in dem Aufgang des Wohnblocks "verbarrikadiert" hatten. "Sie wurden fotografiert und befragt", so eine Anwohnerin.

 

"Drei hatten Holzknüppel, einer ein Messer", beschreibt der Verletzte selbst den Angriff. Angst um sein Leben habe er nicht gehabt. "Ich bin ein Kämpfer", betonte er. Nach dem Angriff habe er die Täter noch verfolgt. Danach wurde er mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht und dort behandelt. Anschließend wurde er entlassen, wollte jedoch gestern Nachmittag einen HNO-Arzt aufsuchen, sagte er auf dem Weg dahin der "Freien Presse". Wie es zu dem Vorfall kam und was der Auseinandersetzung vorausging - darauf wollte er auch auf Nachfrage nicht näher eingehen.


Ausführlicher fielen seine Aussagen in einem "Interview" mit einem Vorstandsmitglied der Chemnitzer AfD aus, das gestern Nachmittag zunächst in einer geschlossenen Facebook-Gruppe veröffentlicht wurde. Eine Gruppe jugendlicher Südländer, so heißt es dort, habe in dem Tunnel unvermittelt gegen eine junge Frau gepöbelt. Weil sich die Jugendlichen in einer fremden Sprache unterhalten und "eine bedrohliche Haltung eingenommen" hätten, "beschlossen wir, diese Gruppe zum Selbstschutz zu vertreiben", wird der 45-Jährige dort zitiert. Aus irgendeinem Versteck habe die Gruppe Holzknüppel hervorgeholt und ohne Vorwarnung auf ihn eingeschlagen. Sein Ohr sei "mit einem scharfen Gegenstand" fast abgetrennt worden und habe mit 22 Stichen gerettet werden müssen.

 

Die Polizei wollte sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen zunächst noch nicht näher zum Hergang äußern. Die Befragungen der Beteiligten dauerten an. Neben der Aussage des Opfers solle auch die Sicht der anderen Seite herausgefunden werden, betonte ein Sprecher.

 

Der Ort des Geschehens dient Jugendlichen aus dem Viertel offenbar als Treffpunkt. "In dem Tunnel quatschen sie und trinken auch mal ein alkoholisches Mixgetränk", so eine Nachbarin gestern. Ob im Zuge der Ermittlungen Alkoholtests bei Angreifern und Opfer erfolgten, konnte die Polizei gestern nicht mitteilen. In einem ärztlichen Attest, das gestern ebenfalls im Internet verbreitet wurde, ist davon die Rede, dass das Opfer des Angriffs alkoholisiert gewesen sei. Die Verletzungen am Ohr werden als "Risswunden" beschrieben.

 

Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Der festgenommene 15-Jährige wurde gestern wieder entlassen, teilte die Polizei auf Nachfrage mit.