Die Inschrift des Gedenksteins gerät ins Visier von rechten und linken Gruppen. Die Stadt hat einen Plan, der allerdings nicht jedem gefällt.
Von Nora Domschke
Es kehrt keine Ruhe ein im Nickerner Dorfkern. Erst am vergangenen Freitag rückte der Gedenkstein in Altnickern erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Aktivisten des „Offenen-Antifa-Plenums“ wollten verhindern, dass der Obelisk – wie am 12. Februar letzten Jahres – zum Ziel von NPD- und Neonazi-Aufmärschen wird. Die Antifa-Aktivisten verhüllten das Denkmal mit einem weißen Laken, auf dem „Nationalismus und Geschichtsverklärung verhüten – Dresden du Täter*in!“ zu lesen war.
Hintergrund ist die hitzige Debatte um die eigentliche Inschrift des Steins: „Wir gedenken der Opfer des anglo-amerikanischen Bombenterrors“. Die Stadtratsfraktionen von Linken, Grünen und SPD hatten 2016 in einem Antrag gefordert, dass die Inschrift verändert werden soll. Im Prohliser Ortsbeirat hatte der Antrag von Rot-Grün-Rot daraufhin für heftige Diskussionen gesorgt. Das Gremium lehnte ihn schließlich mit knapper Mehrheit ab. Dennoch beschloss der Stadtrat im November, dass das Areal so gestaltet wird, dass sowohl die Erinnerung an die Toten der beiden Weltkriege als auch die kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen möglich sei. Der Gedenkstein und die Inschrift selbst sollen aber unverändert bleiben. Nun befasst sich die Arbeitsgruppe (AG) 13. Februar mit dem Thema. Sie erarbeitet Vorschläge, wie das Umfeld des Obelisken gestaltet werden kann. Stadtsprecher Karl Schuricht teilt auf Anfrage mit, dass in der nächsten Sitzung der AG darüber gesprochen wird, welche Möglichkeiten es gibt und wie eine Umgestaltung aussehen könnte.
So könnte etwa ein zusätzliches Schild aufgestellt werden, das an alle Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnert. Eine weitere Idee ist das Aufstellen einer Infotafel, die den geschichtlichen Hintergrund der Inschrift erklären soll. Der Dresdner TU-Forschungsprofessor Karl-Siegbert Rehberg hält es indes für unnötig, die Inschrift mit einer derartigen Ergänzung zu kommentieren. „Es gibt weltweit Tausende Kriegsdenkmäler, deren Inschriften verstörend wirken“, sagt der Kultursoziologe. Sie auszuradieren oder zu verändern ist aus seiner Sicht keine Option. Auch nicht in Nickern. Der Begriff „anglo-amerikanischer Bombenterror“ sei im Nachkriegsdeutschland ein gewöhnlicher Terminus gewesen. „Die Deutschen haben das so erlebt.“ Kaum bekannt ist auch die Tatsache, dass die Inschrift von Verfolgten des NS-Regimes angebracht wurde.
Rehberg rechnet damit, dass eine ergänzende Erklärung Neonazis künftig eher nach Nickern ziehen und die Tafel schnell zum Ziel von Vandalismus werden könnte. Jede Aufklärung würde bei rechten Gruppen ohnehin ins Leere laufen, so Rehberg. Außerdem sehe er im Stadtrat nicht das geeignete Gremium, um Fehler der Geschichte zu korrigieren.