AfD-Politiker: Paktiert Jörg Meuthen mit den Rechtsradikalen?

Erstveröffentlicht: 
14.02.2017

Der AfD-Politiker aus Baden-Württemberg hat nach außen hin eine Wendung ins Extreme hingelegt. Dabei ließ sich seine rechte Gesinnung schon vorher ablesen – Jörg Meuthen im Porträt.

 

Noch im baden-württembergischen Landtagswahlkampf vor einem knappen Jahr wurde Jörg Meuthen von vielen Bürgern als moderat wahrgenommen. Er gehöre zum bürgerlich-konservativen Flügel der AfD, hieß es. Deshalb dürfe man ihn von Podiumsdiskussionen nicht ausschließen. Dann kam die Landtagswahl, und die AfD zog mit 15,1 Prozent und zunächst 23 Abgeordneten in den Landtag ein. Meuthen hatte es schon davor vermieden, sich vom rechtsnationalistischen Flügel seiner Partei sowie problematischen AfD-Mitgliedern oder Landtagskandidaten scharf abzugrenzen. Als Meuthen im Sommer 2016 an einem Treffen der „Patriotischen Plattform“ auf dem Kyffhäuser teilnahm, fiel erstmals auf, dass es sich vielleicht um eine Fehleinschätzung gehandelt haben könnte, wenn man Meuthen als Wirtschaftsliberalen mit gesellschaftspolitisch nationalkonservativen Vorstellungen einordnete.

 

Zuvor, im Landtagswahlkampf, hatte Meuthen es damals als Landesvorsitzender schon zugelassen, dass der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke, um dessen Zukunft in der AfD es nun geht, auf Wahlkampfveranstaltungen auftrat. Im Sommer 2016 gelang es Meuthen dann nicht, die AfD-Fraktion zum Ausschluss des antisemitischen Abgeordneten Wolfgang Gedeon zu bewegen. Die Kandidatur Gedeons hatte Meuthen sehenden Auges in den Monaten vor der Landtagswahl hingenommen. Je stärker Meuthen in der Auseinandersetzung mit Gedeon und vor allem bei der Verhandlungen der Fusion beider AfD-Fraktionen um seine Macht in der Fraktion kämpfen musste, desto stärker näherte er sich extremen, wenn nicht sogar rechtsextremistischen Positionen an. 

 

Meuthen übernimmt zunehmend extremistische Positionen


Anfang 2016 antwortete Meuthen auf die Regierungserklärung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit einer Rede, in der er „Flüchtlinge“ gegen „Deutsche“ ausspielte. „Die Bürger unseres Landes müssen lernen, dass für Flüchtlinge hunderte von Millionen bereitgestellt werden, dagegen fehlt für die eigene Bevölkerung, die von einem schweren Unwetter getroffen wurde, die Empathie, die man Migranten aus fernen Ländern undifferenziert und offenbar unlimitiert gegenüber aufbringt“, sagte Meuthen. Ähnlich wie Politiker mit völkischen Argumentationsmustern versuchte Meuthen in dieser Rede, Deutsche gegen Einwanderer bewusst aus zu spielen, obwohl die Einwanderungspolitik gar nicht Gegenstand der Parlamentsdebatte war. Auf der Tagesordnung stand die Regierungserklärung der grün-schwarzen Landesregierung.

 

In inhaltlichen und personellen Auseinandersetzungen in der im Herbst wiedervereinigten AfD-Landtagsfraktion zeigte sich dann immer stärker, dass Meuthen Positionen des extremistischen Flügels seiner Partei übernahm, er sich aber von extremen Positionen oder Abgeordneten nicht abgrenzte: So verschwieg er über Monate, dass der AfD-Abgeordnete Stefan Räpple bis heute die Erklärung zur Abgrenzung von Antisemitismus und Rassismus gar nicht unterschrieben hat. Auf einer Pressekonferenz hatte Meuthen im Herbst vergangenen Jahres sogar behauptet, er habe die „Unterschrift jedes einzelnen“, also auch die Räpples. 

 

Meuthen über Höckes Rede: „Ball flach halten“


In Widersprüche verwickelte er sich auch, als über Zuschüsse für die NS-Gedenkstätte Gurs in Südfrankreich diskutiert wurde. Meuthen sagte, seine Fraktion habe diese Zuschüsse nur streichen wollen, weil sie angenommen habe, es handle sich um einen neuen Haushaltstitel. In der betreffenden Sitzung des Finanzausschusses – Meuthen war nicht anwesend – war die AfD von den Vertretern anderer Parteien ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden, dass es sich bei der Gurs-Subvention lediglich um eine Umschichtung handele. Wie groß das Interesse der AfD ist, in der Erinnerungspolitik einen anderen Weg einzuschlagen, geht auch aus anderen Anträgen der AfD hervor, in denen die Streichung von Geldern für Gedenkstätten zugunsten des Straßenbaus vorgeschlagen wird.

 

Die Rede Björn Höckes vom 17. Januar zur Erinnerungspolitik verteidigte Meuthen im Januar. Man solle doch den „Ball flach halten“, sagte er. Er unterstützte Höcke in der Forderung nach einer Wende in der Erinnerungskultur, sprach aber nicht ganz so radikal von einer „180-Grad-Wende“: „Ich sage mal, wenn man es um 90 Grad drehen würde, wäre mir das lieber. Das heißt, wenn wir gleichmäßiger die verschiedenen Kapitel deutscher Geschichte beleuchten würde, als das geschieht, dann würde ich das für sinnvoll halten. Und in dem Sinne meint Höcke das“, rechtfertigte er die Ausführungen des thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden. Insofern musste es nicht überraschen, dass Meuthen am Montag den Antrag auf einen Parteiausschluss Höckes nicht unterstützte. „Ich glaube nicht, dass dieses Verfahren aussichtsreich ist, und wenn halte ich es auch nicht für richtig, obwohl diese Rede wirklich sehr daneben war“, sagte Meuthen am Montag der Deutschen Presse-Agentur. 

 

SPD-Politikerin: Meuthen „paktiere“ mit Rechtsradikalen


Der baden-württembergische FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich sagte hierzu: „Sofern es noch einen Zweifel gegeben haben sollte, ob Meuthen demokratische Grundpositionen vertritt, sind diese seit heute endgültig zerstreut.“ Die „explizite Weigerung“, das Parteiausschussverfahren von Höcke zu unterstützen, belege unzweifelhaft, dass Meuthen Höcke die Treue halte, weil er dessen „reaktionäre Überzeugungen“ teile. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag, Andreas Stoch, kam zu einem ähnlichen Urteil: „Meuthen zeigt einmal mehr, dass seine angebliche Ablehnung von Antisemitismus und Rassismus nur ein immer wiederkehrendes taktisches Manöver ist.“ In Wahrheit „paktiere“ Meuthen mit Rechtsradikalen wie Höcke und sympathisiere auch mit deren Gedankengut, so Stoch.

 

Im Dezember 2015, als von Meuthens Beurteilung der Höcke-Reden noch nicht dessen eigene Zukunft und ein gut dotierter Posten als Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag abhing, äußerte sich der AfD-Politiker noch ganz anders: Damals hatte Höcke vom „lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp“ gesprochen. Meuthen verurteilte eine solche Äußerung damals noch scharf: „Er muss in nächster Zeit lernen, seine Worte sorgsamer zu wägen und auch manche Äußerung inhaltlich zu überdenken.“