Würdevoll und in Demut begehen die Dresdner den 72. Jahrestag der Zerstörung ihrer Stadt. Nur ganz selten werden die Grenzen des Erträglichen überschritten. Der Gedenktag zusammengefasst:
Dresden. Als Zeichen für Versöhnung und Menschlichkeit haben rund 12 000 Dresdner am Jahrestag der Zerstörung ihrer Stadt im Zweiten Weltkrieg mit einer Menschenkette beide Elbseiten verbunden. Zum Auftakt hatte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) am Montagabend an die Teilnehmer appelliert, mit dem Gedenken eine Brücke in die Gegenwart zu schlagen. „Auf dieser Welt werden zahlreiche Konflikte kriegerisch ausgetragen und die Menschenwürde mit Füßen getreten.“ Dieses Leid „betrifft uns in einer globalisierten Welt direkt“. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und weitere Regierungsmitglieder reihten sich in die Menschenkette ein.
Zuvor hatte die Stadt auch an ihre eigene NS-Vergangenheit erinnert. Oberbürgermeister Hilbert legte an einem Gedenkstein auf dem zentralen Altmarkt eine weiße Rose nieder. Dort waren nach den Luftangriffen alliierter Bomber am 13. Februar 1945 und in den beiden Tagen danach die Leichen von knapp 7 000 Todesopfern verbrannt worden. Hilbert sagte, es sei wichtig, „daran zu erinnern, was der Krieg an Leid über die Menschen bringt“. Das Dresdner Gedenken steht in diesem Jahr im Zeichen der Menschlichkeit und ist in der Stadt heftig umstritten. Zwei im Vorfeld des Jahrestages installierte Kunstprojekte, die an das Leid ziviler Opfer in aktuellen Krisen erinnern, hatten für scharfe Kritik gesorgt – vor allem aus dem Umfeld der Pegida-Bewegung.
Trotzdem betonte Hilbert am Montag nochmals, dass bei den Verbrechen der Nazi-Zeit wie Judenverfolgung, Euthanasie oder Bücherverbrennung auch und gerade in Dresden „Täter am Werke waren“. „Insoweit hat die Dresdner Bevölkerung Schuld auf sich geladen“, sagte er, auch wenn eine „Stadt an sich weder schuldig noch unschuldig“ sein könne.
Am Nachmittag hatte der „Mahngang Täterspuren“ zu Schauplätzen der NS-Herrschaft in der Stadt geführt. Damit widerlegen die Organisatoren schon seit Jahren den Mythos einer „unschuldigen Stadt“ mittels historischer Fakten. Heinrich Timmerevers, Bischof des Bistums Dresden-Meißen, beklagte beim abendlichen Gottesdienst in der Kathedrale die Lautstärke des Gedenkens: „Ich möchte heute lieber schweigen. Die Dresdner Menschenkette schweigt. Das macht Mut. Vielleicht braucht man an diesem Tag sogar Mut, um zu schweigen“, so Timmerevers. Er erinnerte auch an die Wappen an der Fassade des Dresdner Rathauses: „Wappen von Städten, die ein ähnliches Schicksal zu erleiden hatten wie Dresden: Leningrad, Breslau, Lidice, Coventry. Das singuläre Ereignis des 13. Februars 1945 in Dresden wird plötzlich nicht mehr singulär. Es bekommt auch andere Namen.“