Gespräch mit Muzaffer Ayata. Über 20 Jahre Gefängnishaft in der Türkei, Folter in Diyarbakir und die anhaltende politische Verfolgung in Deutschland
Muzaffer Ayata ist Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der er bis zu seiner Verhaftung 1980 angehörte. Er war über 20 Jahre lang in türkischen Gefängnissen inhaftiert und wurde mehrfach schwer gefoltert. Nach seiner Freilassung im Jahr 2000 war er Berater der später ebenfalls verbotenen kurdischen Partei der Demokratie des Volkes (HADEP) sowie zeitweilig deren offizieller Vertreter in Deutschland.
Aus Sicht der türkischen Behörden haben Sie in
Ihrer Funktion als Vertreter der HADEP von Deutschland aus
»terroristische« Operationen der verbotenen
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) der Türkei organisiert. Was
sagen Sie dazu?
Das ist völliger Unsinn. All diese Anschuldigungen basieren auf Geschehnissen aus der Zeit vor 1980. Leider haben die deutschen Behörden diese Vorwürfe aus der Türkei, die nahezu alle vom türkischen Geheimdienst oder der türkischen Polizei stammen, so gut wie ungeprüft übernommen.
Aus Ihrer Nähe zur PKK haben Sie aber nie ein Hehl
gemacht?
Das ist richtig. Ich habe in allen Gerichtsverfahren in der Türkei meine frühere PKK-Mitgliedschaft offen verteidigt. Nachdem ich im Jahr 2000 aus der türkischen Haft entlassen wurde, habe ich mich politisch aber ausschließlich auf legaler Ebene betätigt. Zuerst innerhalb der HADEP, als diese dann verboten wurde, innerhalb der Nachfolgepartei DEHAP. Wie Ihren Lesern sicher bekannt ist, wurde auch diese in der Zwischenzeit verboten, genauso wie alle anderen demokratischen kurdischen Parteien, die danach gegründet wurden.
Sie gehörten zum engeren Kreis des 1999
entführten und seither auf der Insel Imrali in Isolationshaft
gehaltenen PKK-Führers Abdullah Öcalan. Wie sind Sie zur
PKK gestoßen?
Ich wurde 1956 in einem Dorf in der Nähe von Siverek in der Provinz Urfa im Südosten der Türkei geboren. In der Schule wurden die Existenz des kurdischen Volkes, seine Sprache und Geschichte geleugnet, und es war auch verboten, darüber zu sprechen. Als ich etwa 16 Jahre alt war, fing ich damit an, Bücher über die Kultur und die Geschichte unseres Volkes zu lesen. Durch Kontakte zu Vertretern der revolutionären Linken in der Türkei wurde ich mir zum ersten Mal meiner Identität als Kurde bewußt. In den frühen 1970er Jahren tauchten die ersten studentischen Bewegungen auf. Allerdings gab es zu dieser Zeit noch keine kurdische Organisation. In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre entstanden dann einige dezidiert linke kurdische Gruppierungen. All diese Gruppierungen waren sich in ihren Grundzügen ähnlich, alle hatten sie die Idee, es müsse auch auf politischer Ebene eine Vertretung der Kurden geben. Eine herausragende Stellung nahm von Anfang an die Bewegung von Abdullah Öcalan ein. Sie konnte sich auch als einzige etablieren. Als Biologiestudent in Ankara habe ich 1976 beschlossen, dieser Organisation beizutreten. Sie wurden damals als »Revolutionäre Kurdistans« bezeichnet. 1978 habe ich aus diesem Grund auch mein Studium abgebrochen, bin zurück in meine Heimat und habe in Urfa zusammen mit anderen am 27. November 1978 die PKK gegründet. Offiziell wurde die Gründung allerdings erst im Juli 1979 vollzogen.
Und wie kam es dann zu Ihrer Verhaftung? Gab es denn zu
jener Zeit schon militärische Auseinandersetzungen zwischen
PKK und türkischem Militär?
Als ich im März 1980 verhaftet wurde, war es noch zu keinen
militärischen Auseinandersetzungen gekommen. Allerdings hatten
die Behörden nach dem Massaker von Maras am 22. Dezember 1978,
bei dem über 1000 kurdisch-alevitische Zivilisten getötet
worden waren, den Ausnahmezustand erklärt. Es gab einen
Haftbefehl gegen mich, mein Haus wurde durchsucht, und ich wurde
festgenommen. Infolge des militärischen Ausnahmezustands hatte
der Staat Sondereinheiten gebildet. Das waren Polizisten, die man
eigens für Folterverhöre ausgebildet hatte. Eine dieser
Sondereinheiten des Innenministeriums kam damals nach Urfa und hat
uns über 15 Tage lang verhört und gefoltert. Die
Verhöre verliefen extrem brutal. Wir wurden mittels
Elektroschocks – auch an den Genitalien – gefoltert,
mit den Füßen oder mit zusammengebundenen Händen an
der Decke aufgehängt usw. Man hat uns tagelang nichts zu essen
und zu trinken gegeben, hat uns nicht schlafen lassen. Um es kurz
zu machen: Man hat uns auf die verschiedenste Art gefoltert, um uns
auszuquetschen, Informationen, Namen aus uns herauszupressen. Dabei
wurde zwischen Männern, Frauen und Kindern kein Unterschied
gemacht. Einige von uns sind infolge der Folterungen
gestorben.
Nach der Verhängung des Ausnahmezustands hatte das
Militär eigene Gerichte gebildet, die unabhängig von
jeder politischen Kontrolle agierten und in denen das Militär
nach seinen eigenen Regeln urteilte. Von einem solchen
Militärgericht wurde ich wie viele andere im Mai 1983 zum Tode
verurteilt. Zunächst wurde das Urteil damit begründet,
wir hätten versucht, das Territorium des türkischen
Staats aufzuteilen und einen eigenen Staat zu gründen. Zu
diesem Zweck hätten wir eine politische Partei ins Leben
gerufen und uns politisch betätigt. Das ganze Verfahren
beruhte auf dem damaligen Paragraphen 125 des türkischen
Strafgesetzes über die Unantastbarkeit des türkischen
Staates, das von März 1981 bis Mai 1983 Bestand hatte. Im Mai
1983 wurden etwa 500 Personen aufgrund dieses Paragraphen
verurteilt. Dieses Gesetz hatte das Militär damals speziell
geschaffen, um gegen politische Aktivisten vorzugehen. Wer aufgrund
dieses Paragraphen verurteilt wurde, erhielt in der Regel die
Todesstrafe. Die Verhängung der Todesstrafe mußte
allerdings zunächst vom türkischen Parlament abgesegnet
werden. Jahrelang hat man das hinausgezögert. 1996 stimmte
dann das Parlament der Verhängung der Todesstrafe gegen mich
zu. Noch im selben Jahr jedoch wurde ein Gesetz verabschiedet,
wonach alle Todesurteile in 40jährige Haftstrafen umzuwandeln
seien. Die Zahl der politischen Häftlinge war damals so stark
angewachsen, daß deren massenhafte Hinrichtung dem
türkischen Staat nicht mehr opportun erschien.
Was haben Sie persönlich in Ihrer Zeit als
politischer Gefangener in der Türkei erlebt?
Ich selbst war von 1980 bis 1987 im Gefängnis von Diyarbakir inhaftiert, anschließend ein Jahr lang in Eskishehir, ein Jahr in Amasya, mehr als vier Jahre in Antep und etwa sechseinhalb Jahre bis zu meiner Entlassung in Bursa. Das Gefängnis in Diyarbakir war eines der schlimmsten Foltergefängnisse weltweit. Gefoltert wurde dort zunächst bis 1984. Vor allem vor dem Hintergrund des Ausnahmezustands durften die Beamten und Soldaten dort nach Gutdünken foltern. Nach Beendigung des militärischen Ausnahmezustands haben die Folterungen nachgelassen, zwar gab es auch danach vereinzelt immer wieder Fälle von Folter, aber nicht in dem Ausmaß wie zuvor. Zwischen 1980/81 und 1984 sind dort 33 Menschen umgekommen. Einige davon haben Selbstmord begangen, weil sie es nicht mehr aushielten. Andere wiederum wurden mittels Folter und Schlägen vom Wachpersonal umgebracht. Einen weiteren Höhepunkt erreichten die Folterungen und Mißhandlungen im Jahr 1996. Mit Billigung der Staatsanwaltschaft haben Polizei und Militär das Gefängnis angegriffen und dort eine Art Willkürregime errichtet.
Was waren das für Foltermethoden?
Eine bei den türkischen Beamten beliebte Methode ist als
»palästinensische Schaukel« benannt. Man bindet
die Hände des Gefangenen hinter dem Rücken fest und
hängt ihn dann mit zusammengebundenen Händen an der Decke
auf. Wenn man nicht aufpaßt und sich falsch bewegt, kann man
daran sterben. Eine weitere Methode bestand darin, einen an den
Oberarmen aufzuhängen.
Daß wir die Gefängnishaft, vor allem die Zeit in
Diyarbakir überlebt haben, grenzt an ein Wunder. Sehr viele
Menschen, die dort inhaftiert waren, litten danach an schweren
psychischen und physischen Problemen, viele leiden bis heute an den
Folgen. Bei mir hat das dazu geführt, daß ich mit 25
fast alle Zähne verloren habe. Vergeßlichkeit,
hormonelle Störungen, Störungen des Gleichgewichtssinnes
sowie Probleme mit dem Verdauungsapparat und mit den Nieren sind
geblieben. Auch meine Konzentrationsfähigkeit sowie allgemein
meine geistige Leistungsfähigkeit haben infolge dieser
Erlebnisse stark nachgelassen. Mein Immunsystem wurde ebenfalls in
Mitleidenschaft gezogen. Ich bin insgesamt viel empfindlicher und
anfälliger gegenüber Infektionskrankheiten. Was mich bis
heute auf den Beinen hält, was uns allen geholfen hat zu
überleben, das ist unsere Überzeugung von der Richtigkeit
der Sache, für die wir uns eingesetzt und für die wir
gekämpft haben.
Wie ist Ihr Leben nach der Entlassung
verlaufen?
Nachdem ich 2000 auf Bewährung aus dem Gefängnis kam, habe ich Kontakt mit der damaligen legalen kurdischen Partei HADEP aufgenommen. Da mir der türkische Staat verboten hat, mich politisch zu betätigen, habe ich mich allerdings nicht offiziell engagiert. Ich fungierte lediglich als Berater. Obwohl ich 20 Jahre meiner Strafe abgesessen hatte, war es mir aufgrund dieses Politikverbots nicht möglich, eine offizielle Position einzunehmen. Auf den Rat meiner Anwälte hin habe ich mich dann entschlossen, die Türkei zu verlassen und nach Europa, konkret nach Deutschland zu gehen. Ich bin dann auch ganz legal Anfang Januar 2002 mit meinem Reisepaß eingereist.
Wie wurden Sie vom deutschen Staat
empfangen?
In den ersten Monaten des Jahres 2002 habe ich mich zusammen mit einigen Kollegen schriftlich an das Außenministerium gewandt und einen Antrag gestellt, in Deutschland eine offizielle Vertretung der HADEP zu eröffnen. Das Ministerium reagierte zunächst positiv. Doch die Bearbeitung unseres Antrags zog sich in die Länge. In dieser Zeit ist mein Visum abgelaufen. Bei einer allgemeinen Polizeikontrolle wurde ich zunächst in Gewahrsam genommen. Um nicht sofort in die Türkei abgeschoben zu werden, blieb mir keine andere Wahl, als einen Asylantrag zu stellen. Es hat dann etwa sieben bis acht Monate gedauert, bis mein Antrag beantwortet wurde. In dieser Zeit hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Informationen bei den türkischen Behörden eingeholt. Aufgrund dieser Informationen kam es zu dem Schluß, ich sei immer noch für die PKK aktiv. Mit dieser Begründung wurde mein Asylantrag schließlich abgelehnt. Ich habe dann über meine Anwälte gegen diese Entscheidung geklagt. Das Gericht hat sich jedoch auf den BAMF-Beschluß berufen und nochmals bestätigt, daß mir kein politisches Asyl gewährt werden kann. Dennoch kam man zu dem Schluß, daß eine Auslieferung an die Türkei für mich zu gefährlich wäre, weil ich ja »erst« 20 Jahre meiner Strafe abgesessen hätte und außerdem der türkische Geheimdienst über meine Aktivitäten unterrichtet sei. Man hat mich deshalb zunächst einmal nicht ausgewiesen. Das war am 21. März 2005.
Eine schizophrene Entscheidung …
Diese paradoxe Entscheidung ist typisch für den Umgang der deutschen Behörden mit uns Kurden. Das einzige, worauf man sich bei diesen Entscheidungen stützt, sind die Berichte und die Dokumente, die von den türkischen Behörden – Polizei und Geheimdiensten – übermittelt werden. Was wir selbst und unsere Verteidiger sagen, ist nicht von Bedeutung. Das ist nicht nur bei mir so, das ist das Standardverfahren bei allen kurdischen Politikern und politisch Aktiven. Uns wird kein Verfahren nach rechtsstaatlichen, demokratischen Standards gewährt. Ich bin mir sicher, daß das an den geheimen Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei liegt. Der Vorwurf, ich sei illegal aktiv, kann schon von daher nicht der Wahrheit entsprechen, daß ich als bekannte politische Persönlichkeit gar nicht die Möglichkeiten habe, mich illegal zu betätigen. Alles, was ich mache, ist öffentlich und bewegt sich im legalen Rahmen. Was mir vorgeworfen wird, sind auch keine konkreten Taten, es ist vielmehr meine Vergangenheit. All diese Vorwürfe basieren ausschließlich auf den Unterlagen des türkischen Geheimdienstes.
Noch einmal: Was genau wirft man Ihnen
vor?
Man wirft mir ganz allgemein die Unterstützung der PKK vor.
Meine Festnahme im August 2006 in Deutschland und meine
Verurteilung zu einer Haftstrafe von schließlich drei Jahren
und zwei Monaten durch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am
Main wurde einzig und allein mit meinen Aktivitäten im
Zeitraum 2005/2006 begründet. Man hat mir vorgeworfen, in
diesem Zeitraum in Süddeutschland als illegaler Leiter
für die PKK gearbeitet und sie in diesem Raum organisiert zu
haben – ohne konkrete Beweise. Das war die ganze
Begründung für eine über drei Jahre währende
Gefängnishaft, aus der ich erst im Oktober 2009 entlassen
wurde.
Alle Anschuldigungen basieren letztlich auf den Vorwürfen des
türkischen Staates. Das zeigt, daß der deutsche Staat
als Handlanger der Türkei agiert, um die kurdische
Freiheitsbewegung zu illegalisieren und in ihren politischen
Aktivitäten zu blockieren. Ich bin mir sicher, daß die
USA hier ihre Finger mit im Spiel haben. Kurz bevor ich 2006 in
Süddeutschland festgenommen wurde, hatte es beispielsweise ein
Gespräch zwischen Vertretern der USA und Deutschlands gegeben.
Mir ist auch bekannt, daß es Abkommen zwischen allen
NATO-Ländern hinsichtlich des Umgangs mit der PKK gibt. Bis
vor einigen Jahren betraf das fast ausschließlich Deutschland
als den Staat, der am intensivsten gegen kurdische Politiker und
Aktivisten vorgegangen ist. Das liegt nicht zuletzt daran,
daß hier in Deutschland die meisten Kurden in Europa
außerhalb Kurdistans leben. Durch den Druck der USA haben in
den letzten Jahren auch die anderen europäischen Länder
immer stärker damit begonnen, gegen kurdische Einrichtungen
und Vereine vorzugehen.
Wie verhält sich die Regierung Barack Obamas in der
Kurden-Frage?
Der Druck von seiten der USA hat zugenommen, als George W. Bush sich 2007 mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen und die PKK öffentlich als den gemeinsamen Feind bezeichnet hat. Das wurde seinerzeit von den Medien entsprechend breitgetreten. Präsident Barack Obama macht nun nichts anderes, als diese Politik fortzuführen. Das wurde noch verstärkt durch Abkommen zwischen der Türkei und der USA etwa hinsichtlich der militärischen Unterstützung für den Krieg der USA in Afghanistan, wo die Türkei eng kooperiert.
Wie ist der aktuelle Stand in Ihrem
Verfahren?
Drei Tage nach meiner Verhaftung in Deutschland hatte die
Staatsanwalt von Diyarbakir Haftbefehl gegen mich erlassen. Darin
wurde mir nur ganz allgemein vorgeworfen, ich würde von
Deutschland aus die illegalen Aktivitäten der PKK in der
Türkei organisieren. Damit verbunden war die Androhung einer
lebenslänglichen Haftstrafe und die Forderung, mich an die
Türkei auszuliefern. Obwohl die Staatsanwaltschaft von
Diyarbakir dafür keinerlei Beweise vorlegen konnte, hat die
Staatsanwaltschaft am OLG Frankfurt am Main diese Vorwürfe
nahezu vollständig übernommen. Das Gericht hat daraufhin
im Jahr 2008 entschieden, ich solle an die Türkei ausgeliefert
werden. Gegen diesen Ausweisungsbeschluß habe ich über
meine Anwälte Widerspruch eingelegt. Nachdem die
türkische Staatsanwaltschaft auch nach sechs Monaten noch
keine Beweise gegen mich vorlegen konnte, hat das OLG meinen
Widerspruch akzeptiert. Damit wurde meine Abschiebung erst einmal
gestoppt. Trotzdem ist mein Aufenthalt hier stark gefährdet.
Ich habe Residenz- und Meldepflicht. Das bedeutet, daß ich
das Stadtgebiet von Stuttgart nicht verlassen darf und mich
täglich um eine bestimmte Uhrzeit persönlich bei der
Polizeibehörde einfinden muß, um zu beweisen, daß
ich auch tatsächlich hier bin.
Während meiner Haft in Deutschland hatte das Land
Baden-Württemberg zunächst dem Ausweisungsbeschluß
des Frankfurter OLG zugestimmt. Bei der Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht in Stuttgart richtete mein Anwalt an den Richter
die Frage: »Warum hat man meinen Mandanten zu einer mehr als
dreijährigen Haftstrafe verurteilt?« Der Richter
mußte dann bestätigen, daß in allen ihm bekannten
Fällen, auch wenn es um höhere PKK-Kader ging, keiner
eine Haftstrafe von mehr als drei Jahre erhalten habe. Er
kommentierte das dann sinngemäß mit den Worten, in
meinem Fall habe man dieses Strafmaß wohl deshalb
überschritten, um meine Ausweisung aus Deutschland zu
erleichtern. Jemanden, der eine über dreijährige
Haftstrafe erhält, kann man nämlich juristisch gesehen
leichter ausweisen. Obwohl er mit der Situation in Kurdistan und
dem Vorgehen der türkischen Behörden gegenüber der
PKK durchaus vertraut sei, müsse er, so fügte der Richter
hinzu, dem Entschluß, mich auszuweisen, leider zustimmen,
selbst vor dem Hintergrund, daß mir in der Türkei
weitere 20 Jahre Haftstrafe drohten.
In seinem Urteil vom Januar 2010 hat das Verwaltungsgericht
Stuttgart zwar betont, daß sich die Gesetzeslage in der
Türkei in den letzten Jahren allgemein verbessert hat,
zugleich mußte es jedoch einräumen, daß sich die
türkischen Behörden häufig nicht an diese Gesetze
halten. Trotzdem hat das Gericht eine gegen die
Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart
gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen haben meine Rechtsanwälte
beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim
Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Vor diesem Hintergrund
hat man die Ausweisung zunächst gestoppt. Gegen das seitens
des BAMF eingeleitete Widerrufsverfahren habe ich ebenfalls beim
Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben. Meiner Klage wurde
stattgegeben. Das BAMF hat dagegen beim Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg die Zulassung der Berufung beantragt. Beide
Berufungsverfahren sind beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.
Die deutschen Regierungsbehörden versuchen also nach
wie vor, Ihre Ausweisung durchzusetzen?
Man will mich offensichtlich dazu bringen, Deutschland zu verlassen. Man schiebt mich zwar nicht ab, man weist mich auch nicht aus, aber man macht mir das Leben hier so schwer wie nur möglich – mit der offenkundigen Absicht, mir jede Energie und jede Motivation zu rauben, zu bleiben. Es ist, als wolle man mir zeigen: Du hast hier keine Perspektive, wir wollen dich nicht.