Die richtige Wortwahl ist bei der Verbreitung von Ideologien ein entscheidender Faktor. Welche sprachlichen Muster im Rechtsextremismus genutzt werden und welche Rolle sie bei Pegida, AfD und Co. spielen, erklärt der Leipziger Uni-Professor Georg Schuppener.
Leipzig. Ob Björn Höcke oder Lutz Bachmann, die Köpfe rechtspopulistischer Strömungen fallen immer wieder durch ihre öffentlichen Äußerungen auf. Neben fremdenfeindlichen Entgleisungen sind unter anderem Sprachanleihen aus der germanischen Mythologie und den rassistischen Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts keine Seltenheit. Dabei waren diese historischen Rückbezüge über Jahre ein Merkmal von Rechtsextremisten und Neonazis. Germanische Runen gehören seit geraumer Zeit zum Symbolrepertoire.
Rechtspopulisten etablieren neue Sprachmuster
Dass auch der erweiterte rechte Rand zum Teil auf die sprachlichen Mittel zurückgreift, ist für Georg Schuppener kein Zufall. Vielmehr vermutet der Germanist, der in Leipzig eine außerplanmäßige Professur innehat, klares Kalkül hinter der Wortwahl: „Wer sich die Biografie von Lutz Bachmann anschaut, findet schnell die Parallelen zum extremen rechten Rand. Die Begriffe aus seiner Vergangenheit verwendet er ganz bewusst.“
Für sein neues Buch „Sprache und germanischer Mythos im Rechtsextremismus“, sammelte und analysierte Schuppener über vier Jahre tausende Dokumente, darunter szenetypische Plakate, Liedtexte, Aufkleber und Forenbeiträge aus dem In- und Ausland. Eine der zentralen Erkenntnisse: Rechtsextremisten greifen in ihrer Sprache auch weiterhin auf die bekannten Muster zurück. Doch warum funktioniert dieses System bis heute?
Unwissenheit trifft auf bewusste Pointierung
Laut Schuppener gibt es zwei Gründe: Zum einen fehle es vielen Menschen, die nicht zum aktiven Kern der Szene gehören, sondern ihr aus Wut oder vermeintlicher Hilflosigkeit folgen, an Vorkenntnissen. „Die meisten wissen nur wenig über germanische Mythologie“, sagt der 48-Jährige, „sie können ihnen fast alles erzählen.“ Laut Schuppener werde diese Unwissenheit von Rechtsextremisten genutzt: „Sie picken sich einzelne Punkte heraus und heben sie hervor.“ So werde zum Beispiel der germanische Hauptgott Odin zwar als besonders stark und gewalttätig glorifiziert, seine Rolle als Gott der Dichtkunst jedoch völlig vernachlässigt. Durch diese einseitige Betonung bestimmter Aspekte versuche die Szene krude Theorien wie die vermeintliche Vorherrschaft einer germanischen Rasse oder die Notwendigkeit von Gewalt zu rechtfertigen.
Volksbegriff wurde umgedeutet
Besonders deutlich wird das sprachliche Dilemma beim Volksbegriff, der dieser Tage auf rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Veranstaltungen häufig verwendet wird. Auch er wurde in der Vergangenheit von extremen Rechten genutzt, die ihn mit der Idee einer überlegenen, reinen Gemeinschaft in Verbindung bringen. Dabei stellt Schuppener klar: „Das Konzept des reinen Volkes ist eine Fiktion.“ Trotzdem hat es der Begriff längst auch in die Argumentation von AfD, Pegida und Co. geschafft: ob „Volksverräter “-Rufe, der „drohende Volkstod“ oder „schützenswerte Volksgemeinschaft“.
Neue Bundesländer sind gefährdeter
Dass führende Köpfe der Rechtspopulisten mit der Verwendung besonders in den neuen Bundesländern auf fruchtbaren Boden treffen, kommt für Schuppener nicht von ungefähr: „Viele Menschen haben den Begriff in der DDR unter einer anderen Bedeutung kennengelernt. Volksarmee oder Volkskammer sind nur zwei Beispiele.“
Wer da nicht nachfrage, was eigentlich gemeint sei, fühle sich, so Schuppener, von diesen Sprachmustern schnell abgeholt – eine Erkenntnis, aus der sich ein wichtiger Rat ableiten lasse: „Wir müssen reflektieren, was wir sagen und was uns gesagt wird. Sprache hat mehr Funktionen als das klassische Gespräch. Sie vermag zu manipulieren, zu überzeugen und Fakten zu verdrehen“, sagt der Experte für deutsche Sprachgeschichte.
Von Anton Zirk