Aggressive Reichsbürger, Schmuggel von Schlagringen und Elektroschockern, Zunahme von Schreckschusspistolen: In Sachsen haben Waffen derzeit Konjunktur. Das gilt für alle Bereiche, nicht zuletzt aber auch für Neonazis.
Dresden. Aggressive Reichsbürger, Schmuggel von Schlagringen und Elektroschockern, Zunahme von Schreckschusspistolen: In Sachsen haben Waffen derzeit Konjunktur. Das gilt für alle Bereiche, nicht zuletzt aber auch für Neonazis. Laut Verfassungsschutz sind aktuell 73 bekannte Rechtsextremisten im Besitz einer Waffe – ein Plus von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus der Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linke) hervor.
Dabei gingen die Sicherheitsbehörden gegen rund jeden zweiten Betroffenen vor. Laut Ulbig wurden 2016 in 36 Fällen Hinweise zum Rechtsextremismus geprüft, das sind 11 mehr als im vorangegangen Jahr. Dabei geht es um eine sogenannte „waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung“. Wer die Voraussetzungen laut Waffengesetz nicht erfüllt, darf keine Waffe führen. Die Konsequenzen aus dieser Prüfung aber sind in Sachsen dürftig. So gab es nur in drei Fällen akute Bedenken. Dabei prüft die Staatsanwaltschaft, ob eine „waffenrechtliche Unzuverlässigkeit“ vorliegt, so Ulbig. Die Verfahren dazu seien aber noch nicht abgeschlossen.
Nach Ansicht von Köditz ist dies problematisch. „Dass sich Teile der extremen Rechten in Sachsen bewaffnen, ist an sich schon beunruhigend“, meint die Linke. „Noch beunruhigender ist, dass die Zahl der Waffenbesitzer in diesem Bereich weiter steigt.“ Trotz anderslautender Beteuerungen vor allem aus dem Innenressort seien Gegenmaßnahmen aber bisher „mit dem Mikroskop zu suchen“.
Illegale Waffen in den Händen von Rechtsextremisten
Ulbig sieht die Lage etwas anders. „Wir wollen nicht, dass Waffen in die Hände von Extremisten gelangen“, sagt der Innenminister. „Und dazu gehört natürlich auch, dass wir uns genau anschauen, ob wir in kritischen Fällen die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen können.“ Dabei allerdings existierten laut Waffengesetz erhebliche Hürden. „Diese machen uns die Arbeit sehr schwer.“
Ein weiteres Feld dabei betrifft den illegalen Besitz von Waffen. Auch wenn es in der Natur der Sache liegt, dass gerade hier das Graufeld groß ist, gingen den Ermittlern doch einige Straftäter ins Netz. Laut Ulbig gab es im vergangenen Jahr zwölf Fälle, in denen Mitglieder der rechtsextremen Szene Waffen ohne entsprechende Erlaubnis besaßen – 2015 waren es noch 9.
Insgesamt aber ist die Faktenlage im Freistaat relativ klar. Immer mehr Sachsen legen sich Pistolen oder andere Waffen zu. So wurde erst kürzlich bekannt, dass die Zahl jener Bürger im Freistaat, die im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis sind, in den vergangenen 12 Monaten von 34 900 auf 41 800 gestiegen ist. Indirekt bestätigt wird dieser Trend durch die jüngsten Ereignisse. Erst vor wenigen Tagen entdeckte zum Beispiel die Polizei in Pirna über 3000 illegale Waffen in einem Kleintransporter.
Köditz fordert konsequentes Einschreiten
Hinzu kommen die Aktionen von Reichsbürgern, die wegen verschiedener Übergriffe und Straftaten bundesweit in den Fokus der Ermittler geraten sind. So gehen laut Operativem Abwehrzentrum im vergangenen Jahr mehr als 250 Straftaten allein auf das Konto dieser reichlich amorphen Gruppe. Im Oktober 2016 hatte ein Reichsbürger einen Polizisten in Bayern erschossen – eine Tat, die deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hat.
Nicht zuletzt wegen solcher Fälle fordert Köditz auch in Sachsen ein konsequentes Einschreiten. „Diese Szene muss endlich entwaffnet werden“, sagte sie – „auch angesichts aktueller Gefahren durch den Rechtsterrorismus und wegen zunehmender Waffenfunde bei sogenannten Reichsbürgern“.
Jürgen Kochinke