Verurteilte Extremisten - Nach der Haft die Fußfessel?

Erstveröffentlicht: 
08.02.2017

Bislang geht es bei der Diskussion um Fußfesseln um Gefährder. In einem neuen Gesetzentwurf will das Kabinett heute auch Fußfesseln für Straftäter ermöglichen, die aus der Haft entlassen werden und eine Terrorgefahr darstellen könnten.

Von Michael Stempfle, ARD-Hauptstadtstudio

 

Es klingt wie ein Déjà-vu: Heute wird sich das Kabinett schon wieder mit Fußfesseln befassen. Grundlage ist diesmal ein Gesetzesvorhaben von Justizminister Heiko Maas. Im Fokus des neuen Entwurfs: Extremistische Straftäter, die aus der Haft entlassen werden und noch immer eine Terrorgefahr darstellen könnten. Die Hürden, dass auch ihnen künftig Fußfesseln angelegt werden können, sollen gesenkt werden.

 

Damit wird Punkt 4 aus dem Zehn-Punkte-Maßnahmenkatalog umgesetzt, den Maas gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizière nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt ausgearbeitet und Anfang des Jahres präsentiert hat. Im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio verweist Maas darauf, dass terroristische Straftäter auch nach ihrer Verurteilung und Haftverbüßung eine Gefahr darstellen könnten: "Das haben wir leider allzu oft erlebt und deshalb soll für diese in Zukunft die Überwachung verbessert werden. Sie sollen eine Fußfessel tragen können. Das kann angeordnet werden und damit kann man ihre Wege besser verfolgen. Das ist kein Allheilmittel, aber das wird die Arbeit der Sicherheitsbehörden in diesem Bereich wesentlich erleichtern", so Maas.

 

Zwar war die sogenannte elektronische Aufenthaltsüberwachung schon vergangene Woche Thema im Kabinett - im Rahmen des überarbeiteten BKA-Gesetzes. Dabei ging es allerdings um einen anderen Personenkreis: Gefährder, die in länderübergreifenden Netzwerken aktiv sind. Die Fußfessel soll dann präventiv eingesetzt werden. Ein Gesetzesvorhaben, das nur wenige Gefährder betrifft. 

 

Signalwirkung für die Länder


Ob die Regelung aus dem BKA-Gesetz des Bundesinnenministeriums am Ende auch in den einzelnen Bundesländern angewandt wird, ist noch nicht klar. Dazu müssten die Landesregierungen wohl erst noch ihre jeweiligen Polizeigesetze ändern. Die Fußfessel aus dem BKA-Gesetz sollte also vor allem eine Art Signalwirkung für die Länder haben. Mit Erfolg? Ausgang offen.

 

Im neuen Gesetzesvorhaben von Maas hingegen werden neue Bedingungen aufgelistet, um bereits verurteilten Straftätern eine Fußfessel verpassen zu können, wenn sie aus der Haft entlassen werden. Vereinfacht ausgedrückt gilt Folgendes: Bislang können Richter Fußfesseln vor allem für Sexualstraftäter und Gewalttäter anordnen. Voraussetzungen sind bislang die vollständige Verbüßung einer mindestens dreijährigen Haftstrafe und bestimmte Delikte. Zum Beispiel, dass die Straftäter zuvor wegen schwerer Vergewaltigung oder Mordversuchen verurteilt worden waren. 

 

Voraussetzungen für Fußfesseln erweitern


Diese Voraussetzungen werden nun erweitert. Fußfesseln sollen künftig auch bei folgenden vier Delikten möglich sein: Erstens Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, zweitens Terrorismusfinanzierung, drittens Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder viertens Werben um Mitglieder einer terroristischen Vereinigung.

 

Künftig ist auch nicht mehr Voraussetzung, dass die Verurteilten eine dreijährige Haftstrafe vollständig verbüßt haben müssen. Künftig reicht schon die vollständige Verbüßung einer mindestens zweijährigen Haftstrafe aus. Dieser zuletzt genannte Punkt war zwischen Union und SPD bis zuletzt umstritten. Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann spricht jetzt auch nur von einer "kleinen Lösung". Man hätte auch ein Jahr vollständig verbüßte Haft als Voraussetzung für die elektronische Aufenthaltsüberwachung begründen können, so Kühne-Hörmann.

 

Zum Verständnis: In Hessen gibt es seit Ende 2013 einen massiven Anstieg an Verfahren im Zusammenhang mit Islamismus. Es sind rund 300. Häufig kommt es aber nur zu Verurteilungen unter zwei Jahren. Das gilt zum Beispiel für junge Männer, die mit einem One-Way-Ticket und IS-Flagge im Gepäck nach Syrien reisen wollen und am Flughafen in Frankfurt am Main aufgeschnappt werden. Diese machen sich zwar schon nach geltender Gesetzeslage strafbar. Das Strafmaß ist jedoch relativ gering. Die jungen Männer blieben von der geplanten Neuregelung von Maas wohl unberührt. 

 

"Schwerer Eingriff in Freiheitsrechte"


Dem Deutschen Anwaltverein geht der Gesetzentwurf von Maas wiederum zu weit. Es sei verfassungsrechtlich fraglich, ob Menschen, die noch keine Gewalttat begangen haben, auf diese Art und Wiese überwacht werden dürfen, so DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. "Die Fußfessel stellt als elektronische Aufenthaltsüberwachung einen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte der Betroffenen dar. Dieser schwere Eingriff muss immer verhältnismäßig sein. Aus guten Gründen kommt die Fußfessel bislang nur bei Verurteilungen wegen schwerer Verbrechen wie etwa Mord oder Totschlag in Betracht."

 

Abgesehen von den rechtlichen Bedenken sei die Fußfessel ein ungeeignetes Mittel für die Abwehr von Terroranschlägen. "Kein Attentäter wird sich mit einem Piep-Ton von einem Anschlag abhalten lassen", so Schellenberg.