Drei weiteren Auschwitz-Aufsehern droht Anklage

Ordnung vor der Hölle: Angehörige der SS-Totenkopfverbände an der Rampe von Auschwitz-Birkenau bei der sogenannten Selektion der angekommenen Häftlinge. (Foto: SZ Photo/Scherl)
Erstveröffentlicht: 
18.01.2017
  • Die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen hat die Fälle drei weiterer ehemaliger Auschwitz-Wachmänner an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben.
  • Wie dem rechtskräftig verurteilten SS-Mann Gröning droht den SS-Angehörigen eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord.

 

Von Martin Anetzberger und Oliver Das Gupta

   

In Deutschland könnten nach dem Grundsatzbeschluss des Bundesgerichtshofs zum Fall Gröning drei weitere Strafverfahren gegen ehemalige SS-Männer, die im Vernichtungslager Auschwitz Dienst verrichtet haben, bevorstehen. "Wir haben die Fälle an die Staatsanwaltschaften Gera, Stuttgart und Oldenburg abgegeben", sagte Oberstaatsanwalt Jens Rommel der Süddeutschen Zeitung.

 

Rommel leitet die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Die Beschuldigten sind Rommel zufolge deutlich älter als 90 Jahre: "Sie fallen in die Geburtsjahrgänge 1922 und 1923." In der Hierarchie der SS standen die Beschuldigten relativ weit unten. Es handele sich um "einfache Wachleute", sagte Rommel. Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau im damals besetzten Polen war zwischen 1942 und 1945 das größte deutsche Vernichtungslager. Mehr als eine Million Menschen wurden im Zweiten Weltkrieg dort ermordet, die meisten waren Juden.

 

Rommel hob hervor, wie wichtig die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Fall des früheren SS-Mannes Oskar Gröning für die Arbeit der Zentralen Stelle ist. Der BGH hatte im November das Urteil gegen den als "Buchhalter von Auschwitz" bekannt gewordenen Gröning für rechtskräftig erklärt. Demnach reicht es für eine Verurteilung aus, dass ein angeklagtes SS-Mitglied oder ein SS-Helfer zum Tatzeitpunkt in einem Vernichtungslager anwesend war und um das Geschehen wusste. Diese Rechtsauffassung bietet die Grundlage für die Ludwigsburger Ermittler, weitere Täter zu suchen. Rommel und seine Mitarbeiter wollen "weiter nach ähnlichen systematischen Tötungen in anderen Konzentrationslagern" fahnden.

 

Mehr als 7500 Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Täter

 

In der Vergangenheit sammelte die Zentrale Stelle die Fälle mutmaßlicher NS-Verbrecher und gab sie als Block an die Strafverfolger weiter. Diese Praxis hat sich nun geändert, denn angesichts des hohen Alters der mutmaßlichen Täter drängt die Zeit. Rommel betonte, seine Behörde gebe Verdachtsfälle sofort an die Staatsanwaltschaften weiter, um keine Zeit zu verlieren. "Sobald wir die Tat beschreiben können und einzelne Beschuldigte haben, geben wir die Verfahren gleich an die Staatsanwaltschaften ab." Hintergrund ist das hohe Alter der mutmaßlichen Täter.

 

Seit ihrer Gründung 1958 hat die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung Nationalsozialistischer Verbrechen" mehr als 7500 Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Nazi-Täter an Staatsanwaltschaften übergeben. Der 44 Jahre alte Oberstaatsanwalt Rommel leitet die Behörde seit Oktober 2015.