Die EU berät einen Flüchtlingspakt mit Libyen. Doch deutsche Diplomaten kritisieren die Menschenrechtslage in dem Land laut einem Medienbericht scharf: Exekutionen und Aussetzungen in der Wüste zählten zum Alltag.
In der Diskussion um einen möglichen Migrationspakt mit Libyen hat das Auswärtige Amt die Lage in dem Land scharf kritisiert. In einem Drahtbericht habe die deutsche Botschaft in Nigers Hauptstadt Niamey von "allerschwersten, systematischen Menschenrechtsverletzungen" geschrieben, berichtete die "Welt am Sonntag". Wörtlich heiße es: "Authentische Handyfotos und -videos belegen die KZ-ähnlichen Verhältnisse in den sogenannten Privatgefängnissen."
Schlepper und Migranten würden in solchen Privatgefängnissen häufig eingesperrt. "Exekutionen nicht zahlungsfähiger Migranten, Folter, Vergewaltigungen, Erpressungen sowie Aussetzungen in der Wüste sind dort an der Tagesordnung", heißt es laut "WamS" in der amtlichen Depesche. "Augenzeugen sprachen von exakt fünf Erschießungen wöchentlich in einem Gefängnis - mit Ankündigung und jeweils freitags, um Raum für Neuankömmlinge zu schaffen, das heißt den menschlichen ,Durchsatz' und damit den Profit der Betreiber zu erhöhen."
Die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Ska Keller, forderte in dem Blatt Konsequenzen. "Wenn die Bundesregierung davon Kenntnis hat, dann muss sie mit aller Macht dafür eintreten, dass ein neues Abkommen mit Libyen nicht zustande kommt", sagte sie. Das könnte sonst dazu führen, "dass Menschen in eine katastrophale und menschenunwürdige Lage zurückgeschickt werden".
Die Lage in dem Bürgerkriegsland ist seit Jahren fragil. Islamisten, Generäle, Religions- und Stammesführer streiten um Macht. Seit Anfang 2014 flohen mehr als eine halbe Million Flüchtlinge von Nordafrika mit Booten nach Italien - die meisten über Libyen.
Dennoch erklärte Luxemburgs Minister Jean Asselborn vergangene Woche, er hoffe langfristig, auch mit Libyen einen Flüchtlingspakt zu schließen, wie es ihn zwischen Europa und der Türkei gibt. Unter der Vereinbarung will die EU die meisten Migranten und Flüchtlinge von den griechischen Inseln wieder in die Türkei schicken. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière will dafür sorgen, "dass Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa gebracht werden" und wirbt für Flüchtlingslager in Nordafrika. Zur Frage, ob auch Libyen dazu gehöre, sagte er zuletzt: "Libyen ist besonders kompliziert."
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen kommende Woche auf Malta darüber beraten, wie sich die Zahl der aus Nordafrika übersetzenden Flüchtlinge senken lässt. Die maltesische EU-Ratspräsidentschaft hatte Vorschläge für eine Schutzlinie in libyschen Hoheitsgewässern präsentiert, um Migranten von der Flucht abzuhalten.