Im Sächsischen Landtag werden am Holocaust-Gedenktag Erinnerungen an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte wach. Ältere und junge Menschen lauschen den Worten eines Mannes, der Auschwitz überlebte.
Dresden. Mit einer bewegenden Gedenkstunde hat der Sächsische Landtag am Freitag an die Opfer der NS-Zeit erinnert. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verband seine Worte des Erinnerns mit einer Warnung vor neuem Unheil in der Gegenwart. Klare Worte fand er für all jene, die mit einer „neuen Sprache des Hasses“ geistige Brandstiftung betreiben: „Egal ob im Internet oder auf der Straße. Ein sehr sensibles Messinstrument, wie es um den verantwortlichen Umgang mit unserer Geschichte bestellt ist, ist unsere Sprache.“ Wer Begriffe aus der NS-Zeit benutze, werde dieser Verantwortung nicht gerecht.
„Wer so spricht, postet oder kommentiert, der bedient sich einer Sprache, die spaltet und verunglimpft, die ausgrenzt und diffamiert, die abwertet und demütigt, die polarisiert und ausschließt, die abspricht und entrechtet“, sagte Tillich. All das sei mehr als eine Entgleisung, sei mehr als eine gezielte Provokation: „Es ist mehr als nur Populismus. Es ist eine neue Sprache des Hasses.“ Zugleich mahnte er die weitere Auseinandersetzung mit der Geschichte an. Das Erinnern bekomme Lücken, auch in Sachsen: „Achten wir darauf, dass aus ihnen keine Lücken der Menschlichkeit werden.“ Dass die Deutschen aus ihrer Geschichte gelernt haben, dürfe nicht nur auf dem Papier stehen: „Wir müssen es leben.“
Nach den Worten von Landtagspräsident Matthias Rößler besteht die historische Verantwortung der Deutschen darin, mit dem Erinnern nicht aufzuhören. Rößler wies auf das Schicksal des jüdischen Mädchens Anne Frank hin, die im Alter von 15 Jahren in einem Konzentrationslager starb. „Was würde wohl Anne Frank dem reichlichen Viertel der 18- bis 29-jährigen Sachsen sagen, die laut Sachsen-Monitor der Meinung sind, Juden haben „etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht recht zu uns“? Was würde sie den 29 Prozent sagen, die der Aussage zustimmen, die Verbrechen des Nationalsozialismus würden in der Geschichtsschreibung übertrieben?“
Als Hauptredner hatte der Landtag den Polen Jacek Zieliniewicz eingeladen, der Auschwitz und ein KZ in Baden-Württemberg erlebt hatte. Der 91-Jährige schilderte den grausamen Alltag dort. Allein habe man die Lager nicht überleben können. Man habe Hilfe, Freunde und viel Glück gebraucht - zuerst aber Hoffnung: „Das Schlimmste war, dass auch Kinder in die Gaskammern mussten.“ Nach den Erlebnissen habe er 50 Jahre lang kein Deutsch mehr sprechen wollen. Seit 1995 sei er aber jedes Jahr wieder in Deutschland und unter Freunden. Zieliniewicz wandte sich auch direkt an Schüler im Saal. Sie seien nicht verantwortlich für die Vergangenheit, aber für die Zukunft.
Auch anderswo in Sachsen wurde am Freitag an der NS-Opfer gedacht. Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Weltweit wird dieser Tag als Holocaust-Gedenktag begangen. In Deutschland wird an alle Opfer des Nationalsozialismus erinnert.