Interview zu Pegida & Co.: Hat es sich ausgewütet?

Erstveröffentlicht: 
16.01.2017

In Leipzig wird Legida nicht mehr auf der Straße demonstrieren und in Dresden sind die Teilnehmerzahlen bei Pegida gesunken. Ist die islamfeindliche Bewegung also am Ende? Der MDR sprach mit Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der Technischen Universität Dresden. Er hat mit "PEGIDA. Warnsignale aus Dresden" das bisher umfassendste Buch über die Bewegung verfasst.

 

Herr Patzelt, welche Warnsignale sendet denn Pegida?

 

Pegida ist kein Dresdner Lokalphänomen, sondern ein Symptom für den deutschen Rechtspopulismus. Der kam in Pegida zur Oberfläche und ist unter dem Namen AfD erfolgreicher denn je. Wenngleich der Erfolg der AfD einer der zentralen Gründe ist, warum Pegida nicht mehr so viele Menschen mobilisieren kann.

Wie kann die Politik solchen Entwicklungen begegnen? Sind die sogenannten Pegidianer für die etablierten Parteien überhaupt noch erreichbar?

 

Das ist im Moment unwahrscheinlich, weil sich die Fronten zwischen Pegida und der politischen Klasse extrem verhärtet haben. Dieses Problem hätte die Politik schon längst in den Griff bekommen können. Das ist aber nicht unmöglich. Allerdings müssen jene Ursachen, von denen Pegida nur ein Symptom ist, ernst genommen werden. Die zentrale Ursache ist die Unzufriedenheit vieler mit dem Nichtfunktionieren der Demokratie: Die Menschen haben den Eindruck, dass die Politiker kaum auf ihre Wünsche und Nöte eingehen. Die konkreten Auslöser für Pegida und auch das Großwerden der AfD war die ungeregelte Einwanderungspolitik.  Außerdem lebt Pegida von der Kritik an der zunehmenden Europäisierung und Globalisierung sowie der wachsenden sozialen Ungerechtigkeit. 

 

Gibt es neue Erkenntnisse zu Pegida und den sozialen Netzwerken?


Facebook-Pegida und Straßen-Pegida unterscheiden sich stark. Die Facebook-Pegidianer sind in der Regel viel jünger, viel extremistischer, viel gewaltgeneigter. Deswegen kann man auch nicht vom Pegida-Auftritt im Netz darauf schließen, was die Pegidianer und auch AfD-Wähler wirklich bewegt. Das führt zu falschen Einschätzungen und falschen politischen Reaktionen. 

 

Sie haben sich auch die einzelnen Kundgebungen sehr genau angeschaut. Welche Rolle spielen dabei die Reden, deren Sprache doch teilweise recht radikal ist?


Man muss sich die großen Pegida-Kundgebungen vorstellen wie wöchentliche oder zweiwöchentliche Fußballspiele eines nicht sonderlich hochklassigen Vereins. Man kommt nicht, um qualitativ hochwertigen Fußball also Reden zu erleben, sondern um ein Gemeinschaftserlebnis zu haben. Zu dem gehört es, dass die Redner gegen die Politiker, Journalisten, Migranten und Muslimen wettern. Manches von dem, was da gesagt wurde, war selbst Pegidianern zuviel, zum Beispiel die Rede Pirinccis oder die Auftritte von Tatjana Festerling. Sie hat die Pegida-Teilnehmerschaft polarisiert. Die einen fanden ihren polemischen und demagogischen Ton gut, den anderen war es zu extrem, ihnen fehlte die Seriosität des ohnehin groben Tons. Infolgedessen war alles für die Pegidianer einladend, was ihr Gemeinschaftserleben stärkte und alles schlecht, was die Legitimität von Pegida bedrohte. 

 

Wie lange sehen Sie Pegida noch marschieren?


Ich habe Pegida schon mindestens zweimal fälschlicherweise totgesagt, ich werde jetzt vorsichtig sein. Wenn es zu keinen weiteren islamistischen Anschlägen kommt, wenn die AfD zu einer seriösen Partei wird und wenn die etablierten Parteien ihre Einwanderungspolitik ändern, dann hat Pegida schlechte Weiterentwicklungschancen. Allerdings haben wir einen Politikwechsel bereits erlebt, die Streitigkeiten bei der AfD sind noch nicht beigelegt und ob es zu einem weiteren Anschlag kommt, wissen wir nicht, folglich lassen sich keine seröse Aussagen über Pegidas Zähigkeit treffen.