So soll das „Rückkehrmanagement 2017“ funktionieren

Erstveröffentlicht: 
04.12.2016
Der Druck auf abgelehnte Asylbewerber, in ihre Heimatstaaten zurückzukehren, soll erhöht werden.

Von Martin Lutz, Manuel Bewarder
  • Die Unternehmensberatung McKinsey hat im Auftrag des BAMF nun einen Maßnahmenkatalog vorgelegt.
  • Ein Punkt darin: Die Abschiebungshaft soll so gestaltet sein, "dass sie in der Praxis konsequent anwendbar" sei.
  • Warum das wichtig ist:
    Der Bericht stellt fest, dass die Zahl der Ausreisepflichtigen in Deutschland bis Ende 2017 auf „mindestens 485.000“ steigen wird.

Die Bundesregierung soll den Druck auf abgelehnte Asylbewerber erhöhen, damit mehr Menschen in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Das geht aus dem Entwurf des Abschlussberichts der Unternehmensberatung McKinsey hervor, der 14 Maßnahmen für eine „konsequentere Rückführung“ ausreisepflichtiger Ausländer vorschlägt. Das vertrauliche Papier, das im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erstellt wurde, liegt der „Welt am Sonntag“ vor und soll Lösungen für ein Problem aufzeigen, über das seit Monaten debattiert wird.

 

Die Durchsetzung der Ausreise von kriminell gewordenen Ausländern gehört zu den Punkten, die die Regierung auf der Basis des McKinsey-Berichts angehen will. Die Berater plädieren für ein mit den Bundesländern koordiniertes „Rückkehrmanagement 2017“, um „zeitnah“ Erfolge zu erzielen. Dazu gehören mehr Abschiebungen sowie mehr freiwillige Rückreisen. „Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam sollten so gestaltet werden, dass sie in der Praxis konsequent anwendbar sind. Dazu sind entsprechende Abschiebungshaft- und Gewahrsamsanstalten einzurichten“, heißt es in dem Papier.

 

Zudem regt McKinsey die Schaffung eines finanziellen Anreizsystems etwa mit höheren Fördersätzen an, womit „die Anzahl freiwilliger Rückkehrer deutlich erhöht werden“ soll. Außerdem seien eine „konsequente digitale Erfassung im Ausländerzentralregister“, mehr Personal in den Ausländerbehörden und eine Zentralisierung der Verantwortlichkeiten für die Rückkehr in den Bundesländern nötig. 

 

Ende 2017 mindestens 485.000 Ausreisepflichtige


Der Bericht stellt fest, dass die Zahl der ausreisepflichtigen Personen bis Ende 2017 auf „mindestens 485.000“ steigen werde. Hingegen liegt die Prognose zu den tatsächlichen Ausreisen für dieses und das kommende Jahr bei jeweils nur 85.000. Die Kosten für einen Ausreisepflichtigen betrügen 670 Euro im Monat. „Im Jahr 2017 werden die direkten Gesamtkosten damit bei rund drei Milliarden Euro liegen“, so die Berater.

 

Angesichts dieser Kosten sei es ratsam, in die Rückführung und besonders die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen „zu investieren, um die Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland zu verkürzen“. Die Kosten einer Rückführung durch die Polizei betragen demnach durchschnittlich 1500 Euro, bei einer freiwilligen Rückreise seien es 700 Euro. Laut Bericht reichen die bisherigen Bemühungen nicht aus, um dem „erwarteten erheblichen Anstieg der Gesamtzahl der Ausreisepflichtigen in 2017 nachhaltig entgegenzuwirken“.

 

Außerdem schlägt McKinsey schärfere Regeln für geduldete Ausländer vor. Sind diese krank oder legen keine Passpapiere vor, sollen sie für Essen oder Kleidung statt Geld nur noch Sachleistungen erhalten. Die „finanzielle Flexibilität“ könne so „verringert“ werden. McKinsey empfiehlt auch, Leistungen bei denjenigen zu kürzen, die zur Klärung der Identität oder zur Beschaffung von Passersatz-Dokumenten nicht beitrügen.

 

Die momentanen Resultate bei Rückführungen in die Heimatländer sind dem Bericht zufolge „unzureichend“. Zwischen Ausreisepflicht und tatsächlicher Ausreise liegen demnach bisher „bei vollzogenen Rückführungen durchschnittlich zwölf Monate, in manchen Fällen sogar rund 4,5 Jahre“. Nach Verurteilungen wegen einer Straftat benötige man im Schnitt 20 Monate für eine Ausweisung. 

 

Analyse kostete 1,8 Millionen Euro


Einiges von dem, was die Berater aufgeschrieben haben, findet man auch in Berichten der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „AG Rück“. Solche Papiere liegen schon lange auf dem Tisch, doch kaum eine Empfehlung wurde umgesetzt. Das soll sich jetzt offenbar ändern, weil die Rückkehrpolitik zum Top-Thema der Regierung wird. Allerdings sind für die Umsetzung der meisten Vorschläge die 16 Länder verantwortlich. Nicht alle haben bisher zentrale Ausländerbehörden geschaffen, wie es McKinsey verlangt.

 

Aber aller Druck der Bundesländer auf abgelehnte Asylbewerber nutzt wenig, wenn die Herkunftsstaaten die Menschen nicht nehmen. Bei der Kooperation mit diesen Staaten ist der Bund gefordert, kommt aber kaum voran.

 

Man hätte deshalb erwartet, dass die Autoren der Studie in dieser Frage mit dem Finger auf die Regierung zeigen, aber genau das tun sie nicht. Das Problem taucht nur als eines unter vielen auf: Hier ist die Situation dem Bericht zufolge aber offenbar so festgefahren, dass die Berater der Bundesregierung einen Neustart vorgeschlagen; Rücknahmeübernahmekommen sollten erstmalig oder neu verhandelt werden und „konsequent“ umgesetzt werden.

 

Etwas anderes haben sie demgegenüber ungewöhnlich deutlich formuliert: dass der Staat abgelehnten Asylbewerbern noch mehr Finanzhilfen anbieten soll, damit sie freiwillig ausreisen. Die Zahlen sprechen für solche Angebote, doch der politische Gegenwind dürfte groß sein.

 

Unterdessen wird Kritik an den hohen Kosten (1,8 Millionen Euro) für die McKinsey-Studie laut. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der „Welt am Sonntag“: „Allerdings stellt sich die Frage, warum man für so viel Geld externen Sachverstand einkauft, der auch in Bundesbehörden und Ministerien zweifellos vorhanden ist.“

 

Und der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagt: „Den Bericht hätten Bundes- und Landesbehörden genauso gut erarbeiten können. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Beamten.“