Neue Rechte rückt in die Mitte der Gesellschaft

Erstveröffentlicht: 
21.11.2016
Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt: Stramm rechte Ansichten sind in Deutschland weit verbreitet. Der Islam ist dabei wichtiger als das Thema Flüchtlinge.

 

AfD, Pegida, sogenannte Reichsbürger – stramm rechte Gesinnungen scheinen in Deutschland weit verbreitet zu sein. Doch wie stark werden die Ansichten in der Bevölkerung tatsächlich geteilt? Zu dieser Frage sind einige, teilweise umstrittene Studien erschienen. Neue Einblicke liefert die regelmäßig durchgeführte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (PDF), in der in diesem Jahr erstmals auch nach der Neuen Rechten gefragt wurde.

 

Einendes Merkmal der Bewegung ist demnach eine bunte Mischung aus Verschwörungstheorien. Deutschland wird vom Islam unterwandert und von illegitimen, verlogenen Eliten regiert, die ein Meinungsdiktat vorgeben – diese Standpunkte werden der Studie zufolge zusammenhängend von rund 28 Prozent der Befragten geteilt. Gemein ist diesem Bevölkerungsteil auch die Ablehnung der EU, eine Rückbesinnung auf das Nationale und die Bereitschaft zum Widerstand gegen die aktuelle Politik.

 

Die hohe Zustimmung zu dieser Summe von Einstellungen werten die Autoren der Studie als Beleg dafür, dass die Neue Rechte vom rechtsextremen Rand in die breite Bevölkerung vorgedrungen ist. "Pegida und maßgebliche Teile der AfD scheinen hier wie Steigbügelhalter für die Ideologie zu fungieren", heißt es in der Auswertung.

 

Den Ergebnissen zufolge werden diese "neurechten Einstellungsmuster umfassender vertreten, je weiter rechts sich die Befragten selbst verorten. Unter AfD-Wählern werden die Ansichten der Studie zufolge von 84 Prozent der Befragten vertreten. Das Geschlecht spielt dagegen genauso wie das Alter kaum eine Rolle: Der Anteil von Männern und Frauen ist nahezu gleich, auch beim Alter ist die Verteilung relativ ausgewogen.

 

Stärkeren Einfluss hat die Bildung. "Besser Gebildete neigen weniger zu neurechten Einstellungen als Befragte mit niedrigerem Bildungsabschluss, doch auch ein gewisser Anteil der gut Gebildeten (15 Prozent) vertritt neurechte Einstellungen", heißt es in der Studie. Eine signifikante Rolle spielt zudem die Herkunft: In Ostdeutschland stimmen 33 Prozent mit dem identifizierten Einstellungsmuster überein, im Westen sind es 26 Prozent. 

 

Islam und Flüchtlinge


Die Skepsis gegenüber dem Islam ist allerdings auch außerhalb des zusammenhängenden "neurechten Einstellungsmusters" erheblich. Fast jeder zweite Befragte stimmte der Ansicht zu, dass die Religion in Deutschland zu viel Einfluss hat. 40 Prozent sind gar der Meinung, dass das Land vom Islam unterwandert wird.

 

Beim Thema Flüchtlinge fällt die Ablehnung dagegen geringer aus. Nur 20 Prozent finden es "eher nicht" oder "überhaupt nicht" gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Nur eine kleine Minderheit fühlt sich persönlich durch Flüchtlinge in ihrer Lebensweise (6 Prozent) oder finanziell (7 Prozent) bedroht. Allerdings befürchtet rund ein Viertel der Befragten ein Absinken des Lebensstandards in Deutschland.

 

Insgesamt deutet den Ergebnissen zufolge alles darauf hin, dass neurechte Ansichten den offenen Rechtsextremismus ablösen. Zugleich hängen die Einstellungen teilweise stark miteinander zusammen. Die Neue Rechte sei daher nicht minder bedrohlich für die Demokratie, weil die Gruppe im Kern weiterhin von Menschenfeindlichkeit zusammengehalten werde. "Wir sollten der lauten Minderheit der Fremdenfeinde in den gesellschaftlichen Debatten nicht so viel Raum geben, sondern der demokratisch gesinnten Mehrheit mehr Aufmerksamkeit schenken", sagt Co-Autorin Beate Küpper.

 

Anmerkung: Die Studie basiert auf einer telefonisch durchgeführten repräsentativen Umfrage. Für die Erhebung wurden zwischen dem 6. Juni und dem 5. August 2016 insgesamt 2.008 Menschen mit einem standardisierten Fragebogen befragt.