AfD-Vorstand: "Newcomer" statt "Nationale"

Erstveröffentlicht: 
14.11.2016

Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern geht mit einer nahezu komplett neuen Führungsmannschaft in den bevorstehenden Bundestagswahlkampf. Der Parteitag in Gägelow (Landkreis Nordwestmecklenburg) bestätigte zwar den Fraktions-Chef im Landtag, Leif-Erik Holm, mit einer 94-Prozent-Mehrheit als Vorsitzenden. Fünf der insgesamt sieben Vorstandsposten wurden nach gelegentlich nervenaufreibenden Debatten und Satzungsdiskussionen jedoch neu besetzt.

 

Neues Führungs-Duo Wildt und Holm


Der Rügener Hotelier und Landtagsabgeordnete Bernhardt Wildt bildet gemeinsam mit Holm das neue Führungsduo. Wildt, 49 Jahre alt und Vorsitzender des Finanzausschusses im Landtag, wurde mit großer Mehrheit als Nachfolger von Matthias Manthei und damit zum neuen Co-Vorsitzenden gewählt. Manthei trat nach fast drei Jahren an der Spitze nicht wieder an, er wolle sich auf den Aufbau der Landtagsfraktion konzentrieren, sagte der 44-jährige Amtsrichter im Vorfeld. 

 

Nationaler Vorkämpfer ...


Wildts Wahl war die erste Überraschung des Tages. Denn er setzte sich gegen seinen Fraktionskollegen, den Neubrandenburger Rechtsanwalt Enrico Komning, durch. Während Wildt an die Geschlossenheit in der AfD appellierte und sogar dazu aufrief, Frauen als Wählergruppe nicht zu vernachlässigen, verkaufte sich Komning als Vorkämpfer der nationalen Sache. Er warnte vor einer Zersetzung und Unterwanderung der AfD. Die AfD dürfe nicht zu einer "Systempartei" oder zur einer CDU 2.0 werden. Die AfD sei, so Komning, eine Partei neuen Typus', sie sei der "Protektor des deutschen Volkes". 

 

... räumt Mitgliedschaft in Stasi-Eliteverband ein


Der Beifall für diese Sätze fiel schwächer aus als der im Anschluss für Wildt und seine Vorstellungsrede. Die Mitglieder fühlten dem Burschenschafter Komning in der Fragerunde gehörig auf den Zahn. Komning machte eine schlechte Figur als es um die gegen ihn erhobenen Stasi-Vorwürfe ging, er räumte ein, Mitglied des Wachregiments "Feliks Dzierzynski" gewesen zu sein - einem Eliteverband der Stasi. Komning sagte, er sei dort aber nur Heizer gewesen. Das Argument zog nicht so richtig. Komning fiel bei der Wahl durch, eine erste Niederlage für den völkisch-nationalen Flügel in der AfD. 

 

Rechtsaußen scheitert an Schatzmeisterin


Auch die Attacke des Burschenschafters und Landtagsabgeordneten Sandro Hersel scheiterte. Der Rechtsaußen konnte sich in einer Kampfkandidatur nicht gegen die Schatzmeisterin Ulrike Schielke-Ziesing durchsetzen. Sie bleibt oberste Kassenwartin der Partei und verkündete unter anderem, dass in den nächsten fünf Jahr rund 420.000 Euro aus der staatlichen Wahlkampfkosten-Rückerstattung fließen. Die Landtagsfraktion bekommt für ihre Arbeit ein Vielfaches dieser Summe. 

 

"Newcomer" statt "Nationale"


Auch bei den vier Vorstandsposten hatten die "Nationalen" schlechte Karten. Komning trat nach seiner Niederlage nicht als Beisitzer an. Eine bisherige Leitfigur, der ehemalige AfD-Landeschef und jetzige Landtagsabgeordnete Holger Arppe, fiel bei den Vorstandswahlen durch, stattdessen machten "Newcomer" das Rennen: Überraschenderweise schaffte es der Schweriner Hagen Brauer in den Vorstand. Der Chef der AfD-Stadtfraktion war erst Anfang des Jahres aus der CDU in die AfD gewechselt. Michael Bertram, Unternehmer aus Greifswald und Nikolaus Kramer, Polizist und Landtagsabgeordneter, schafften ebenfalls den Sprung ins Führungsgremium. Und wie aus dem Nichts rückte Norina Mittendorf, 34-Jährige aus Demmin, in den Vorstand auf. 

 

Saal platzt aus allen Nähten


Möglicherweise sind diese Personalien auch eine Folge der Entscheidungsstruktur: Die AfD kommt nicht als Delegierten-Parteitag, sondern als Mitgliedertreffen zusammen. Jedes Mitglied hat Stimm-und Rederecht. Das führte in Gägelow zu organisatorischen Schwierigkeiten. Denn es kamen weit mehr als die von der Parteispitze erwarteten 100 Mitglieder, am Ende waren es doppelt so viele. Der angemietete Saal war zu klein, der Parteitag begann mit Verzögerung. 

 

Federau sorgt für Eklat


Für einen Eklat sorgte erneut die Schweriner AfD-Stadtvertreterin Petra Federau. Sie war im Frühjahr bei einem Sonderparteitag in Binz von der Kandidatenliste für den Landtag gestrichen worden, weil sie vor Jahren einen Escort-Service im arabischen Raum geleitet hatte. Federau attackierte die Spitze ihres Kreisverbandes, den Landtagsabgeordneten Thomas de Jesus Fernandes und seinen Stellvertreter Ulf Theodor Claassen. Claassen sei skrupellos, hinterhältig und intrigant. Er hinterlasse "verbrannte Erde" und gefährde mit seinem charakterlosen und cholerischen Gebaren die Gesamtpartei.

 

Federau konnte ihre wüsten Attacken im Rahmen einer Vorstellungsrede für den Vorstand starten - offenbar nur ein Vorwand, zum Ende zog sie ihre Kandidatur zurück. Federau ließ die Mitglieder fassungslos bis erbost zurück. Sie habe den Riss im Kreisverband nur noch vertieft, hieß es. Trotzdem: Federau profitiert vom AfD-Wahlerfolg, sie wird Wahlkreismitarbeiterin des Landtagsabgeordneten Dirk Lerche, der mit ihr in der Schweriner Stadtvertretung sitzt. 

 

Erinnerung nur an deutsche Soldaten


Die AfD begann ihren Parteitag mit einer Provokation, die große Nummer 1 Leif-Erik Holm nutzte den Volkstrauertag für einen parteipolitischen Vorstoß und meinte, die AfD müsse "dem Zeitgeist widerstehen" und "politische Korrektheit über Bord werfen". Holm machte deutlich, was er darunter versteht: Anders als in der Bundesrepublik üblich gedachte der AfD-Parteitag allein der gefallenen deutschen Soldaten und scherte damit aus aus der gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur. Die millionenfachen Opfer der NS-Gewaltherrschaft ließ die AfD unerwähnt. Holm machte sich allein für einen nationalen Blick stark: "Denn das sind wir den Soldaten schuldig, die für ihr Land ins Feld ziehen mussten, ob diese Kriege nun richtig waren oder nicht." Die AfD begibt sich damit in fragwürdige Nachbarschaft. Auch die rechtsextreme NPD äußert sich ähnlich zu der Frage, ob beispielsweise der Zweite Weltkrieg "richtig" gewesen sein könnte.