Fremdenfeindliche Übergriffe, Hetze bei Pegida - Sachsen macht immer wieder Schlagzeilen. Eine, die sich für Flüchtlinge einsetzt, ist Steffi Brachtel. Nun wird die Freitalerin ausgezeichnet.
Als Steffi Brachtel erzählt, wie sie zu ihrem Engagement für Flüchtlinge kam, spielt die 41-Jährige gedankenverloren mit ihrer gelben Kette. Erst auf den zweiten Blick ist der Schriftzug zu erkennen: „Refugees welcome“, steht darauf - Flüchtlinge willkommen. „Die trage ich immer bei mir“, sagt Brachtel. Seit zwei Jahren hilft die Kellnerin in ihrer Heimatstadt Freital bei Dresden Flüchtlingen bei der Integration und bekämpft Hass-Kommentare auf Facebook gezielt mit Fakten und Argumenten.
Am 2. November wird Steffi Brachtel dafür in Berlin ausgezeichnet - mit dem Preis für Zivilcourage des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Die Auszeichnung für Aktivitäten gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus ist mit 3000 Euro dotiert, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird bei der Verleihung sprechen. Die Freitalerin freut sich über die Ehrung - und spricht von einem „Wow-Erlebnis“, das ihr wieder Kraft gebe. „So ganz schlecht ist es vielleicht doch nicht, was ich mache.“
Den Kampf gegen Rechte und Fremdenfeinde bezeichnet sie als „Kampf gegen Windmühlen“. Alles begann vor zwei Jahren im Herbst, als sich in Dresden das fremdenfeindliche Pegida-Bündnis formierte. Manchen Facebook-Freunden von Brachtel gefiel Pegida, einer postete ein Comic, in dem der Sohn den Vater fragt, warum es bei „Star Wars“ keine Moslems gebe. Antwort: „Weil Star Wars in der Zukunft spielt.“
Für sie sei da eine Grenze überschritten worden, sagt Brachtel. Zusammen mit ihrem heute 17-jährigen Sohn kommentierte sie den Post kritisch - und wurde prompt aus der Freundesliste gelöscht. „Man hat uns als linke Spinner abgestempelt.“
Teil des Preisgeldes spenden
Damals gab es einen Bruch in ihrem Freundeskreis. Bereut hat Brachtel ihre Entscheidung dennoch nicht. Gemeinsam mit ihrem Sohn fing sie an, rechte Kommentare im Netz zu bekämpfen, zu Demonstrationen zu gehen, an Menschlichkeit zu appellieren. „Und den Blick dafür zu schärfen, wie gut es uns eigentlich geht.“
Von Anfang an stand sie auf der Seite der Asylbefürworter, als es in Freital Proteste gegen ein Flüchtlingsheim gab, eine rechtsextreme Bürgerwehr bundesweit Schlagzeilen machte. „Am Anfang standen wir dort mit 20 Mann.“ Sie betreut Jungen und Mädchen im Spielzimmer des Heims, hilft den Flüchtlingen bei Behördengängen. Später engagiert sie sich in der Organisation für Weltoffenheit und Toleranz.
Sie wird beschimpft, ihr Briefkasten in die Luft gesprengt. In Einwohnerversammlungen wird sie niedergeschrien. Auch wenn es heute ruhiger geworden ist: „Für mich ist es oft ein beklemmendes Gefühl, durch die Stadt zu laufen.“ Es sind kleine Dinge, die ihr Kraft geben: Der Dank von Flüchtlingen oder Nachrichten von „wildfremden Leuten“, die ihr auf Facebook Respekt zollen. Weitermachen will Steffi Brachtel auf jeden Fall. Ihre Devise: „Wer schweigt, stimmt zu.“
Einen Teil ihres Preisgeldes will sie spenden - an Dresdner Initiativen, die sich gegen Rechts engagieren. Gedanken macht sie sich, was sie zur Preisverleihung anziehen soll. Nur so viel ist sicher: Die Kette mit „Refugees welcome“ trägt sie auf jeden Fall.
Christiane Raatz