Als vor knapp einem Monat der Jahresbericht zur Deutschen Einheit erschien, waren danach sorgenvolle Stimmen zu hören. Denn die Wirtschaft im Osten entwickelt sich zwar gut, aber die anhaltende Fremdenfeindlichkeit wird der Bundesregierung zufolge zur Gefahr für Wirtschaft und Tourismus. Ist das nur eine Warnung oder schon Realität?
von Lydia Jakobi, MDR Aktuell
"Tourismus in Dresden in Gefahr", "Pegida-Effekt schreckt Touristen ab", solche Schlagzeilen machten in den vergangenen Monaten immer wieder die Runde. Denn 2015 war die Zahl der Übernachtungen in der Landeshauptstadt zum ersten Mal seit Jahren gesunken, insgesamt um drei Prozent.
Gastgewerbe mit minimalen Schwankungen
Andrea Kis vom Landestourismusverband sagt, bei den deutschen Gästen habe es sogar einen Rückgang um mehr als fünf Prozent gegeben. Und für das erste Halbjahr 2016 sah es nicht wesentlich besser aus. Betrachte man ganz Sachsen, sei das Bild aber nicht dasselbe:
Schauen wir uns die Zahlen für 2015 an, haben wir bei den Gästeankünften plus minus null, bei den Übernachtungen ein kleines Minus.
Andrea Kis, Tourismusverband Sachsen
Das sei eine Konsolidierung auf hohem Niveau, weil in den vergangenen Jahren auch enorme Zuwächse festgestellt worden seien. Auch wenn die Übernachtungszahlen teilweise zurückgegangen sind, sei es zu einfach, die Ursache dafür allein bei Pegida und den fremdenfeindlichen Übergriffen in Sachsen zu suchen, meint Kis. Denn mal mache ein großes Hotel zu, dann gebe es keinen richtigen Winter. Und schon kämen weniger Gäste in eine bestimmte Region.
Ursachen können vielfältig sein
Trotzdem sei die fremdenfeindliche Stimmung für die Entwicklung Sachsens definitiv nicht zuträglich. Das sehen auch Wirtschaftsexperten so. Zum Beispiel Joachim Ragnitz vom ifo-Insitut für Wirtschaftsforschung in Dresden. "Es gibt vereinzelt Aussagen aus der Wirtschaft oder aus der Wissenschaft, die in diese Richtung gehen. Aber man kann nicht nachprüfen, ob die Sorge um Fremdenfeindlichkeit der Grund ist oder ob andere Ursachen dahinter stehen."
Auch, wenn es noch keine sicheren Analysen gibt, für den sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig ist klar: "Pegida schadet. Wir haben viele internationale Forscher, die den Weg nach Dresden scheuen oder sich woanders umschauen." Man höre aus den Universitäten, dass die Anmeldezahlen ausländischer Studierender rückläufig seien, dass Unternehmen mit ihren Kunden Diskussionen über den Standort Sachsen hätten.
Folgen wohl erst später messbar
Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung glaubt, dass sich erst in ein paar Jahren zeigen wird, welchen Effekt die aktuelle politische Situation auf die sächsische Wirtschaft hat.
"Wenn es in drei oder vier Jahren darum geht, uns anzusehen wie viele Start-ups zu gut wachsenden Unternehmen geworden sind, werden wir sehen, dass in Sachsen unterproportional viele Unternehmen zu schnell wachsenden Unternehmen geworden sind."
Was für alle feststeht: Die Warnungen im Bericht zur Deutschen Einheit sind vor allem ein politischer Akt. Sie sollen aufrütteln, damit es gar nicht erst schlimmer kommt.