"Kenia"-Koalition - Streit um Befugnisse für Geheimdienst

Erstveröffentlicht: 
12.10.2016

Die Koalition in Sachsen-Anhalt ist sich uneinig, ob nach der Festnahme eines Terrorverdächtigen Gesetze geändert werden sollen. Von Michael Bock

 

Magdeburg l Der sachsen-anhaltische CDU-Innenpolitiker Chris Schulenburg sagte, die Befugnisse für Nachrichtendienste und Polizei müssten gesetzlich verbessert werden. Er forderte einen automatischen Zugriff der Sicherheitsbehörden auf alle Datenbanken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. AfD-Chef André Poggenburg erklärte, seine Fraktion unterstütze die CDU-Forderung „in vollem Umfang“. Es sei oberste Pflicht der Regierung, „die Sicherheit unserer Bürger zu garantieren“.

 

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) warnte vor Schnellschüssen. Zunächst müssten die Ereignisse von Chemnitz sorgsam ausgewertet werden: „Es darf aber nicht von vornherein Tabus und Denkverbote im Hinblick auf gesetzliche Änderungen geben.“

 

Die CSU hatte zuvor ihre Forderung nach einer lückenlosen Überprüfung aller Flüchtlinge bekräftigt. Stahlknecht hält das für „überzogen.“ Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, sagte: „Das ist wieder eine typisch reflexhafte Forderung, mit der Herr Seehofer unnötig Ängste schürt.“ Lischka fordert mehr Zusammenarbeit in Europa zur Terrorabwehr. „Es gibt in Europa nicht einmal eine gemeinsame Datenbank, in der die Namen von allen Syrien-Kämpfern und Gefährdern aus Europa abrufbar sind“, kritisierte er. Der Magdeburger plädiert für eine europäische Behörde. Vorbild sei das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum des Bundes und der Länder in Deutschland, in dem 40 Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten.

 

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte: „Die Identität jedes Menschen, der nach Deutschland kommt und sich hier aufhält, muss im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung bekannt sein. Da darf es keine Abstriche geben. Kontrolldefizite, die aus den hohen Flüchtlingszahlen des letzten Jahres resultieren, sind schnellstens abzubauen.“

 

Politiker von SPD, Grünen und Linken in Sachsen-Anhalt lehnen neue Befugnisse für die Geheimdienste ab. „Die erfolgreiche Festnahme und Verhinderung eines offenbar geplanten Terroranschlages zeigen, dass die bestehenden Regelungen greifen“, sagte Henriette Quade (Linke). „Notwendig ist eine Polizei, die personell in der Lage ist, auf solche Lagen zu reagieren.“ Dafür sei eine „gesicherte und bessere Personalausstattung“ nötig. Auch SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben lehnt neue Gesetze ab. Man brauche endlich einen ordentlichen Vollzug der bestehenden, sagte er.

 

Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann sagte: „Wir sind grundsätzlich gegen völlig neue Tatbestände im Strafrecht. Die Gesetze, die wir haben, sind völlig ausreichend. Sie müssen nur konsequent angewendet werden.“