Proteste gegen den Slum von Halensee

Erstveröffentlicht: 
28.07.2016

Seit fast einem Jahr campen obdachlose Rumänen auf einer Brache an der Heilbronner Straße. Anwohner und Händler fühlen sich belästigt. Doch der Bezirk tut sich schwer mit Konsequenzen.

 

Von Carolin Brühl

 

Zur Straße hin ist das Grundstück mit Zäunen, Ketten und Schlössern versperrt. Doch hinter dem Aldi-Markt führt ein Schlupfloch im Zaun auf einen Trampelpfad in das wilde Camp. Versteckt im Gebüsch der Brache an der Heilbronner Straße in Halensee stehen Behausungen aus Planen und Stofffetzen.

 

An den Bäumen hängen Beutel mit Lebensmittel, um diese vor den Ratten zu schützen, die es hier offenbar reichlich gibt, weil amtliche Schädlingsbekämpfer schon rote Warnzettel an die Zäune gehängt haben. Angelockt werden sie von den stinkenden Müllbergen, die sich um das Lager herum aufgetürmt haben. Jetzt am Morgen ist alles menschenleer. „Die Bewohner kommen erst am Abend wieder zurück“, sagt ein Mann, der mit seinem Hund spazieren geht. Sogar Familien mit kleinen Kindern würden hier wohnen, erzählt er.

 

Kritik an der zögerlichen Haltung des Bezirksamts

 

„Wir fürchten, wenn sich da nicht bald etwas tut, kippt der Kiez“, sagen Karl-Heinz Murken und Siegfried Schlosser. So viele Anwohner und Gewerbetreibende aus dem Kiez entlang der S-Bahn sind verärgert und hätten sich bei ihnen beschwert.  Doch das Bezirksamt reagiere nicht konsequent genug, sagen die beiden Männer, die auf der Liste „Aktive Bürger in Charlottenburg-Wilmersdorf für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) kandidieren. „Gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass der Staat sich zeigt und nicht hinter dem Grundstückseigentümer versteckt“, sagt Murken. Der Unmut komme doch sonst nur den Rechtspopulisten zugute, meint er.

 

Beschwerden von Händlern in Halensee

 

Anwohner und Gewerbetreibende in Halensee fordern die endgültige Schließung des Camps. Während es den direkten Nachbarn eher um ihr verwahrlostes Umfeld geht, klagen Händler und Gewerbetreibende über das Verhalten der Camp-Bewohner. Ein Getränkehändler räumt zwar ein, dass in seinem Geschäft viel gestohlen werde, will aber seinen Namen nicht nennen. „Es heißt ja sonst nur wieder, man sei ausländerfeindlich“, fürchtet er.

 

Weniger Skrupel hat Hatice Bayrak (45), die gerade Obst und Gemüse appetitlich an ihrem Stand am Henriettenplatz drapiert. „Sie betteln meine Kundschaft an“, beschwert sie sich. „Am Nachmittag sitzen sie dann betrunken auf den Bänken des Platzes und streiten sich.“ Viele ihrer älteren Kunden fühlten sich belästigt, weil sie die Bänke auf dem Platz nicht mehr nutzen könnten, sagt die Händlerin.

 

Ihr Nachbar Erich Apffelstaedt betreibt einen Imbiss. Vor allem, wenn seine Frau allein am Stand sei, käme es zu ungemütlichen Situationen mit den Bewohnern des Camps. „Sie bestellen etwas und wollen aber immer nur einen Euro zahlen. Wenn wir ihnen das Gewünschte dann nicht geben, werden sie aggressiv und laut“, sagt der Imbiss-Betreiber. Andere Kunden würden dann gehen. „Das würde ich auch“, sagt Apffelstaedt.

 

Der ersten Gruppe wurde die Heimfahrt bezahlt

 

Das wilde Camp an der Heilbronner Straße droht zu einer endlosen Geschichte zu werden, fürchten Murken und Schlosser. Kaum reiste im Frühjahr eine Gruppe der obdachlose Rumänen ab, nachdem ihr das Bezirksamt die Heimfahrt bezahlt hat, siedelte sich die nächste wieder an. Das haben Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) und Baustadtrat Marc Schulte (SPD) in der letzten BVV vor der Sommerpause durchaus so bestätigt. „Das Bezirksamt kann sich doch nicht hinstellen und sagen, wir haben keine Möglichkeiten gegenüber dem Grundstückseigentümer. Das Ordnungsamt muss die Scholle räumen und die öffentliche Sicherheit wieder herstellen“, fordert Murken.

 

Bezirksamt nimmt einen zweiten Anlauf

 

Im Bezirksamt ist man sich des Problems indes durchaus bewusst. Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) will erneut einen Anlauf zur Lösung des Problems nehmen: „Ich habe heute mit Herrn Schulte gesprochen. Er ist auch noch einmal auf den Beauftragten des Eigentümers zugegangen, der nach wie vor behauptet, das Grundstück wäre gesichert. Doch wir haben auch Informationen von der Polizei, dass das Grundstück weiter zugänglich ist.“ Das werde man dem Grundstückseigner jetzt noch einmal übermitteln und ihn auffordern, dazu Stellung zu nehmen, wie er denn gedenkt, sein Grundstück zu sichern. „Wir haben im Bezirksamt auch einvernehmlich beschlossen, dass ich in meiner Eigenschaft als Gesundheitsstadtrat jetzt gegenüber dem Eigentümer eine Anordnung zur Entfernung des Mülls mit einer Frist übermitteln werde, um den Rattenbefall zu minimieren.“ Das Bezirksamt, so der CDU-Stadtrat, können bei einer Weigerung nach dem Infektionsschutzgesetz eine Ersatzvornahme anordnen oder ein Zwangsgeld zu verhängen. Grundsätzlich sei das Grundstück aber immer noch Privatgelände, so Engelmann, und der Eigentümer sei in erster Linie dafür verantwortlich.

 

Eigentümer übt Druck aufs Bezirksamt aus

 

Unklar ist indes, warum der Eigentümer das Grundstück in bester City-Lage in Halensee so verwahrlosen lässt. „Ich habe den Eindruck, er möchte damit Druck auf das Bezirksamt ausüben, um eine Baugenehmigung zu bekommen, um etwas, das er möchte zu errichten“, sagt Engelmann. Die Frage, was genau der Grundstückseigner denn da bauen wolle und wer es ist, will der Stadtrat indes nicht beantworten.