Kontaktgruppe Asyl mit Kritik an Staatskanzlei

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Mit Kritik an der Sächsischen Landesregierung hat die Kontaktgruppe Asyl (KoGA) auf die Nominierung für den diesjährigen Sächsischen Bürgerpreis reagiert und stattdessen „unverzügliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation geflüchteter Menschen“ gefordert.

 

Anlässlich der Preisverleihung war der Verein von der Sächsischen Staatskanzlei gebeten worden, eine Projektbeschreibung seiner Arbeit einzureichen. In einer Stellungnahme zeigte sich der Verein zwar erfreut über die Anerkennung seiner Arbeit, äußerte zugleich jedoch auch deutliche Kritik am Umgang mit geflüchteten Menschen: „Der Freistaat Sachsen macht in letzter Zeit wieder verstärkt durch die rücksichtslose Abschiebung von Menschen Schlagzeilen, bei denen auch die Trennung von Familien in Kauf genommen wird.“ Bis zum 09.06.2016 waren bereits 1.896 Menschen aus Sachsen abgeschoben worden, mehr als im gesamten Jahr 2015. Parallel dazu hatte der seit Jahren umstrittene Sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) angekündigt, „die Abschiebezahlen weiter zu steigern“ und „Menschen ohne Bleiberecht zwangsweise in ihre Heimatländer zurückzuschicken“.

 

Zudem hatten sich die politisch Verantwortlichen des Freistaat trotz Kritik von Menschenrechtsorganisationen und Sozialverbänden schon seit geraumer Zeit im Bund dafür eingesetzt, die nordafrikanischen Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um damit künftig noch mehr Menschen abschieben zu können. Angesichts der „enormen psychischen Belastung“ für die betroffenen Menschen bezeichnete der Verein das Vorgehen als „unmoralisch sowie menschenunwürdig“ und sprach sich für eine Aussetzung sämtlicher Abschiebungen aus.

 

Die Erfahrungen aus ihrer täglichen Arbeit zeigen vielmehr, dass in Sachsen lebende geflüchtete Menschen häufig mit inakzeptablen Bedingungen zu kämpfen haben: „So kam es bspw. im Herbst letzten Jahres vermehrt zu Klagen über die schier endlose Zeit, welche die Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbringen mussten, ohne registriert zu werden. Unwürdig stellte sich auch die Unterbringungssituation in Sachsen zu Hochzeiten der so genannten „Flüchtlingskrise“ dar, welche sich bei genauerer Betrachtung als eine Verwaltungskrise entpuppt und dem deutschen Verwaltungsapparat ein Armutszeugnis bescheinigt. Das Zusammenpferchen vieler Menschen in Großzelten ohne jegliche Privatsphäre und ohne ausreichende medizinische Versorgung zeugt unseres Erachtens nicht von der Wahrung der Menschenwürde.“

 

„Es ist für uns nicht mit unserem Selbstverständnis vereinbar, die Missstände in Sachsen zu kennen sowie regelmäßig zu erleben und gleichzeitig all diese Probleme auf Grund einer Preisvergabe des Freistaates zu vergessen.“

 

Während die Zahl der nach Sachsen kommenden Menschen nach dem Deal mit der Türkei in den letzten Monaten stark zurückgegangen ist, erweist sich inzwischen zunehmend das bürokratische System als Hürde: „So ist gerade in der Landeshauptstadt Dresden auffällig, dass die Ausländerbehörde nicht in der Lage ist, Menschen die einen positiven Bescheid des BAMF erhalten haben, zeitnah die zustehende Aufenthaltserlaubnis auszustellen. Stattdessen werden die Betroffenen gesetzeswidrig mit einer Fiktionsbescheinigung abgespeist und schweben damit mehrere Monate in einem Zustand, der es ihnen bspw. nicht ermöglicht, ein Visum für ihre Familienangehörigen zu beantragen, um ihnen dadurch eine sichere Einreise nach Deutschland zu ermöglichen.“

 

Auch von Seiten der Sächsischen Staatsregierung seien aktuell „keinerlei Anstrengungen“ zu erkennen, welche die Situation geflüchteter Menschen verbessern könnte. Vielmehr lassen sich sogar gegenläufige Bestrebungen beobachten, wenn etwa die sächsische CDU-Fraktion in einem Positionspapier für die Verlängerung der Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) eintritt und gleichzeitig für eine Rückkehr zu dem schon einmal abgeschafften Sachleistungsprinzip plädiert.

 

Schließlich erinnerte die Kontaktgruppe an Sachsen als zentralen Schauplatz „rassistischer und menschenverachtender Hetze und Gewalt“ und verwies auf die Verantwortung der Politik: „Statt das Problem aus Sicht der betroffenen Menschen zu sehen und endlich dafür zu sorgen, dass sich Geflüchtete in Sachsen wieder ohne Angst bewegen können, sorgt sich ein Großteil der sächsischen Politik lieber um die Außendarstellung des Freistaates. Hier sehen wir die Gefahr, dass die Vergabe des Sächsischen Bürgerpreises als Werbung missbraucht wird, um die vermeintlich so weltoffene und tolerante Seite Sachsens hervorzuheben.

 

Selbstverständlich gibt es auch in Sachsen viele Initiativen und Vereine, die sich umfassend für eine offenere Gesellschaft einsetzen. Dies allein genügt aber nicht, um aus Sachsen wirklich ein weltoffenes und tolerantes Bundesland zu machen. Hier ist an erster Stelle die Politik gefragt!“ Die Arbeit der Kontaktgruppe und vieler anderer freiwilliger Initiativen ist dabei lediglich als Versuch zu verstehen, „das staatliche Versagen bei der Schaffung von menschenwürdigen Bedingungen für Geflüchtete zumindest teilweise zu kompensieren. Würde der Staat hier seinen Aufgaben gewissenhaft nachkommen, wäre unsere ehrenamtliche Tätigkeit obsolet.“